Unwissen, Wissen, Verstehen und Begreifen

Psychologische, philosophische und wissenschaftliche Betrachtungen

Moderator: gabor

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Ambra

Unwissen, Wissen, Verstehen und Begreifen

Beitrag von Ambra »

Ich weiß nicht ob ihr dieses Phänomen kennt, man weiß über eine Sache bescheid, man kennt sie. Aber dann geschieht etwas unvorhergesehenes und man sieht diese Sache nun viel klarer und hat eine völlig andere einstellung dazu.
Ich kenne das jedenfalls gut. Hier seien mal meine Überlegungen diesbezüglich zur Diskusion gestellt.

Viele Menschen denken sie hätten etwas begriffen, dabei haben sie es gerade mal verstanden. Das der Mensch im allgemeinen eher nicht zu solchen Haarspaltereien neigt sollte hier allgemein bekannt sein. Sie denken Verstehen und Begreifen sind ein und dasselbe.

So sehe ich das den Werdegang vom Unwissen zum Begreifen:


1. Das Unwissen:
Unwissen ist keine Sünde, es ist nur eine Sünde nichts dagegen zu unternehmen sobald man ihrer gewahr wird.
Kinder wissen wenig von der Welt der "Erwachsenen", dinge wie z. B. Vergewaltigungen (mögen alle Vergewaltiger in der Hölle schmoren) sind einem 4 jährigen völlig fremd.

2. Das Wissen:
Im Laufe der Zeit weiß ein Kind das solche dinge existieren, aber vermutlich kann es nicht einschätzen das so eine Sache für Frauen (und Männer) extrem traumatisch ist. Es versteht nicht das es schlimm ist da das Kind die ganzen Vorgänge (mental) nicht verstehen kann. Solche Sachen gehen über den analytischen Verstand eines Kindes.

3. Das Verstehen:
Später versteht das nun älter gewordene Kind das dieses Ereignis zu den schlimmsten dingen zählt die jemanden zustoßen können.
Hier denken die meisten das es nichts weiter zu begreifen gibt. Was bei so etwas wirklich im Kopf des Opfers (und des Angreifers) vorgeht kann der Verstand schlichtweg nicht erfassen.

4. Das Begreifen:
Vielleicht (bei diesem Beispiel jedoch hoffentlich nicht), irgendwann der Punkt kommen da der Mensch selbst unmittelbar mit soetwas konfrontiert wird beginnt das Begreifen.
Ich denke begreifen kann man etwas wirklich nur dann wenn man es erlebt hat. (erneut hoffe ich das niemand eine Vergewaltigung je begreifen muss, leider ist das wohl sehr utopisch)
Ich werde oft dinge gefragt die für mich klar sind, die ich aber nicht erklären kann so sehr ich es auch versuche.
Es gibt dinge die kann man nicht erklären. Um diese Dinge wirklich komplett zu erfassen muss man sie selbst begreifen.
Clown
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Re: Unwissen, Wissen, Verstehen und Begreifen

Beitrag von Clown »

Hi Ambra.
Ich verstehe das was du meinst in etwa so. Früher dachte ich für jeden Tag so etwas wie eine Rune würde reichen (die geheiligte Tagesrune :au: )
Aber gestern zum Beispiel rief ich vor der Arbeit die Algizrune an für Wachstum meiner inneren Keimlinge (neuer Arbeitsplatz). Dann wollte eine Motorsense :o (passt zum Thema finde ich) nicht anspringen und ich rief Raidho an...UND DANN SPRING SIE AN! :)
Ich denke man kann Dinge nicht passend machen, aber man kann sich den Dingen anpasen. Eine Vergewaltigung ist auch so etwas wie sich etwas pasend machen. Da wird mit Gewalt passend gemacht...ich glaube Vergewaltiger fahren auf einer sehr einseitigen Schiene. Sie haben so ihre paar schweinegrunzenden Ansichten und die versuchen Sie anderen Menschen aufzuzwingen wie manche Religionen Menschen gewaltsam bekehren oder bekehrten. Das ist auch eine Form von Vergewaltigung. Und in Kindern sehen Vergewaltiger ein kleines Puzzleteil welches man leicht seinem Schicksal einweben kann. Aber dieses Kind wird auch grösser und der Vergewaltiger bekommt dadurch einen seelischen und körperlichen Tumor, der ihm irgendwann die Herzgefässe sprengt. Die vergewaltigte Person hat leider viel zu kämpfen, aber das Schicksal des Vergewaltigers ist oft besiegelt. Schlimm finde ich wenn Vergewaltigte sich ihrem Schicksal beugen und behaupten Sie wären selber dran Schuld oder Sie hätten es so gewollt. Denn dann hat sich der Vergewaltiger das Opfer wirklich passend gemacht. Zumindest scheint es dann so. :vamp:

Mit den verschiedenen Runenanrufungen an einem Tag habe ich erkannt, dass es einfach verschiedene Sichtweisen gibt. Und dass es fatal sein kann, wenn man nicht anpassungsfähig ist. Das endet dann in so etwas wie einer Vergewaltigung.
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gabor
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Re: Unwissen, Wissen, Verstehen und Begreifen

Beitrag von gabor »

Motorsense mit Runencodierung....da muss man erstmal drauf kommen!
"Und dann SPRING sie an? :lol:
Ich glaub,Du bist etwas verrunt!
Freundschaft!
Woher soll ich wissen, ob die Vergangenheit keine Fiktion ist, die nur erfunden wurde, um den Zwiespalt zwischen meinen augenblicklichen Sinneswahrnehmungen und meiner Geistesverfassung zu erklären?
Clown
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Re: Unwissen, Wissen, Verstehen und Begreifen

Beitrag von Clown »

gabor hat geschrieben:Motorsense mit Runencodierung....da muss man erstmal drauf kommen!
"Und dann SPRING sie an? :lol:
Ich glaub,Du bist etwas verrunt!
Freundschaft!
Jetzt leiste doch mal nen gescheiten Beitrag. Dein "Freundschaft" wird mir langsam ein heuchelndes Wort. :evil:
Lord_Diabolus

Re: Unwissen, Wissen, Verstehen und Begreifen

Beitrag von Lord_Diabolus »

Guten Tag, Ambra.

Ich verstehe (oder besser gesagt begreife?), welches Problem dich beschäftigt.
Die Stadien sind recht gut aufgelistet, auch gut definiert.
Allerdings würde ich sie anders benennen.
"Begreifen" ist für mich ein Zustand, den man nicht erlangen kann.
Das Verstehen beruht nach deiner These also auf theoretischer "Begreifen" eines Vorgangs und das Begreifen selbst ist ein persönliches Nachvollziehen?

Die Frage ist, ob man jede Situation (so schlimm, tragisch und zerstörend sie auch sein kann) wirklich verstehen kann, ohne sie zu begreifen - denn in dem Prozess des Begreifens entwickelt man die Ansichten weiter und gelangt theoretisch erst DANN in eine Position des allgemeinen "Ich versteh es voll und ganz!".

Gehen wir mal wieder von deiner Auflistung aus.
Demnach finde ich, dass viele Menschen eine Sache zwar gleich verstehen können, aber unterschiedlich begreifen, da sie einen anderen Bezug dazu haben und sich auch die Umstände nicht immer zu 100% gleichen, durch welche sie die Aktion begriffen haben.
An diesem Punkt wären wir wieder bei der Frage "Betrachte ich etwas subjektiv oder objektiv?" - und kommen zu der Einstellung von Evoi, dass es etwas wie "objektive Betrachtungsweise" genauer betrachtet nicht gibt.

