Der Elefantenmensch - eine menschliche Tragödie

Unentdeckte Tierarten oder Fabelwesen?

Moderator: gabor

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Lestat de Lioncour
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Der Elefantenmensch - eine menschliche Tragödie

Beitrag von Lestat de Lioncour »

Der Elefantenmensch

Wir wollen im folgenden Fall das Phänomen des Elefantenmenschen ein wenig näher betrachten. Ich habe bewußt aus Respekt vor Mr. Merrick´s Leben diesen besonderen medizinischen Fall aus der Sektion Hominiden herausgenommen, da menschliche Mutationen und Deformationen ethisch nicht in Einklang zu bringen sind unter Riesen, Wichteln, Feen, Pyxies und Konsorten. Man darf nie vergessen, welches Leid diesen Menschen zuteil wurde, dem damaligen Mob auf Freakshows und dem medizinischen Forscherdrang ausgeliefert zu sein, der allzuoft menschenunwürdige Haltungsweisen und räuberische Ausbeutung von beiden Lagern, der kommerziellen sowie der medizinisch-fragwürdigen für den Leidtragenden zur Folge hatte.

Name : Joseph Carey Merrick
Medizinischer Name : Der Elefantenmensch
Geboren : 5. August 1862
Geburtsort : Leicester
Gestorben : 11. April 1890


