Rigoletto - modern gemacht

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Killerbride
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Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Killerbride »

Hallo!

Vor ein paar Wochen war ich im Theater und habe mir Rigoletto von Giuseppe Verdi angesehen.
Doch was ich vorher nicht wusste, dieses Stück wurde auf modern gemacht.

Das bekannteste Lied ist La Dona e mobile, was die meisten sicher aus der Pizza Werbung kennen.

Falls manchen nicht bekannt, hier die Handlung:

Rigoletto ist der bucklige Hofnarr des Herzogs von Mantua, eines notorischen Frauenhelden.
Stets macht der Narr sich über die Opfer des Herzogs sowie deren gehörnte Ehemänner und entsetzte Väter lustig und demütigt sie mit beißendem Spott. Der Graf von Monterone, Vater eines der herzöglichen Opfer, verflucht den Narren daraufhin ob seiner Bosheit. Als Rigoletto vorschlägt, die Frau des Grafen Ceprano für seinen Herren zu entführen, ist die Hofgesellschaft darüber so entzürnt, dass sie, um dem bösartigen Narren einen Denkzettel zu verpassen, stattdessen Rigolettos vermeintliche Geliebte, Gilda, in Wahrheit die Tochter des Narren, entführt. Im Palast trifft Rigoletto seine vermisste Tochter wieder, die ihm gesteht, zwischenzeitlich vom Herzog verführt worden zu sein. Der Narr, der nun seine eigene Tochter durch den Herzog ihrer Ehre beraubt sieht, entschließt sich, den Herzog ermorden zu lassen. Der gedungene Mörder, Sparafucile, ersticht jedoch tragischerweise Gilda als diese den Herzog aus Liebe zu retten versucht - womit sich der Fluch des Grafen von Monterone erfüllt hat.

Da dachte ich natürlich an schöne Kleidung und Bühnenbilder die der Zeit der Uraufführung von 1851 entsprechen.

Doch es war nicht nur modern gemacht, sondern auch abstoßend.
Mit Rotlichtmilieu, Sexszenen und Aufftragskillern, die versoffen in einer heruntergekommenen Kneipe sitzen. Während das Publikum elegant gekleidet war, rissen sich die Schauspieler die Klamotten (im Penneroutfit könnte man sagen) vom Leib.
Und dazu italienischer Gesang?

Das passt vorne und hinten nicht zusammen und ich finde es traurig, dass unsere Gesellschaft so tief geunken ist. Statt Kulturgut aufzubewahren wird es in den Dreck gezogen.

Was meint ihr dazu?
Findet ihr Solche Stücke auf modern gemacht in Ordnung?

Ehrlich gesagt, wenn ich es gewusst hätte, hätte ich mir das Geld gespart....

Gruß,
Killerbride
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Alveradis
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Alveradis »

Hallo Killerbride!


Ich kann deinen Zorn verstehen. Ich habe auch schon wirklich furchtbare moderne Inszenierungen gesehen. (Wilhelm Tell in Wien(?) ... war echt ein bisschen am Ziel vorbei).

Trotzdem muss ich dir auch widersprechen.

Dass du auf der Bühne wirklich schöne Kostüme und pompöse Kulisse siehst, das kommt - außerhalb von Schulaufführungen - praktisch nicht mehr vor.
Warum?
Zum einen gehört es zum 'guten Ton' unter Theaterressigeueren, einem Stück seine eigne Note zu geben. Manchmal mutet das eher wie eine verzweifelte Selbstprofilierung des Ressigeurs an, manchmal hat man das Gefühl, dass das Theater seine technischen Möglichkeiten vorführen will (Wieso um alles in der Welt überfluten die die Bühne *jetzt* mit Seifenblasen?!), aber nicht selten ermöglicht diese neue Sichtweise es einem, das Stück aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
Wer ein Drama liest, der hat automatisch eine Inszenierung davon im Kopf. Bei 90% der Menschen dürfte die wohl auf die von dir beschriebene Weise ausfallen. Das ist ja auch gut.

Doch Dramen und auch Opern sind mehr als Historienschauspiele (zumindest meistens): ihre Verfasser waren kluge Menschen die viele Dinge erlebt haben und diese Dinge in ihre Werke steckten.
Inszeniert man etwas nun als Historiendrama oder seis nur mit aufwändiger Kulisse und aufwändigen Kleidern, dann besteht die Gefahr, dass der Zuschauer sich davon fangen lässt.
Das ist aber nicht mehr Sinn der Sache.
Früher war Theater so etwas wie heute Kino: spannende Geschichten, die man sich auch zur Unterhaltung anschaute. Heute haben wir Kino. Wäre Theater wie Kino, es würde keiner mehr hingehen.
Deswegen destillieren die Ressigeure das, was sie für die Aussage des Stückes halten und zeigen es durch ihre Inszenierung. Das kann mit der Meinung des Zuschauenden zusammenpassen oder auch nicht, aber es regt zumindest zum Nachdenken an. Und genau das ist der Sinn des modernen Theaters.

