Rezensionen zu 'philosophischer Literatur'

Gebrauchte Bücher aus dem magischen Bereich und allerlei Trödel

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Alveradis
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Rezensionen zu 'philosophischer Literatur'

Beitrag von Alveradis »

Hier auf Anregung von Lord_Diabolus:
Rezensionen zu philosophischer Literatur.

Ich bin gespannt auf deine Rezensionen, großer Bruder ;)
- Harmony, like a following breeze // at sea, is the exception." (Harvey Oxenhorn, Turning the rig)
- Der beste Ort, das Kriegsbeil zu begraben ist in deinem Gegner!"

PS: Suchfunktion!
Lord_Diabolus

Re: Rezensionen zu 'philosophischer Literatur'

Beitrag von Lord_Diabolus »

Vielen Dank, Wölfchen.

Die erste Vorstellung:

Also sprach Zarathustra

(von Friedrich Nietzsche)

Nietzsche gilt ohnehin als einer der bedeutensten Philosophen des 19ten und 20sten Jahrhunderts - und diesem Ruf wird er auch gerecht.
Sein bekanntestes Werk - Also sprach Zarathustra - ist in meinen Augen ein wahres Glanzstück.
Die Niederschrift ist quasi in Fabel-Form geschrieben.
Auch wenn diese Bezeichnung nicht ganz stimmt.
Unter einer "Fabel" versteht man meist eine Geschichte mit sprechenden Tieren oder sonstigen Fantasie-Wesen, hinter welcher eine Lehre steckt.
Bei Zarathustra ist es ähnlich, bedenkt man, dass Nietzsche dieses Werk als Philosoph schrieb und nicht als Geschichtenerzähler.
Kommen wir zur eigentlichen "Handlung".
Zarathustra ist ein Einsiedler, der sich seit Jahren von der Menschheit auf einen entfernten Berg im Wald zurückgezogen hat.
Dort lebt er mit seinen Tieren.
Eines Morgens erwacht er, spricht zur Sonne und wollte, wie sie, hinab zu den Menschen steigen und seine Erkenntnisse, die er in der Einsamkeit gewonnen hatte, dem Volke mitteilen.
Zarathustra durchlebt die tiefsten Abgründe und höchsten Höhen des Lebens und erkennt, dass der Mensch überwunden werden muss, um den Übermenschen zu schaffen.

Nietzsche lässt in diesem Werk gleich mehrere Einblicke in seine Philosophie zu.
Zum einen steht natürlich das Ideal des Übermenschen und der Überwindung des eigenen Selbst im Vordergrund, doch geht er auch auf das Gift ein, dass den Menschen eben davon abhält.

In wunderbarer, fast epischer Poesie beschreibt Nietzsche den Weg seines geschaffenen Zarathustras und wer ein einfaches, steriles, durchsichtiges und rein theoretisch-langweiliges Geschwätz erwartet hat, wird voll und ganz enttäuscht.
Ich hab selten ein Buch gesehen, mit dem ich mich so gut identifizieren kann.
Nietzsche ist wirklich einer der wenigen Menschen, die ich als Genie bezeichnen würde.

Strauss hat es nicht umsonst vertont!

Als absolutes Meisterwerk Nietzsche's:

10/10 Punkte



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Cheers
Diabolus
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flame
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Re: Rezensionen zu 'philosophischer Literatur'

Beitrag von flame »

Weißt du zufällig ob Nietzsche in dem Buch noch weiterführendere Bezüge zu Zarathustra hat, oder ob er bloß den Namen "geliehen" hat?
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gabor
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Re: Rezensionen zu 'philosophischer Literatur'

Beitrag von gabor »

Nietzsche....naja,der hat auch viel Unsinn verzapft.Gott ist tot,setzt ja eigentlich voraus,dass er mal gelebt hat.....Frauen und Fische auf eine Stufe zu stellen ist auch nicht sehr nett....Na ,und Fabeln(Danke für die Erklärung),wer hat die nicht geschrieben?
Ganz unverhofft,an einem Hügel,
sind sich begegnet,
Fuchs und Igel.
Der Fuchs,der sprach:"Du übler Wicht,kennst Du des Königs Order nicht?
Ist nicht der Friede längst verkündigt,und weisst Du nicht,dass jeder sündigt,der immer noch gerüstet geht?
Im Namen seiner Majestät!
Geh her,und übergib Dein Fell!"
Der Igel sprach:"Nur nicht so schnell!
Lass Dir erst Deine Zähne brechen,
dann wollen wir uns wieder sprechen!"
Und allsogleich macht er sich rund,
schliesst seinen dichten Stachelbund,
und trotzt getrost der ganzen Welt!
Bewaffnet,doch ein Friedensheld!
Druschba!
Woher soll ich wissen, ob die Vergangenheit keine Fiktion ist, die nur erfunden wurde, um den Zwiespalt zwischen meinen augenblicklichen Sinneswahrnehmungen und meiner Geistesverfassung zu erklären?
Lord_Diabolus