Joseph Meverick´s Geburtsurkunde:
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Stammbaum Joseph Merricks:
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Viele mögen denken, daß Mr. Joseph Merrick nur eine Gestalt der englischen Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts darstellt, aber diese faszinierende Persöhnlichkeit fristete sein Dasein tatsächlich im britischen Empire.
Noch vor seinem 2. Geburtstag bildeten sich in seinem Gesicht die ersten Tumore, die sich dann im Laufe der Jahre weiter auf seinen Körper ausbreiteten, ihm schließlich die ganze Wirbelsäule verzog, so daß er nicht mehr in der Lage war aufrecht zu gehen. Sein Gang wurde zu einem einseitig nach innen gezogenen Stehen und Hinterherziehen der anderen Körperpartie. Gerade zum ausgehenden Jahrhunderts erregte ein derart deformierter Mensch logischerweise großes Aufsehen im viktiorianischen England und so war es nur eine Frage der Zeit bis die Wissenschaft auf ihn aufmerksam wurde.
Bis zu seinem 11. Lebensjahr lebte Mr. Merrick völlig unerkannt bei seinen Eltern
William Arthur Marion Arthur
und seinen Geschwistern zusammen. Nachdem seine Mutter, Mary Jane, am 19. Mai 1873 an einer Lungenentzündung starb, suchte sich sein Vater eine neue Unterkunft und verliebte sich in die Vermieterin, die er später heiratete. Joseph Merrick wurde von da an gezwungen, für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen. So kam es, daß er an Straßenecken Schuhcreme verkaufen mußte und es dauerte nicht lange, bis er von gröhlenden Kindern verfolgt, verspottet und beleidigt wurde wegen seines durch die Tumore entstelltem Äußeren. Da er aufgrund seiner körperlichen Behinderung Schwierigkeiten hatte, auf damaligem Kopfsteinpflaster zu gehen und sich nur sehr langsam fortbewegen konnte, war er äußerlichen Repressalien völlig hilflos ausgeliefert und so folgten ihm oft Kinder, die sich an seinem Leid mit Spott und Hohn labten über mehrere Stunden täglich. Nachdem seine Stiefmutter immer dominanter auftrat und ihren Mann davon überzeugte, dass Joseph sie zum Gespött der Leute werden ließe, bat der Vater seinen eigenen Sohn auszuziehn und von nun an wohnte er in mehreren Arbeitshäusern und bei den Decks der Hafenarbeiter.
Joseph, intelligent und voller Tatendrang, lernte im Laufe der Zeit mit seiner Behinderung umzugehen und beschloß im Jahre 1884 nach London zu ziehen, um dort aus seinem Körper Kapital zu schlagen. Er begab sich in die Obhut von
Tom Norman,
der ein hiesiges Kuriositätenkabinett direkt gegenüber des London Hospitals bewirtschaftete.. Von nun an war er nur noch unter den Namen
" Der Elefantenmensch " bekannt.
Ihm selbst wurde in frühester Kindheit von seiner Mutter erzählt, daß seine Deformationen von einem Unfall bei einer Elefantenparade herrührten, als sie schwanger von ihm war. Ein Irrglaube, psychologisch gesehen von einer Mutter in das Hirn eines Jungen suggeriert, um seinen ständigen Fragen der eigenen Andersartikgeit eine Antwort zu geben. Joseph glaubte an diese Behauptung bis zum seinem Tode, was dieser Figur eine tiefe menschliche Tragik verleiht. Trotzdem unterließ er nichts unversucht, um ein einigermaßen "Normales Aussehen" zu erlangen und unterzog sich mehreren sehr schmerzlichen Operationen im Gesicht, die allerdings erfolglos blieben. Durch die Nähe dieser aus heutiger Sicht zu verachtenden " Freak Show " zum Londoner Hospital, wurde der junge Arzt und Chirug,
Sir Frederick Treves
auf Joseph aufmerksam und besuchte ihn nach einer Aufführung, um sich ein genaues Bild über seine Missbildungen zu machen. Begeistert von dem was er zu sehen bekam und von seinem jungem wissenschaftlichem Tatendrang getriebenen überredete er Joseph Merrek dazu, sich einer wie er nannte "rein medizinischen Fachstudie " zu Verfügung zu stellen und so kam es, daß Sir Frederick am 2. Dezember 1884 der
" Pathologischen Vereinigung " Londons und der Weltöffentlichkeit Mr. Merrick zum ersten Mal präsentierte, eine moralisch verwerfliche Vorstellung aus heutiger Sicht menschlicher Grausamkeit der damaligen Zeit ( Anm. der Redaktion )
Fast zwei Jahre lang wurden Studien an Joseph durchgeführt und der Kontakt von Joseph und Sir Frederick kam in dieser Zeit gänzlich zum Erliegen. Joseph wurde binnen dieses Zeitraumes in sämtlichen europäisch - pathologischen Instituten rumgereicht und bei einem Aufenthalt in Belgien trog es sich zu, daß er überfallen und seiner sämtlichen Ersparnisse beraubt wurde. Am Ende seiner Kräfte wurde er ins London Hospital eingeliefert und dort wegen Unterernährung und einer schweren Bronchitis behandelt.
Seine Mentor, Sir Frederick suchte nun eine feste Unterkunft für seinen Schützling. Aufgrund der Popularität die Beide in den höheren Kreisen Londons erlangten, fanden sich recht schnell großzügige Geldgeber und sozial - humanistisch geprägte Intellektuelle aus den Naturwissenschaftsbereichen, die sich bereit erklärten ihm ein neues Zuhause zu finanzieren, da es zur viktorianischen Zeit des englischen Empires den Krankenhäusern untersagt war, einen unheilbar Kranken aufzunehmen. Man bedenke, daß die Syphillis exorbitant die Insel im eisernen Griff hielt, Betroffene am Straßenrand zitternd saßen und dem Tode entgegensiechten; ein völlig normales Straßenbild zu jener Zeit.
Königin Viktoria selbst setzte sich für den weiteren Verbleib und würdiger Unterbringung von " Englands Kind ", wie sie es selber nannte, ein und verpflichtete das London Hospital ihm bis zu seinem Lebensende ein Zimmer zur Verfügung zu stellen.
In diesm Zimmer verstarb unser tragischer Held Merrick am 11. April 1890 im Schlaf, als er versuchte, wie ein Mensch zu schlafen. Ein Jugendtraum von Joseph, weil er in seinem ganzen Leben nie den Kopf betten konnte, um nicht zu erticken.

