Die Sieben Schwerter - Maria Dolores (Alveradis)

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Alveradis
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Die Sieben Schwerter - Maria Dolores (Alveradis)

Beitrag von Alveradis »

(nach einiger Arbeit ist meine Interpretation der Sieben Schwerter fertig, ich freue mich auf eure Anregungen, Kritiken und Kommentare)

Die sieben Schwerter - Mater Maria Dolores


Tage
von Ernst Stadler

I.

Klangen Frauenschritte hinter Häuserbogen,
Folgtest du durch Gassen hingezogen
Feilen Blicken und geschminkten Wangen nach,
Hörtest in den Lüften Engelschöre musizieren,
Spürtest Glück, dich zu zerstören, zu verlieren,
Branntest dunkel nach Erniedrigung und Schmach.

Bis du dich an Eklem vollgetrunken,
Vor dem ausgebrannten Körper hingesunken,
Dein Gesicht dem eingeschrumpften Schoß verwühlt –
Fühltest, wie aus Schmach dir Glück geschähe,
Und des Gottes tausendfache Nähe
Dich in Himmelsreinheit höbe, niegefühlt.

II.

O Gelöbnis der Sünde! All’ ihr auferlegten Pilgerfahrten in entehrte Betten!
Stationen der Erniedrigung und der Begierde an verdammten Stätten!
Obdach beschmutzter Kammern, Herd in der Stube, wo die Speisereste verderben,
Und die qualmende Öllampe, und über der wackligen Kommode der Spiegel
in Scherben!
Ihr zertretnen Leiber! du Lächeln, krampfhaft in gemalte Lippen eingeschnitten!
Armes, ungepflegtes Haar! ihr Worte, denen Leben längst entglitten –
Seid ihr wieder um mich, hör’ ich euch meinen Namen nennen?
Fühl’ ich aus Scham und Angst wieder den einen Drang nur mich zerbrennen:
Sicherheit der Frommen, Würde der Gerechten anzuspeien,
Trübem, Ungewissem, schon Verlornem mich zu schenken, mich zu weihen,
Selig singend Schmach und Dumpfheit der Geschlagenen zu fühlen,
Mich ins Mark des Lebens wie in Gruben Erde einzuwühlen.

III.

Ich stammle irre Beichte über deinem Schoß:
Madonna, mach’ mich meiner Qualen los.
Du, deren Weh die Liebe nie verließ,
In deren Leib man sieben Schwerter stieß,
Die lächelnd man zur Marterbank gezerrt –
O sieh, noch bin ich ganz nicht aufgesperrt,
Noch fühl’ ich, wie mir Haß zur Kehle steigt,
Und vielem bin ich fern und ungeneigt.
O laß die Härte, die mich engt, zergehn,
Nur Tor mich sein, durch das die Bilder gehn,
Nur Spiegel, der die tausend Dinge trägt,
Allseiend, wie dein Atemzug sich über Welten regt.


IV.

Dann brenn’ ich nächtelang, mich zu kasteien,
Und spüre Stock und Geißel über meinen Leib geschwenkt.
Ich will mich ganz von meinem Selbst befreien,
Bis ich an alle Welt mich ausgeschenkt.
Ich will den Körper so mit Schmerzen nähren,
Bis Weltenleid mich sternengleich umkreist –
In Blut und Marter aufgepeitschter Schwären
Erfüllt sich Liebe und erlöst sich Geist.

Ernst Stadler, 1914
Aus der Sammlung Der Aufbruch




* Taditionelle Bedeutung und Darstellung

Bild
Im Raider-Waite ist auf den sieben Schwertern ein schleichender Mann in muslimischer zu sehen. Er trägt 5 Schwerter, 2 stecken hinter ihm im Boden, im Hintergrund ist eine Stadt oder ein Heerlager zu sehen. Man kann davon ausgehen, dass der Mann den Soldaten im Heerlager seine Waffen stielt und sie damit ein Stück hilfloser macht.

Traditionell deutet man diese Karte als Warnung vor Betrug, Lüge oder Diebstahl, oder als den Hinweis selbst zur Lösung eines Problems auf Tricksereien zurück zu greifen.

Das Crowley-Tarot nennt die Sieben SchwerternVergeblichkeit.