Ab welchem Punkt kann man wirklich sagen: "Ich habe es begriffen?"
Und ab welchem Punkt kann man sagen: "Ich habe es verstanden?"
Denn in dem aktuellen Zustand kann man selbstverständlich nicht sagen, ob sich die Erfahrungen noch vertiefen oder in ihrer derzeitigen Bedeutung für den Betrachter verharren wird.
Ist es also überhaupt möglich, dass man in den vollkommenen Zustand des "Ich begreife!" gelangen kann?
Meiner Meinung nach ist dieser letzte Punkt, der Punkt des Begreifens, eine utopische Betrachtung - denn wann kann man sich sicher sein, eine Sache vollkommen zu begreifen?
Ich finde, dass man diesen Zustand, der nach dem "Ich verstehe" folgt, als "Ich verstehe besser" bezeichnen könnte - aber niemals als "Ich begreife!"
Denn dazu müsste ein höchster Punkt existieren - aber wer legt diesen bitte fest?
Irgendwann gelangen wir alle an eine Grenze, spätestens mit dem Tod selbst. Das muss aber in meinen Augen nicht bedeuten, dass man etwas wirklich "begriffen" hat, wie du es nennst.

Die Position, die ich anfangs als "Ich begreifen" beschrieben habe, würde ich also eher als ein "Ich verstehe besser" bezeichnen.


Ein gutes Beispiel dafür bieten zwei große Emotionen: Liebe und Hass.
Früher habe ich viele Menschen scheinbar "gehasst", bis mir dann jemand begegnete, bei dem wirklich alle Grenzen überschritten wurden und ich in einen solch extremen Zustand der Wut und Verachtung gelangte, dass alle vorherigen Erfahrungen mit der Emotion Hass plötzlich nichtig erschienen und ich sie als das bezeichnete, was ich heute unter "Wut" verstehe.

Ebenso spielt es sich bei der Liebe ab.
Ein Mädchen, das ich früher "liebte", war nach zwei Beziehungen für mich nichts weiter als ein hübsches Mädchen, das ich anziehend fand.
Und nach jeder Beziehung wurde dieses Gefühl der Liebe intensiver, bis ich zu einem Punkt kam (mit meiner Exfreundin), andem ich sagte: "Ich GLAUBE nicht, dass es noch intensiver werden kann."
Dies hat sich zum Teil bestätigt, allerdings wurden bestimmte Bereiche dieser Beziehung (offen gesagt: der sexuelle Aspekt) bei dem darauf folgenden Partner intensiver, dafür nahmen andere Bereiche in ihrer Intensivität ab.
Also war es doch nicht das höchste aller Dinge.

Und dieser Kreislauf geht immer weiter, man erlangt aber niemals ein vollkommenes Verständnis der Liebe selbst - man kann nur für sich selbst eine ungefähre Definition geben (FALLS man es kann - ich könnte das garnicht in Worte fassen, was für mich Liebe bedeutet, da alle Worte scheinbar zu "einfach" sind!) und etwas mit diesem Begriff verbinden - was nicht heißt, dass man ihn irgendwann "begreifen" wird, sondern mit jeder zusätzlichen Erfahrung "besser verstehen".

Komplexe Sache.
Verstehst Du, was ich meine?

HS
Diabolus
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Re: Unwissen, Wissen, Verstehen und Begreifen

Beitrag von Ich »

...
Zuletzt geändert von Ich am 13. Mai 2012 07:39, insgesamt 1-mal geändert.
"Ich bin kein Bekenner, ich bin ein leidenschaftlich beteiligter Betrachter!" (E.v.S.)
Bedecktes Feuer hitzt am meisten.
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Re: Unwissen, Wissen, Verstehen und Begreifen

Beitrag von gabor »

Na gut!Ich weiss,das meine Existenz auf der Unbeherrschtheit meines Erzeugers beruht,also nichtig ist.Ich weiss nicht was morgen kommt.Ich verstehe Deinen Drang zur Selbstdarstellung.Ich begreife....nichts!
Druschba!
Woher soll ich wissen, ob die Vergangenheit keine Fiktion ist, die nur erfunden wurde, um den Zwiespalt zwischen meinen augenblicklichen Sinneswahrnehmungen und meiner Geistesverfassung zu erklären?
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Re: Unwissen, Wissen, Verstehen und Begreifen

Beitrag von flame »

Ich denke nicht das man die Stufen so klar trennen kann.