Nach seinem Tode wurde sein Körper konserviert und der Pathologie Englands übergeben. Obwohl viele Exponate im Laufe der Zeit verloren gingen, wird sein Skelett bis in unsere heutige Zeit in einem englischen Museum ausgestellt.
Joseph Merrick war kein Einzelfall, auch seine Schwester hatte eine Rückratserkrankung und starb bereits mit 24 Jahren, wie die BBC berichtet. Auch das ein Cousin der beiden mit schweren Skelettdeformationenm geboren wurde, bestätigte Peter Cousins, Sprecher der " Rutland Family History Society " , die sich um das Vermächtnis Merricks müht.
Zu Lebzeiten Merricks gingen die Ärzte davon aus, daß er an "Elefantitis" litt. 1971 schlug Ashley Montgau vor, daß es sich um die Erbkrankheit Neurofibromatose ( Recklingshausen - Krankheit ) gehandelt haben könnte. 1983 entdeckte Michael Cohen das seltene Proteus - Syndrom, welches 1986 als Ursache für Josph Merrick´s Deformationen identifiziert wurde.. Anders als die Recklingshausen - Krankheit sind vom Proteus - Syndrom nicht Nerven- sondern Gewebezellen betroffen. Eine DNS - Analyse von Merrick´s Knochen und Haaren bestätigte im Juli 2003, daß er tatsächlich am Proteus - Syndrom litt. Allerdings fanden sich zusätzlich auch Hinweise auf die Recklingshausen - Krankheit. Wegen der Vielgestaltigkeit des Krankheitsbildes wurde der Name des griechischen Halbgottes " Proteus " gewählt, weil dieser die Gabe zu eigen hatte, sich vor seinen Feinden durch äußere Veränderung zu schützen.
Auch für die Nachfahren von Joseph Merrick ist es von großer Bedeutung, zu erfahren, ob die Krankheit in ihren Genen schlummert. Um dies herauszufinden, muss die DNA des Elefantenmenschen mit den Genen der beiden Hauptstränge der Familie verglichen werden:
Den Merricks väterlicherseits und den
Pottertons mütterlicherseits.
Da Joseph und seine Geschwister kinderlos blieben, findet sich das zum Vergleich benötigte Erbgut nur bei den Nachkommen iher Onkel und Tanten.
In seinem Heimatort Leicester identifizierten Mitglieder der örtlichen Ahnenforschungsgesellschaft die direkten Nachfahren der beiden Familienzweige. Die meisten von ihnen wußten bis dahin gar nicht, dass sie mit Joseph Merrick verwandt sind. Denn der Elefantenmensch galt als Schandfleck der Familiengeschichte und seine Spuren wurden aus dem Stammbaum getilgt.
Bei der Untersuchung der über 100 Jahren alten DNA von Merrick entpuppte sich das PTEN - Gen als völlig normal. Doch da PTEN - Muatationen nur für einen bestimmten Prozentsatz der Proteus - Erkrankungen verantwortlich ist, könnte Joseph dennoch am gleichen Syndrom gelitten haben.
Auch bei den heute noch lebenden Verwandten des Elefantenmenschen wurden keine PTEN - Veränderungen entdeckt. Damit verdichten sich die Hinweise, daß Merricks Entstellung auf einer unbekannten Gen - Mutation beruht; und die könnte durchaus erblich sein.
Wahrscheinlicher aber ist, daß der Elefantenmensch ein tragischer Einzelfall in dieser Größenordnung der Krankheitsparameter war.
Bis heute sind Wissenschaftler und Forscher mit der Analyse, Auswertung und Klassifizierung der sterblichen Überreste Merricks beschäftigt, denn vielleicht bergen sie weitere Informationen, die den Neurofibromatose oder Proteus - Syndrom - Patienten im Hier und Jetzt Hoffnung auf Heilung geben.
Bis heute ist diese Krankheit unheilbar

Am Beispiel des Elefantenmenschen wird heute gerne das Thema von gesellschaftlicher Außenseiterstellung und der Notwendigkeit von Toleranz aufgegriffen.
Ein Satz, von Merrick, den er selber gesagt hat, zeigt uns in aller Deutlichkeit, wie wichtig Menschlichkeit, Humanität und Verständnis auch in der heutigen Zeit von unumstößlicher Gültigkeit zeugen:

Ich bin kein Tier !
Ich bin ein menschliches Wesen !
Ich bin...ein Mensch !
Joseph Merrick
Ein außergewöhlicher Mensch, dem ich meinen tiefsten Respekt zolle

Joseph Merrick starb mit 28 Jahren !

PS: ich habe mich auch dazu entschieden, die doch teilweise fragwürdigen Links im Net zum Thema soweit als möglich nur aus dem wissenschaftlichen Aspekt zu entnehmen, da sein ehrenhaftes Leben nicht durch groteske bildliche Verunglimpfungen beschmutzt werden soll !