Re: Rezensionen zu 'philosophischer Literatur'

Beitrag von Lord_Diabolus »

Weißt du zufällig ob Nietzsche in dem Buch noch weiterführendere Bezüge zu Zarathustra hat, oder ob er bloß den Namen "geliehen" hat?
Ich persönlich denke, dass Zarathustra als Inspiration für Nietzsche galt.
Den Kult der Zarathustra-Gläubigen kenne ich nicht sonderlich genau.
Aber wie ich Nietzsche einschätze, hatte er keine tiefergehende Verbindung zu dieser Glaubensrichtung - fand aber ein großer Interesse an der Person des Zarathustras.
Wie gesagt: Mit diesem Glauben der Zarathustrer kenne ich mich nicht sonderlich gut aus.
Ich weiß nur, dass Nietzsche dadurch inspiriert wurde.
Nietzsche....naja,der hat auch viel Unsinn verzapft.Gott ist tot,setzt ja eigentlich voraus,dass er mal gelebt hat...
Es ist mehr sinnbildlich zu verstehen.
Die Menschen bilden sich aus den Eigenschaften einen "Gott", die sie selbst als "gut" einstufen.
Wenn die Gesellschaft allerdings nach und nach diese Werte "zersetzt", töten sie quasi ihren Gott.
Nach Nietzsches Auffassung wurde dieser Gott schon lange getötet - doch niemand gab es zu. Jeder beharrte darauf, dass dieser Gott noch immer passend und lebend sei.
Sicher "lebte" dieser Gott, denn die Menschen haben ihn schließlich erschaffen.
In ihrem Glauben lebte er.
Doch sie haben sich, so verstehe ich es jedenfalls, so sehr von diesem "göttlichen Prinzip" entfernt, dass sie ihn getötet haben - ihren Namen allerdings erwähnten sie in jedem zweiten Satz, um diesen zu "heiligen".
Frauen und Fische auf eine Stufe zu stellen ist auch nicht sehr nett...
Bedenke, wann das Buch veröffentlicht wurde: 1896.
Frauen waren noch nicht wirklich emanzipiert.
Daraus würde ich allerdings nicht schlussfolgern, dass Nietzsche die Frauen als etwas "niederes" betrachtet hat.
Im Gegenteil.
Er sah in der Frau die große Weggefährtin des Mannes.
Und sah im Manne den großen Weggefährten der Frau.
Damals war allerdings die Rollenverteilung etwas anders.
Ab und an kommen auch leichte antisemitische Züge rüber.
Weshalb?
Nun, damals war es kein Verbrechen.
Man könnte es mit einem mir sehr bekannten Sachverhalt beschreiben.
Pfälzer und Saarländer.
Machen sich auch gegenseitig übereinander lustig.
Aber einen wirklichen Hass habe ich noch nicht erlebt.
Im 19ten Jahrhundert waren Juden immerhin angesehene Händler.

Cheers!
Diabolus
Lord_Diabolus

Re: Rezensionen zu 'philosophischer Literatur'

Beitrag von Lord_Diabolus »

Zweites Buch:


Der Antichrist
(von Friedrich Nietzsche)