Natürlich ist es ein berechtigter Einwand, zu sagen: Ein Ressigeur sollte aber auch nicht am Publikum vorbeiressigieren. Das stimmt schon, nur habe ich manchmal das Gefühl, dass 90% der Zuschauer aus Prestigegründen da sind ("Foyergesindel") und sich überhaupt nicht mit den Stücken auseinander setzten WOLLEN. Das ist schade und auf die muss man in meinen Augen auch nicht eingehen... Ins Theater kommen sie ja ohnehin wieder ;)

Ich finde, man sollte den Stücken das Recht lassen, sich neu zu entfalten. Viele Werke weisen in 'moderner' Fassung, also als Teil der heutogen Zeit eine ebenso starke Brisanz auf, wie im historischen Kontext. Das zu zeigen, so dass es viele Menschen erkennen (und nicht nur die, die drauf achten), das halte ich für wichtig.
Die Stücke im herkömmlicher Inszenierung zu sehen... das gibts Dutzendfach auf DVD, dafür muss man nicht ins Theater.

So, ich hoffe, ich bin nicht zu sehr ausgeschweift. Und nicht dass hier jemand was in den falschen Hals bekommt... Ich würde auch manchmal gerne eine 'traditionelles' Kostümdrama sehen.

Lg
Al


Beispiele folgen noch... JEtzt muss ich aber erstmal los ;)
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Azazel »

Hast schon recht Al, aber ich kann Killerbrides Ärger schon nachempfinden; denn auch mir gefallen opulnte Kostüm-und Bühnenbild beladene Aufführungen besser!
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Alveradis »

Ich mag opulente Aufführungen auch. Aber nicht lieber.
In meinen Augen verfehlen sie den Sinn des modernen Theaters.
Da bieten sich dann eher Musicals an, die sind ja meistens aufwendiger.

Ich kann Killerbrides Ärger auch nachvollziehen. Aber ich denke, dass dieser Ärger wahrscheinlich in nicht unwesentichen Teilen aus der Erwartungshaltung 'Jetzt kommen tolle Kostüme' resultiert.

Ja, es gibt echt schlechte Inszenierungen, vielleicht war Rigoletto eine davon. Aber deswegen dann gleich alles 'auf modern gemachte' abzulehnen finde ich etwas kurzsichtig.
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Killerbride »

Hallo!

Ich habe nichts gegen moderen Stücke, keineswegs, ich habe sogar selbst mal in diesem Theater gearbeitet und habe Bühnenbilder erstellt.

Aber ich denke immer, es sollte zusammenpassen und da fand ich Rigoletto einfach nur noch erbärmlich.
Klassische italienische Musik braucht einen Hauch von Romantik, zumindest empfinde ich es so.
Und graue eckige Glötze die ein Rotlichviertel darstellen und Frauen die in Laack und Leder Outfits auf dem Boden als Sexsklavinnen herumkriechen finde ich da einfach nicht passend.

Ich habe absolut nichts gegen moderen Opern aber die Musk sollte zu den Bildern passen, es muss nicht immer wie das Original aussehen aber doch im Rahmen passend.

Ich hätte mir das Stück auch als moderen Film ansehen können aber das schöne am Theater ist doch die Kunst. Menschen bei ihrem Handwerk zu sehen, es ist nichts geschnitten und die Stimmen sind auch echt, das ist ja gerade das, was ein Theater ausmacht.

Wenn man manche Theaterstücke so verhunzt verliert das Theater seinen Zauber und das finde ich schade.

Natürlich gibt es auch die, die immer ins Theater gehen um sich als bessere Gesellschaft zu fühlen, doch darum geht es eigentlich nicht, Ich denke vieles verliert heut zu Tage seinen Wert.

LG
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Alveradis »

Da kann ich dir nur zustimmen.

Es gibt wirklich furchtbare Inszenierungen. Ich würde zwar nicht ausschließen, dass man auch italienische Musik mit Lack und Leder so in Szene setzen kann, dass es 'passt'.
Aber man kanns natürlich auch richtig übel versemmeln.
Vor allem dann, wenn es darum geht, dem Publikum nach dem 'Sex sells'-Prinzip vor die Nase zu hauen.

Was die Kunst im Theater betrifft, da hat du Recht.
Aber muss Kunst 'schön', bzw ästhetisch sein? Ich vertrete da eher eine expressionistische Meinung: Kunst muss etwas aussagen.
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Killerbride »

Ja, da hast du recht!