Bild


Inkonsistenzen:
Im Allgemeinen kann man die Bedeutungen der kleinen-Arkana-Karten auch aus den Bedeutungen von Zahl und Farbe herleiten.
Die 7 steht im Allgemeinen für das Ganze, das Vollkommene, die Vereinigung von Göttlichem und Irdischem. Die mit der sieben zusammenhängende Große-Arkana-Karte ist der Wagen.
Die Schwerter werden im Allgemeinen der Luft zugeordnet, stehen für den Verstand, das Rationale, aber über diese Zuordnung sollte man natürlich auch nicht vergessen, dass Schwerter Waffen sind, die für Krieg und Schmerzen, aber auch für hohe Kampfkunst stehen, (ein Schwert ist schließlich eine deutlich anspruchsvollere Waffe als beispielsweise ein Knüppel).

Jetzt kann man sich natürlich überlegen, inwiefern diese vollkommene Rationalität jetzt zur Betrügerkarte passt.
Ich denke, man kann sich durchaus eine sinnvolle Bedeutungsebene konstruieren oder herleiten, aber das überlasse ich euch und stelle euch meine Interpretation der Sieben Schwerter vor.


Der Eine oder Andere wird sich vielleicht schon gefragt haben, was das Gedicht zu Beginn des Posts sollte. Hoffentlich jedem, der es gelesen hat, ist die kursiv markiere Strophe Zeile aufgefallen und dass von einer Frau die Rede ist, in deren Leib man sieben Schwerter stieß.
Diese Frau ist, wahrscheinlich nicht allzu schwer zu erkennen, Maria, die Mutter von Jesus.
Maria, die sonst als heilige, reine Jungfrau dargestellt wird, taucht hier im sündigen, masochistisch anmutendem Kontext angebracht, sie ist meine Sieben Schwerter



* Maria Dolores - Maria der 7 Schmerzen

Bild
Tizian-Schule: Schmerzhafte Mutter, 17. Jahrhundert, in der Martins-Kirche in Senigallia (Dieses Bild ist gemeinfrei!)

Das katholische Pantheon hat einige abgefahrene, obskure Heilige, Maria Dolores gehört definitiv dazu. Sie ist eine Abspaltung der herkömmlichen Maria, auf die alles Leid, dass der "reinen" Maria wiederfuhr abgewälzt wurde. Sie ist die ungeliebte Zwillingsschwester, die, die den Dreck fressen musste, auf dass Maria, die Mutter Gottes immer rein und unberührt bleiben möge.

Marias sieben Schwerter repäsentieren die sogenannten Sieben Schmerzen der Maria Dolores, einschneidende, schmerzhafte Ereignisse im Leben der Maria von Nazareth.

Die sieben Schmerzen der Maria Dolores:
• Die Weissagung Simeons, bei der Darstellung Jesu im Tempel, Jesus werde viel widersprochen, aber auch seiner Mutter werde ein Schwert durch die Seele dringen (Lukasevangelium 2, 35).
• Die Flucht vor dem Kindermörder Herodes nach Ägypten (Matthäusevangelium 2, 13 - 15).
• Das Verlieren des zwölfjährigen Jesus im Tempel in Jerusalem und die drei Tage dauernde Suche nach ihm (Lukasevangelium 2, 42 - 48).
• Die Begegnung mit ihrem Sohn auf dessen Weg zum Kreuz, dargestellt in der 4. Station der Kreuzwegandacht (vgl. Lukasevangelium 23, 27).
• Das Ausharren unter dem Kreuz Jesu (Johannesevangelium 19, 25 - 27).
• Die Kreuzesabnahme Jesu, bedacht in der 13. Station der Kreuzwegandacht, in der Kunst dargestellt als Pieta.
• Die Grablegung Jesu, erinnert in der 14. Station der Kreuzwegandacht.
Quelle: Maria Dolores im ökumenischen Heiligenlexikon

Auf den ersten Blick zeigen die 7 Schmerzen der Mater Maria Dolores die Leiden einer Mutter im Laufe des Lebens ihres Kindes: Von der vorgeburtlichen Prophezeihung über das Retten des Neugeborenen, das Wiederfinden des Kindes bis schließlich die Begleitung des Sterbens.

