Urängste

Psychologische, philosophische und wissenschaftliche Betrachtungen

Moderator: gabor

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Tyger
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Re: Urängste

Beitrag von Tyger »

Azazel hat geschrieben:Guter Beitrag Rikki - ergänzend dazu gibt es eine Theorie, dass die Angst z.B. vor Schlangen eine Urangst der Säugetiere ist, also eine Angst einer ganzen Gattung vor einer anderen. Ich finde leider den Link nicht mehr zu diesem Artikel eines brit. Wissenschaftlers.
Wenn die Theorie stimmt, gehöre ich entweder nicht zur Gattung der Säugetiere oder bin völlig entartet - ich finde Schlangen nämlich sehr schön, mag sie und fasse sie auch gern an. Natürlich halte ich Abstand zu Giftschlangen, aber das passiert rein auf der Vernunftebene.
Urängste - ja, so etwas gibt es bei mir, aber die möchte ich hier nicht ausbreiten.
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Azazel
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Re: Urängste

Beitrag von Azazel »

Du Alien:-))
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Tyger
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Re: Urängste

Beitrag von Tyger »

OMG, ich bin erkannt!
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Daimao_Koopa
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Re: Urängste

Beitrag von Daimao_Koopa »

Angst... ein sehr schönes, tiefgreifendes Thema!

Zuerst einmal danke auch ich Chybau und Rikki für die grundlegende Deutung der Angst.
Ich bin ebenfalls der Meinung, dass es so etwas wie "Ur-Angst" nicht gibt und eigentlich auch gar nicht geben kann. Wenn sich Angst über den biologischen
Pfad der Gene übertragen lassen könnte, dann müssten wir heute noch immer vor allen Dingen eine solche Ur-Angst empfinden, die sämtliche unserer
Vorfahren erleiden mussten.

Wie entsteht der Glaube an Urängste und entstammen diese?
Die Antwort liegt für mich ganz klar im sozialen Wesen des Menschen verborgen. Wie Chybau richtig bemerkte, sind neugeborene Menschen ihrer Umwelt
vollkommen aufgeschlossen und zeigen bis etwa zu Beginn des 3. Lebensmonats keine Anzeichen von Scheu, Abneigung, oder schlichweg Angst. Das hängt
damit zusammen, dass die Seele des kleinen Menschen bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht richtig mit seinem neuen Körper zurecht kommt und sich zudem
an all die neuartigen Einflüsse und Eindrücke erstmal gewöhnen muss.
Die unbeschriebene Seele des Kindes macht sich dann ganz naiv und unbekümmert (Sorge kennt es noch nicht) daran seine neuartige Umwelt zu erkunden.
Form, Farbe, Beständigkeit, visuelle Wahrnehmung - das alles gilt es zu verstehen und benutzen zu lernen, bevor das Kind tiefgreifendere Erfahrungen wie
Bezugnahme, Selbsterkennung, usw. in Angriff nehmen kann. Angst ist bis zu diesem Zeitpunkt absolut kein Thema für die neu angekommene Seele.

Das Kind versteht seine Umwelt nicht - wie auch, denn sie ist wesentlich komplexer und sehr viel stärker geordnet, als der Ort von dem es kam. Die Aufgabe des verständlich machens und des Bezugsaufbaus übernimmt sein neues, weltliches Umfeld - die Gesellschaft, bzw. "seine" Familie. Von Beginn seines Lebens an schreiben die Bezugspersonen dem Kind vor, wie die Welt funktioniert und wie es sich in ihr zu verhalten hat.

Das Kind weiß es nicht besser und lernt/folgt ohne zu zweifeln und ohne Widerworte zu geben. Verbote, Tabus, und Ekel manifestieren sich in der unerfahrenen Seele als Ängste, die sich mit dem sogenannten Unterbewusstsein vereinen (dieses Unterbewusstsein ist, wie ihr wisst, der Schlüssel zu allem was die materielle Welt verlässt). Das Unterbewusstsein wird im Laufe des Lebens immer mehr durch das künstlich geschaffene Bewusstsein verdrängt, das - aufgebaut auf den Gesetzen der materiellen Welt und deren Logik - zur Existenz in der materiellen Welt besser geeignet ist. Dort, wo das Bewusstsein oberflächlich und analytisch, sprich zerstörend und auflösend ist, ist das Unterbewusstsein tiefgründig und unmittelbar, sprich fließend und wandelbar.

Die Verdrängung des Unterbewusstseins - das all die früh aufoktroyierten Ängste enthält - durch das Bewusstsein führt dazu, dass die Menschheit glaubt
ihre Ängste wären "biologischer", bzw. elementarer Natur. :mad: ;)
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Die scheinbare Ur-Angst vor Schlangen, bzw. Schuppentieren erfolgt demnach durch eine theoretische Analyse der Eigenschaften von Wesen, die zwar
generell bekannt sind, man aber selber nicht kennt. Die Verpflanzung dieser Verurteilung der Schlangen, etc. führt bei der nachfolgenden Generation
im Regelfall zu einer "Ur-Angst". Glücklicherweise gibt es gegen solche "Ur-Ängste" ein gutes und altbewährtes Gegenmittel:
eine Mischung aus Mut und dem Willen zu der Quelle der Angst eine Beziehung aufzubauen. Wissen ist der Todfeind von Angst und die Erfahrung, dass z.B.
Haie und Schlangen gar nicht diese Monster sind, für die man sie hält, reißt die unbegründete Angst meist restlos aus dem Unterbewusstsein.

PS: Anmerkung am Rande: Angst ist sehr, um nicht zu sagen extrem eng mit Verzweiflung verbunden. Da es hier aber primär um Ur-Ängste und deren
Ursprünge geht, lassen wir diesen Riesen jedoch besser weiter schlafen.
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gabor
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Re: Urängste

Beitrag von gabor »

Gut geschrieben.....dem würde ich zustimmen!
Immer bereit!
Woher soll ich wissen, ob die Vergangenheit keine Fiktion ist, die nur erfunden wurde, um den Zwiespalt zwischen meinen augenblicklichen Sinneswahrnehmungen und meiner Geistesverfassung zu erklären?