Kunst muss etwas aussagen, aber bei diesem Stück ging es wirklich um das "sex sells" Prinzip.

Ich mag auch abstoßende, abstrakte oder unästhestische Kunst, wenn es gut gemacht ist, also mit 4, 5 bunten Strichen auf einer Wand kann ich allerdings nichts anfangen :D
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von gabor »

Moin!Ich finde,auch bei einer Aussage macht der Ton die Musik!Gut ,man sollte schon klassisches von modernem Theater unterscheiden,um nicht ganz so erschreckt zu werden...Aber auch wenn man das tut,bleiben einige Inzenierungen doch ein Verbrechen!Freundschaft!
Woher soll ich wissen, ob die Vergangenheit keine Fiktion ist, die nur erfunden wurde, um den Zwiespalt zwischen meinen augenblicklichen Sinneswahrnehmungen und meiner Geistesverfassung zu erklären?
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Killerbride »

Ich denke, man sollte immer unter einem bestimmten Motto bleiben.

Das es einfach nicht zu sehr durcheinander gerät...
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Alveradis
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Alveradis »

Motto stimmt schon.
Aber 'Motto' kann sehr weit gefasst sein.

Und wenn das Motto eben 'stimmig wild durcheinander' oder 'völlig grotesk' oder 'unangenehm' ist, finde ich das in Ordnung. Auch wenn es dann vielen Zuschauern nicht taugt.
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von RoSa »

Manche Inszenierungen lassen in mir die gleiche Frage aufkeimen, wie manche Bücher; was will der Autor mir damit sagen ?!

Ich erinnere mich an eine sehr moderne Umsetzung von Verdis Aida, in welcher die Ägytper als Nationalsozialisten und die Nubier die Verfolgten darstellten. Der Triumphmarsch hatte etwas von Prunksitzung der Kölner Karnevalsehrengarde.

Ebenso an einen eigenartigen Don Carlos ( Verdi ), bei dem ständig Vogelscheiße von der Decke fiel, um die Dekadenz am Escorial darzustellen. Principessa Eboli schmetterte gerade: " Dir muß ich fluchen, Dir eitler Schönheit, Du bist mein Fluch " und PLATSCH prasselte Vogelscheiße auf sie herab.

Eine Salome-Inszenierung ist ebenso eine Sache für sich, vor allem wenn die Sängerin dieser Killerpartie, auch noch den Tanz der Sieben Schleider aufführen muß. Da war eine Salome, die dies an einer Gehilfe tat, um ihre Behinderung durch ihre Emotion darzustellen. Ich glaube, das war sogar schwieriger, als archaische Schritte und orientalisch-angehauchte Tanzbewegungen einzustudieren.

Wie wirkt ein GÖTTERVATER WODAN, der in einer Wagnerischen " Ring-Inszenierung " in einen Blaumann gekleidet auf die Bühne kommt, weiß-rote Banderolen ( sind ja von Baustellen bekannt ) um sein Werk an der Weltesche zieht und eine Motorsäge beiseite legt.


Gefällt mir eine Inszenierung nicht, lehne ich mich augenschließend zurück und lasse die Musik und die Stimmen das ihre tun.
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Azazel »

Wie wirkt ein GÖTTERVATER WODAN, der in einer Wagnerischen " Ring-Inszenierung " in einen Blaumann gekleidet auf die Bühne kommt, weiß-rote Banderolen ( sind ja von Baustellen bekannt ) um sein Werk an der Weltesche zieht und eine Motorsäge beiseite legt.


schauderhaft!!!
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Killerbride »

Oh ja, dem kann ich mich nur anschließen.

Wenn der Gesang edel und elegant klingt, sollte dass Bild dazu nicht unbedingt nach "Pennerlook" aussehen, vor allem nicht, bei solchen bekannten Stücken.

Wenn ein komplett neues Theaterstück geschrieben wird, bei dem es genauso aussehen sollte, ist es in Ordung, aber wenn man aus solchen schönen Stücken etwas groteskes macht finde ich es nur noch Geschmacklos.

Gut über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, aber mir gefällt es nicht.
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Re: Rigoletto - modern gemacht

Beitrag von Alveradis »

Was das betrifft.
Ihr habt schon recht. Ich verstehe auch nicht, was ein Blaumann und Motorsäge aussagen soll.
In *überleg* irgendwo gab es noch so eine schreckliche Inszenierung der Nibelungen. Habs zwar nur auf 3Sat gesehen, aber da passte echt gar nichts. Auch wenn kaum wirklich aufstoßende Sachen dabei waren.
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