Glücklicherweise müssen die meisten Mütter dieses Schicksal nicht durchleiden, sondern sterben vor ihren Kindern. Aber auch für solche Mütter als auch für kinderlose Zeitgenossen kann diese Karte übertragen werden. Die meisten von uns setzen auf die eine oder andere Weise Kinder in die Welt, seien es Projekte, Ideen, Werke oder etwas Anderes, dass man sich, meist mühsam, aufbaut.
Manche dieser Kinder gedeihen, überdauern lange Zeit, manche verwelken im Aufkeimen, manche "sterben" irgendwann. Das kann sehr schmerzhaft sein


* Die ungeliebte Zwillingsschwester

Wie die Kirche Marias "unreine" Aspekte, wie den unsäglichen Schmerz, den sie empfunden haben muss, auf andere Heilige auslagerte, tun es auch viele Menschen. Nicht wenige Menschen haben irgendwo in den Tiefen ihres Wesens eine ungeliebte Zwillingsschwester oder einen Zwillingsbruder, der den Dreck fressen muss, den ihre Geschwister tagtäglich abbekommen. In der heutigen Gesellschaft wird es erwartet, dass man in jeder Situation stark und unberührt bleibt, bricht man ein, so stürzen sich die Menschen wie Aasgeier auf einen und zerreissen das, was noch von einem übrig ist.
Kein Wunder, dass viele Menschen, die Schmerz lieber in sich vergraben, als sich damit auseinander zu setzen. Und so haben diese Menschen ihre kleine Schwester Dolores in sich.
In einer Legung können die Sieben Schwerter auf eben diesen verborgenen Persönlichkeitsaspekt hinweisen, ein Zeichen sein, sich mit ihr auseinander zu setzen, zu überprüfen, wie kaputt man im Inneren wirklich ist und ob ein Teil der Probleme, die man hat, nicht vielleicht genau da her rühren.


* "The Phyrexians have one word that means both "evolution" and "pain."."
- Flavourtext der Magic: The Gathering-Karte Foul Presence

In der heutigen Gesellschaft gilt Schmerz als etwas Negatives, dass man vermeiden und so gut es geht umgehen sollte. Gegen körperlichen wie seelischen Schmerz werden Pillen geschluckt, man erzieht zum Verdrängen und Ignorieren, legt jemand seinen Schmerz offen, so geschieht es nicht selten, dass sein Umfeld auf ihn einprügelt oder man ihn als krank einstuft.
Dabei verliert man die essentielle und lebensnotwendige Bedeutung des Schmerzes aus den Augen. Schmerz zeigt an, dass etwas schief läuft. Körperlich wie seelisch ist Schmerz immer ein Signal für ein tiefer liegendes Problem, ein Problem, dass man nicht oberflächlich zukleistern und betäuben sollte, bis man es nicht mehr spürt, in Kauf nimmt, dass das Problem schlimmer wird und einen irgendwann auffrisst, sondern dass man nur los wird, wenn man dem Schmerz nachspürt, ihn auskostet, nachfühlt und schließlich seinen Grund erkennt. Eiterwunden rund um eingewachsene Splitter tun weh, besonders, wenn man den Splitter zieht, aber danach ist es vorbei. Der Schmerz macht einen stärker.

Viele Kulturen sehen einen Zusammenhang von Schmerz und Entwicklung, grade in den östlichen Weltanschauungen gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Schmerzen und Reinigung oder besonderen Erfahrungen. Fakire laufen über Glas und glühende Kohlen, Asketen fasten sich halb zu Tode, die alten Germanen ließen sich zu ihren Totenritualen an Eschen aufhängen. Abgebundene Glieder, Sonnentänze und Selbstgeißelungen, ... Nicht immer war und ist das ein Ausdruck von Selbsthass und Selbstgeißlung, wie es beispielsweise von Opus Dei gefordert wird. Häufig steht hinter diesen Praktiken der Wunsch, den Weg der Entwicklung durch Schmerz zu gehen.

Maria Dolores hat sich ihre Schmerzen nicht ausgesucht, doch in Legungen können die Sieben Schwerter in einer Ratgeberposition eben das suggestieren:
Verstecke dich nicht vor deinem Schmerz, bekämpfe ihn nicht! Nutze ihn, um dich weiter zu entwickeln!


