Archiv: Kleine Geschichte der Schnüffelei von Azazel (2001)

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Tinúviel
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Archiv: Kleine Geschichte der Schnüffelei von Azazel (2001)

Beitrag von Tinúviel »

Geschrieben von Azazel am 25. Juli 2001 10:27:49:

Über das staatliche Schnüffeln


Lauschen hier und weltweit


Mai 95: Die Fernmeldeverkehrs-Überwachungsverordnung (was ein schönes Wort, d.S.) legt die technischen Details zur Überwachung der Telekommunikation (TK) fest: Alle belauschten Verbindungen sind unverschlüsselt an die "Bedarfsträger" (Polizei, Geheimdienste und Zollkriminalamt) zu übermitteln. Weiterhin müssen alle ein- und ausgehenden Verbindungen, inclusive gescheiterter Kontaktversuche, erfasst werden. Dadurch ist es möglich, bei Handys den Standort der BenutzerInnen zu ermitteln und somit ein Bewegungsprofil zu erstellen. Auch TK-Dienste, wie zum Beispiel das Holen von "Newsgroups" (schwarze Bretter im Internet) bei einer Mailbox müssen erfasst werden. Anhand der bestellten Bretter kann ein Interessenprofil erstellt werden.


August 96: Das Telekommunikations-Gesetz (TKG) wird verabschiedet. Hierin wird festgelegt, daß die Betreiber der TK-Netze dazu verpflichtet sind, den "Bedarfsträgern" vollen Zugriff auf ihre Netze und ihre Kundendaten zu gewähren. Dies mutet seltsam an, da die Lauscher eigentlich wissen müßten, wen sie abhören. Dem BND muß zusätzlich die Struktur des Netzes offengelegt werden. Alle Kosten für diese Zugriffsmöglichkeiten sind vom Netz-Betreiber zu tragen.


Januar 98: Das Telekommunikations-Begleit-Gesetz (TKBeglG) wird wirksam. Mit diesem Gesetz wird die Palette an überwachbaren TK-Kennungen erweitert. Erfasst sind neben Telefon- und Faxnummer nun auch E-Mail-Adressen, Internet-Pseudonyme und IP-Nummern. (Eine IP-Nummer identifiziert einen Rechner im Internet.) Lecker: durch die Überwachung einer IP-Nummer eines Providers (Internet-Dienste-Anbieters) können alle KundInnen desselben abgehört werden. Neu ist auch, daß die Definition "abhörfähiger" Netze breiter wurde: sie trifft auf alle zu, die "geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste" anbieten. Dies beginnt bei kleinen Stadtzeitungen (!) mit zwei vernetzten Rechnern und endet bei Netzen internationaler Firmen. Eine dritte Neuerung ist, daß den Geheimdiensten das Recht zugesprochen wird, präventiv gesammelte Daten zu verwerten.


Inoffiziell: Die Gesetze zur Bespitzelung sind jedoch nicht die einzige Möglichkeit der Regierungen an Informationen in der TK-Welt zu gelangen. Geheimdienste in aller Welt sind fleißig damit beschäftigt, an allen möglichen Ecken und Enden mitzuhören. Über das tatsächliche Ausmaß kann nur spekuliert werden, aber eine untere Grenze läßt sich festlegen. Bemerkenswert dabei ist, daß die Lauscher eine internationale Kooperation erreicht haben, wie sie auf anderen Gebieten nur zu wünschen wäre.


Unter dem Namen ECHELON verbirgt sich der Lauschangriff auf alle über TK-Satelliten geführten Verbindungen. Aber auch Richtfunkstrecken, Mikrowellentürme und sogar Kabel können von den riesigen Lauschohren abgehört werden. Ob Fax, E-Mail oder Telefonat, alles wird mittels gewaltiger Rechnerkapazitäten überwacht. Intelligente Programme durchsuchen die anfallenden Datenberge in mehreren Sprachen und geben die so ausgesiebten "Treffer" an die Geheimdienste weiter, die mit der Sichtung des Materials reichlich beschäftigt sind. Laut veralteten Daten der NSA, des nationalen Sicherheitsdienstes der USA, fallen pro Tag über 40 Tonnen Papier an. Entwickelt und ausgebaut haben dieses System die USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland. Die Horchposten sind so über die Erde verteilt, daß sie die Überwachung aller relevanten Staaten ermöglichen. Wer sich die Größe der Ohren von ECHELON ansehen möchte fahre nach Bad Aibling in Bayern (wo sonst, d.S.). Angeblich hören die Amerikaner dort den "Feind" im Osten ab; Gerüchte besagen jedoch, daß mittlerweile das Inland höheren Stellenwert genießt.


Neben dieser globalen Überwachung finden sich noch zahlreiche nationale Maßnahmen. Von den lauschwilligen Staaten wird versucht, alle relevanten "Flaschenhälse" zu belauschen. Dies sind zum Beispiel Kommunikationsknotenpunkte wie Überseekabel und Schaltzentralen. So befindet sich in Frankfurt in unmittelbarer Nähe des TK-Knotens der Telecom eine Abhörzentrale der NSA. Interessanterweise ist der Mieter dieser Räume der BND. Auch Internet-Router (Vermittlungsstellen) sind ein beliebtes Angriffsobjekt. Da die Daten im Internet paketweise verschickt werden und die Pakete unterschiedliche Wege benutzen können, muß ein potientieller Abhörer an den Stellen sitzen, an denen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Pakete vorbeirauschen. Netterweise sind zahlreiche Provider zu dem Entschluß gekommen, in Frankfurt eine Internet-Zentrale einzurichten, über die fast vollständig der nationale und internationale Datenverkehr abgewickelt werden soll.


Abhörmaßnahmen gliedern sich in zwei Gruppen: die personenbezogenen und die flächendeckenden. Liegt bei den ersteren noch ein Beschluß eines Gerichts oder Staatsanwaltes vor, so fehlen bei den zweiten fast jegliche Kontrollmöglichkeiten. Dies geht so weit, daß die Regierenden in Deutschland beschlossen haben, eine Statistik über die Erfolgsquoten nicht zu erstellen. Würde sich nämlich herausstellen, daß durch das Lauschen im Stile einer Rasterfahndung kaum Erfolge zu erzielen sind, so wäre der Nutzen des gigantischen Aufwandes in Frage gestellt und den BürgerInnen nicht zu vermitteln. Selbst bei gerichtlich angeordneten Telefonüberwachungen liegt die Erfolgsquote im Promillebereich. Die letzten veröffentlichten Zahlen von 1996 besagen, daß bei 8112 über Monate hinweg abgehörten Anschlüssen zehn Straftaten aufgedeckt werden konnten. Nebenbei: im Vergleich mit den USA und Großbritannien liegt die Anzahl der Anordnungen zum Lauschen in Deutschland um 470% höher.


Azazel....*winkt der Freiheit hinterher*
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Beitrag von Azazel »

Ein Lieblingsthema von mir leider aktueller denn je...
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Beitrag von Tinúviel »

yepp... siehe die Wichtig-Beiträge...


vg Tinú

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