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undefined://www.nndb.com/people/782/000096494/merrick-sm.jpg
undefined://www.kliniken.de/lexikon/Medizin/Krankhe ... ndrom.html
Zuletzt geändert von Lestat de Lioncour am 16. Aug 2007 23:23, insgesamt 7-mal geändert.
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Azazel
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Beitrag von Azazel »

*schmunzel* da warst Du schneller als ich - ich hatte ihn schon auf der todo-Liste um auch mal etwas zu dem Thema Kryptozoologie beizutragen.
Was hältst Du von Lynch's Film?
Lestat de Lioncour
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Hi Azazel

Beitrag von Lestat de Lioncour »

Morgen Azazel

*das Sandmännchen aus den Augen reib*

Den Film find ich absolut klasse, muss aber ehrlich gestehen, je weiter ich mich mit diesem Fall die Nacht beschäftigt und informiert habe, je naher ging es mir, bedenkt man dabei, daß diese Krankheit meistens Kinder betrifft ! (teilweise echt schlimme Bilder)

Gruss an meinem Bruder im Geiste :peace:
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Andromalius
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Beitrag von Andromalius »

Ich find es schlimm das man Leute wegen körperlichen Entstellungen und Behinderungen als minderwertig abtut und sie auch noch aus der Gesellschaft ausschließt. Da draußen sind doch selbst mittlerweile 95% seelische und geistige Krüppel, vorallem in Europa und den USA...
Immer wenn man meint das man Recht hat, sollte man sich fragen ob es ein "Recht" überhaupt gibt.
tlahuizcalpantecutli

Beitrag von tlahuizcalpantecutli »

Projektion der angestauten aggressionen gegen eigene schwächen auf andere, würde freud feststellen...
Hexenmäuschen

Beitrag von Hexenmäuschen »

Mr. Merricks Schicksal berührt viele Menschen. Hätte es die Menschen damals auch so berührt, hätte er ein schönes Leben haben können, bzw. ein angenehmeres.
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Azazel
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Beitrag von Azazel »

Da hast Du wohl recht!
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HUNTERINTHESHADOWS
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Beitrag von HUNTERINTHESHADOWS »

äh.... naja... ich würde mich auch wundern, wenn der auf der straße was verkaufen würde... der sieht aus wie aus einem schlechten film... aber es kommt ja auf die inneren werte an...

gab es damals keine chirogischen maßnahmen um das zu "beheben"?
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Azazel
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Beitrag von Azazel »

nein und wenn wäre kein geld dafür da gewesen
Hexenmäuschen

Komisch

Beitrag von Hexenmäuschen »

Komisch vielleicht, aber ihn deshalb so zu behandeln ist etwas anderes -.-
taori
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Re: Komisch

Beitrag von taori »

Hexenmäuschen hat geschrieben:Komisch vielleicht, aber ihn deshalb so zu behandeln ist etwas anderes -.-
Ja leider hast Du Recht. Ich kannte damals auch einen mit dem ich sogar verreist war. Ich glaube der litt an sowas ähnlichem. Da wir damals Kinder waren, waren wir sehr gemein zu ihm und nannten ihn nur Gnom, Glöckner usw. heute weiß ich, daß es sehr gemein von uns war. Aber Kinder sind nun mal "leider" so.
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Alveradis
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Beitrag von Alveradis »

Soweit ich weiß, hat man ihn auch für die Taten des Rippers verantwortlich gemacht... Schließlich muss in einem verderbten Körper eine verderbte Seele hausen *Augen verdreh*

Das der Mann sich auf Grund seiner extremen Schmerzen und der Deformierungen gar nicht schnell genug bewegen konnte, um z.B. in der Nacht des Doppelmordes von einem Tatort zum anderen zu kommen, hat keinen interessiert (Warscheinlich hat Satan ihm Flügel geschenkt ;) )
- Harmony, like a following breeze // at sea, is the exception." (Harvey Oxenhorn, Turning the rig)
- Der beste Ort, das Kriegsbeil zu begraben ist in deinem Gegner!"

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Azazel
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Beitrag von Azazel »

:lol:

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