Jemand der keine Ahnung von der Existenz einer Sache hat kann trotzdem mit ihr konfrontiert werden. Er weiß dann zwar nicht was es ist, ordnet es aber instinktiv irgendwo ein.

Dazu kommt noch das man sich nie sicher sein kann. Man glaubt nur zu wissen, man glaubt zu verstehen oder zu begreifen.
Das Fremderfahrungen unterschiedlich zum Lernprozess beitragen als Eigenerfahrungen will ich nicht bestreiten, allerdings bringt dich irgend etwas selbst zu durchleben nicht automatisch auf die Stufe des "Begreifens".
Ein wesentlichen Anteil daran hat immernoch das Gehirn der Person, und wie es mit der Situation umgeht.

Noch ein Aspekt spielen Vorurteile und andere falsche Tatsachen die jemand für wahr hält weil er es nicht besser weiß. Im Grunde wird die ganze Einteilung extrem subjektiv und kann nur bei sich selbst gültig angewendet werden. Als Schubladen fürs Umfeld macht es meiner Meinung nach wenig Sinn.
Ambra

Re: Unwissen, Wissen, Verstehen und Begreifen

Beitrag von Ambra »

Da kommt ja einiges produktives zusammen.

@Diabolus:
Scharfer Beitrag, alle Achtung.
Ich denke ich weiß was du mir sagen willst. Viele eurer Aufgelisteten Punkte sind mir nicht fremd. Das es sich hierbei um eine subjektive Betrachtung durch meine Augen handelt war hoffentlich ersichtlich. Das es sowas wie eine allgemeingültige Wahrheit gibt glaube ich schon Ewigkeiten nicht mehr.

Das Verstehen ist der analytische Teil der Situation, das Begreifen der persönliche Aspekt als denkendes Wesen, auch das habt ihr völlig richtig erkannt.
Ob man eine Situation zuerst begreifen und dann erst verstehen kann ist vermutlich Definitionssache. Wenn für euch das Verstehen über dem Begreifen steht habt ihr recht. Ich höre nur immer wieder wie Menschen sagen "Ich verstehe dich", aber ihre Taten zeigen mir das sie das Problem gerade mal im Ansatz erfasst haben. "Verstehen" und "Begreifen" sind in meinem Beitrag bloße Begriffe die beliebig austauschbar sind (wie alles in dieser Theorie).

Selbstverständlich begreift jeder eine Situation auf seine Art und weise, schließlich ist auch jedes Wesen indiviuell und sieht die Welt mit eigenen Augen. Auch hier erhebe ich keinen Anspruch auf abolute Wahrheit.

Wann man etwas tatsächlich begriffen hat? Gute Frage Diabolus.
Ich hoffe ich habe nicht den eindruck gemacht als könnte ich sie beantworten. Niemand kann sagen wann er etwas begriffen hat, das wurde mir auch klar.
Meine Achtung das ihr das verstanden habt. Aber wenn ich alles was ich dazu weiß niederlege ist es doch ein wenig langweilig. Könnte jemand besser verstehen wenn sein denken durch übermäßige informationen in feste Bahnen gelenkt wird?


@flame:
Selbstverständlich kann man die Stufen nicht klar trennen. Alles fließt nun mal. Ich benutze solche "Analysen" und Kategorisierungen nur teilweise um etwas zu verstehen. Wenn man dinge zu "detailiert" betrachtet sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Mir ging es bei dieser "statischen" Darstellung eher um das grobe Veranschaulichen des Umstands.
Und natürlich handelt es sich nur um MEINE Betrachtung, oder besser gesagt einen Teil davon.
Wie Diabolus schon sagte ist das Thema sehr komplex.
Hm, vielleicht kann man sich nie ganz sicher sein, aber man kann intuitiv spüren wenn man etwas nun besser versteht als davor.


Carpé Noctem
Ambra