Kommen wir zu einem zweiten Werk von Nietzsche, das einige Zeit nach Zarathustra veröffentlicht wurde.
Dieses Buch ist, laut Nietzsche, der "Versuch einer Kritik des Christentums".
Mir persönlich haben die dortigen Bezüge sehr gut gefallen.
Nietzsche gibt in diesem Buch wieder tiefere Einblicke in seinen Atheismus und kritisiert neben dem Christentum ebenfalls zum Teil die Gesellschaft.
Erwähnenswert bei diesem Buch:
Es ist wiederum ein Werk, das fast 100 Jahre alt ist.
Die Einstellungen der Kirche und des Christentums haben sich etwas verändert, daher ist der ein oder andere Vorwurf nicht 100%ig präzise und zutreffend.
Witzigerweise erkennt man allerdings, dass mindestens 98% der Vorwürfe noch in unsere heutige Zeit hineinpassen.
Soviel zu dem Thema: "Der Atheismus kann das Christentum darauf aufmerksam machen, wo es konkret Verbesserungen erzielen muss."
100 Jahre nach Veröffentlichung dieses Werkes erkennent man fast keinerlei Fortschritte.
Ich persönlich, als bekennender Antichrist, habe dieses Buch verschlungen und geliebt.
Habe es auseinandergenommen und genau analysiert und kann ohne Gewissensbisse sagen, dass Nietzsche, trotz der zeitlichen Differenzen, immernoch aktuell ist.

Außerdem bin ich der Meinung, dass jeder "LHP-Anhänger" Nietzsche lesen sollte.
Denn viele Autoren, beispielsweise LaVey, wurden stark durch die atheistischen Philosophien dieses Mannes geprägt.
Wie gesagt: Es schadet nichts!


Zusammenfassend würde ich sagen:
Wieder ein wirklich gutes Werk von Nietzsche.
Meiner Meinung nach Pflichtlektüre für jeden, der sich mit diesem Thema auseinandersetzten möchte!
Sehr empfehlenswert.

Daher:

9/10 Punkte

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Cheers
Diabolus
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Eno
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The Greeks and the Irrational

Beitrag von Eno »

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The Greeks and the Irrational
by E. R. Dodds
University of California Press


Das Buch ist schon etwas älter (erstmals 1951 veröffentlicht) und besteht aus einer Sammlung von 8 Vorträgen, die man auch einzeln lesen kann:

I. Agamemnon’s Apology

II. From Shame-Culture to Guilt-Culture

III. The Blessings of Madness

IV. Dream-Pattern and Culture-Pattern

V. The Greek Shamans and the Origin of Puritanism

VI. Rationalism and Reaction in the Classical Age

VII. Plato, the Irrational Soul, and the Inherited Conglomerate

VIII. The Fear of Freedom

Betrachtet werden literarische Quellen vom archaischen (750-480 B.C.) bis zum klassischen (480-323 B.C.) Zeitalter.

In Kapitel I+II untersucht Dodd die Ilias, welche die ältesten Informationen über die frühe griechische Religion überliefert. Es geht um das Verhalten der Helden unter „göttlichem Einfuß“, insbesondere um die von Homer als „Menos“ und „Ate“ bezeichneten Zustände.

Ate (Verblendung) ist ein Zustand, in dem man unter göttlichem Einfluß Handlungen begeht, die ins Verderben führen (Beispiel Agamemnon der Achilles Frau stiehlt). Menos ist ein Zustand, in dem man vorübergehend über göttliche Kraft verfügt (Beispiel Diomedes Kampf gegen Götter oder Hektor als Berserker).

Shame-Culture und Guilt-Culture sind von amerikanischen Anthropologen geprägte Bezeichnungen. In einer „Shame-Culture“ wird soziale Konformität durch gesellschaftlichen Druck von außen erzielt. „Guilt-Culture“ bedeutet, dass der Druck durch das eigene Gewissen erzeugt wird.

Im dritten Vortrag geht es um Platons Konzept vom „Göttlichen Wahnsinn“ und die ersten drei Formen davon. Nach Platon gibt es vier Arten göttlichen Wahnsinns: Prophetischen Wahnsinn, Rituellen Wahnsinn, Poetischen Wahnsinn und Erotischen Wahnsinn. Die vier göttlichen Typen des Wahnsinns werden dabei vom ordinären durch Krankheit oder Drogen hervorgerufenen Wahnsinn unterschieden.

Der „Erotischen Wahnsinn“ wird dann im fünften Kapitel zusammen mit dem griechischen Schamanismus abgehandelt. Das vierte Kapitel handelt von göttlichen Boten, die dem Menschen in Träumen und Visionen erscheinen.

In Kapitel VI geht es um die unterschiedlichen religiösen Vorstellungen, die bei den Griechen zeitgleich existierten (diese bezeichnet der Autor als „Inherited Conglomerate“) und in Kapitel VII um Platons Umgang damit.

Warum sich Platons Vorschläge nicht durchsetzen konnten ist dann Gegenstand des letzten Kapitels.