* Bedeutung der Karte (oder "auf den Punkt gebracht")

In meiner Interpretation deuten die sieben Schwerter auf einen Verlustprozess hin. Etwas stirbt, geht verloren, man durchlebt einen Leidensprozess, bekommt die sieben Schwerter am eignen Leib zu spüren. Im Gegensatz zu dem Tod und anderen Veränderungskarten liegt der Fokus hier nicht auf der Veränderung selbst und den Konsequenzen, sondern auf dem Prozess des Sich-Veränderns, den Leidensweg.

Wer seinen Sohn zu Grabe trägt hat, so unsensibel es klingt, neuen Platz in seinem Leben. Neben der Trauer bleibt Leere, eine Leere, die gefüllt werden kann mit Neuem. Wie so oft, steht das Ende auch hier für einen Lichtstreif am Horizont.

Tauchen die Sieben Schwerter in einer Legung umgedreht auf, so verstärkt sich diese Versprechung auf einen "Lichtstrahl am Horizont". Der Leidensweg ist vorbei. Der tote Sohn ist gestorben, begraben, auferstanden und in den Himmel aufgefahren. Es ist vorbei. Nichts außer ein paar Geschichten erinnert mehr an das verlorene Kind. Der Schmerz über den Verlust und die Trauer über die neue Leere ist verarbeitet oder wird es zumindest bald sein, man steht vor einem leeren Feld, das neu bepflanzt werden will.


* Bildinterpretation

Zum Bild selbst lässt sich kaum noch etwas sagen, dass nicht bereits erklärt wurde. Zu sehen ist die Mater Maria Dolores, kubisch verfremdet im Stil eines Kirchenfensters, durchstoßen von den 7 Schwertern. (wo die Schwerter durchgehen werden und ob das noch eine Bedeutung haben wird, muss ich mir noch überlegen)
Ich werde das Bild möglichst schlicht halten und nur schwarz, weiß, rot und eventuell ein helles Blau verwenden, um den Glaseindruck zu verstärken.
Die erste Skizze folgt, sobald meine Klausuren vorbei sind, also hoffentlich bald ;)
- Harmony, like a following breeze // at sea, is the exception." (Harvey Oxenhorn, Turning the rig)
- Der beste Ort, das Kriegsbeil zu begraben ist in deinem Gegner!"

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Re: Die Sieben Schwerter - Maria Dolores (Alveradis)

Beitrag von Bella Aurora »

Das ist eine schöne Interpretation der 7 Schwerter, mir ist nur eines aufgefallen, was ich gerne ergänzen möchte.
.Die Schwerter werden im Allgemeinen der Luft zugeordnet, stehen für den Verstand, das Rationale, aber über diese Zuordnung sollte man natürlich auch nicht vergessen, dass Schwerter Waffen sind, die für Krieg und Schmerzen, aber auch für hohe Kampfkunst stehen, (ein Schwert ist schließlich eine deutlich anspruchsvollere Waffe als beispielsweise ein Knüppel)
Das ist soweit korrekt, aber Luft steht auch besonders für Kommunikation und dieses Atribut wird verbal auch gerne als Waffe eingesetzt. Es gibt doch auch diesen schönen Spruch Für dein vorlautes Mundwerk bräuchtest du einen Waffenschein Es ist die intellektuelle Leichtigkeit, die dem ganzen den letzten Schliff verleihen. Die daraus resultierende Mischung kann wohl auch als Waffe gesehen werden ;)

Liebe Grüße
Bella
Und hüte dich vor den Guten und Gerechten! Sie kreuzigen gerne die, welche ihre eigene Tugend erfinden - sie hassen den Einsamen.
Friedrich Nietzsche, Werke II - Also sprach Zarathustra
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Re: Die Sieben Schwerter - Maria Dolores (Alveradis)

Beitrag von Alveradis »

Ich denke, irgendwo sollte irgendwer noch ein paar Worte über die allgemeinen Bedeutungen von Farben und Zahlen im Tarot schreiben, ich denke, da kann man das super mit einfließen lassen.

Worauf ich heute noch gestoßen bin:
Die heilige Maria Laetitia
Sie scheint das Gegenstück zu Maria Dolores zu sein, vielleicht passt eine andere Sieben dazu?
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