Alles in allem waren die Griechen offenbar doch nicht so ausschließlich rational, wie ihnen später unterstellt worden ist.
V.I.T.R.I.O.L.
Mi+

Re: Rezensionen zu 'philosophischer Literatur'

Beitrag von Mi+ »

Beachtenswert ist das Dodds aus der eher hochkulturorientierten Sicht der Philologie eine Tür auftat die viele beachtenswerte Schriften nach sich zog, ohne die z.B. folgendes Werk nicht oder nur schwer denkbar wären.

http://www.amazon.de/Ancient-Greek-Divi ... 886&sr=1-6

Somit sollten wir ihn würdigen und uns auf die heute noch fruchtbaren Neuausblicke freuen, sofern man dieser Vertiefungsebene der griechischen Kultur etwas abzugewinnen vermag.


Mi
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asfaloh
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Re: Rezensionen zu 'philosophischer Literatur'

Beitrag von asfaloh »

Philosophische Literatur muss ja nun nicht immer "geschichtsschwanger" sein. Das philosophischste Buch, dass ich allen empfehlen kann, die, trotz Erkenntnis, nicht in den Keller zum Lachen gehen, ist:

Piet Klocke " Kühe grasen nicht, sie sprechen mit der Erde"

Wer braucht in unserer heutigen Zeit überhaupt noch Zeit?

"Dem Mobiltelefon ist es zu verdanken, dass der auf den Bürgersteigen handylos vor sich hin sabbelnde Psychopath nicht sofort erkannt wird." (S. 88) Piet Klockes absolut alltagsnahe Beobachtung wird wohl jeder Leser auf Anhieb verstehen. Das ist allerdings nicht bei allen Statements der Fall, von denen einige scheinbar unkonzentriert hingeworfen und permanent durch Assoziationen unterbrochen nicht zwangsläufig einen Sinn ergeben oder dies nur bei aufmerksamem Lesen und mit etwas Hintergrundwissen tun. Beispielsweise hier: "Durch Facebuckeln und ähnliche kontrolliert soziale Tätigkeiten tritt sehr deutlich zutage, wie viele bis unter die Schädeldecke mit Häme, Neid, Hass, Aggression und Missgunst gefüllte Mituser sich unerkannt unter uns tummeln. Geteiltes Like ..." (S. 230)

Piet Klocke (*1957) prägt in seinem unterhaltsamen neuen Buch den schönen Begriff der "Wlancholie" und stellt gänzlich unsortiert in 40 Kapiteln (jeweils ergänzt um kürzere oder längere Notizen) ein buntes Durcheinander aus pseudophilosophischen Betrachtungen und absurden Geschichten vor. Diese sind mal kürzer, mal länger - aber garantiert immer ein Original. Als Bonus liegt dem Buch eine CD (18 Tracks, 45 min) bei, auf der Klocke selbst einige Texte aus dem Buch in unnachahmlicher Art vorträgt. Sehr wahrscheinlich ist, dass nicht einmal Piet Klocke in der Lage wäre, den Inhalt seines Buches mit einigen Sätzen zu beschreiben. Das sollte man daher gar nicht erst versuchen.

Wer zum Lachen nicht in den Keller geht, wird mit KÜHE GRASEN NICHT aus dem HEYNE VERLAG einige lustige Stunden verbringen. Und einen haben wir noch: "Wie Wohlhabende ans Wohl gekommen sind, ist in den meisten Fällen nicht mehr genau zu recherchieren oder verjährt." (S. 176)

Mein Fazit: unbedingt lesenswert. Aber besser, ihr schaufelt euch ein wenig Zeit frei. Niggelnde Kinder oder Frauen / Männer wenn möglich fern halten. Man kann es nämlich schwer weg legen, wenn man einmal angefangen hat zu lesen. :har:

asfaloh

P.S. krank sein hat auch was Gutes. Man kommt endlich mal zum lesen! :lol:
"An der Mitfreude erkennt man den Freund, nicht am Mitleid. " Friedrich Nietzsche
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gabor
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Re: Rezensionen zu 'philosophischer Literatur'

Beitrag von gabor »

Der Mann hat keine Ahnung von Kühen.....soviel steht mal fest !!! :lol: :lol: :lol:
Immer bereit!
Woher soll ich wissen, ob die Vergangenheit keine Fiktion ist, die nur erfunden wurde, um den Zwiespalt zwischen meinen augenblicklichen Sinneswahrnehmungen und meiner Geistesverfassung zu erklären?