DIE WOHLGESINNTEN - Jonathan Littell's perverser Holocaust-R

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DIE WOHLGESINNTEN - Jonathan Littell's perverser Holocaust-R

Beitrag von ap »

" DIE WOHLGESINNTEN - Jonathan Littell's perverser Holocaust-Roman
am: 17. Februar 2008, 20:23:58 Zitat

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...erregt derzeit die Gemüter sowohl im In- als auch im Ausland. Während das 2006 in Frankreich erschienene Buch von französischen Kritikern hoch gelobt wurde, raufen sich die deutschen Literaturpäpste und ihre Kollegen die Haare und verreißen das Buch als abscheuliches Machwerk, dessen Held in "Blut, Sperma, Fäkalien und Leichen" watet. Man attestiert dem Autor gar eine sadistische Ader und sagt ihm nach, er hätte beim Schreiben des Buches seine sexuellen Triebe ausgelebt.

Nun erscheint das Buch also auf deutsch, mit satten 1408 Seiten ein Mammutroman, in dem die fiktive, in Ich-Form erzählende Gestalt eines SS-Offiziers so ziemlich allen Verantwortlichen des Holocaust von Hitler bis Eichmann gegenübertritt und sogar selbst an der Vernichtung der Millionen von Juden teilnimmt, wohl um sich am Leid der Opfer aufzugeilen, wenn er nicht gerade seine Schwester vögelt oder sich sonstigen sexuellen Ausschweifungen hingibt. Der "Held" des Romans schafft dabei das Unmögliche - er taucht an JEDEM Schauplatz irgendwelcher Massenerschießungen oder Hinrichtungen und in JEDEM Vernichtungslager auf und ist maßgeblich an so ziemlich allen überlieferten bzw. nachgewiesenen Massakern der Nazis beteiligt. Zeitlich ist das zwar gar nicht möglich, aber schriftstellerische Freiheit macht es möglich.

Die einen sagen, es sei der beste Holocaust-Bericht (wenn auch teilweise fiktiv) aller Zeiten. Die anderen sagen, es ist ein abartiges, krankes Buch, dessen Held - und damit der Autor - sich am Mord an den Juden ergötzt und befriedigt.

Sicherlich aber wird sich über kurz oder lang auch die Filmindustrie dieses Buches annehmen - insbesondere im Zeitalter der immer härteren Rape & Torture Porns dürfte das nicht ausbleiben - und es steht dann zu befürchten, dass der daraus resultierende Film das Buch auf eine eine bloße Aneinanderreihung aufs drastischste graphisch dargestellter Nazi-Verbrechen reduziert.

Egal, aus welchem Grund man sich für das Thema interessiert - sei es nun aus Recherchegründen oder aus politischem oder Geschichts-Interesse (und ein paar perverse, sadistische, kranke Leser dürfte es auch geben, die sich dran aufgeilen wollen) - ich denke, an dem Roman selbst kommt man auch hierzulande nicht vorbei. Immerhin DARF der Roman hierzulande veröffentlicht werden, was vor zehn Jahren undenkbar gewesen wäre. Die Tatsache aber, dass eine deutsche Veröffentlichung dieses literarischen Genocids überhaupt ermöglicht wurde, dürfte auch eines befürchten lassen - das Buch wird sehr wahrscheinlich in der deutschen Fassung an bestimmten, zu schlimmen oder plakativen Stellen, erheblich zensiert sein.

Ja, auch ich werde den Roman lesen. Aber ich werde warten, bis ich die englische Fassung bekomme (Französisch versteh ich ja nicht) und dann davon ausgehen kann, dass ich zumindest eine zensurfreie Kopie in Händen halte. Denn auch bei einem solch zwiespältigen Roman gilt - wenn ich mir schon dieses Machwerk (das ich vielleicht auch als abartig empfinden werde, wer weiß?) antue, dann lasse ich mir garantiert nicht vorschreiben, was ich davon lesen darf und was nicht.

Wir müssen einfach abwarten, wie der Roman wirklich wirkt - aber was meint IHR zu solch einem Roman? Ein Skandal oder ein notwendiges Werk? Ein Roman, der seine Berechtigung hat oder eher nie hätte veröffentlicht werden sollen? Ein Stoff, der verfilmt werden sollte oder lieber ein Tipp für Hollywood, die Finger weg zu lassen... ein literarischer Skandal oder eher nicht?

Bin mal gespannt... "



Heute auf der Rückfahrt im Radio gehört.

Der Roman ist morgen Thema in der Gesprächsrunde "SWR2 Forum" im SWR2.

Wen es interessiert.
Das SWR2 Forum ist immer jeden Wochentag von 17.05 -17.50 Uhr.


Du kannst es entweder als Webradio hören:
undefined://www.swr.de/swr2/-/id=7576/otnbb1/index.html

Oder die gelaufenen Sendungen stehen 1-2 Tage später im Archiv zur Verfügung:
undefined://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/swr2 ... index.html
(Momentan die der letzten Wochen)
Die von heute Abend wird dann innerhalb der nächsten Tage dort zu finden sein.






]Ein Buch wie ein Treffer in der Magengrube...intensiv und anmassend, 24. Februar 2008

Von Andreas Groth "andybremen" - alle meine Rezensionen ansehen
(REAL NAME)

Heute am Samstag den 23.02.08 um 10.00 Uhr erworben.
Jetzt am Sonntag den 24.02.08 um 00.10 Uhr durchgelesen.
Fast 1400 Seiten ohne zu unterbrechen, keinen Nahrung, keine Ablenkung (meine Telefone waren abgeschaltet).
Das ist nicht nur ein Roman von Weltformat, es ist ein massgebliches Stück ganz grosser Literatur.
Sie schmerzt, sie bringt einen fast um und sie gräbt die Klauen der Vergangenheit tief in das Fleisch.
Meine Eindrücke: kalt, sadistisch (de Sade hatte hier wohl grossen Einfluss), radikal, verletzend, intensiv, selbstgerecht, erklärend, auf Mitleid haschend (aus der Sicht der SS) und in seiner Logik werbend.
Werbend um den Leser und ihm immer zugewandt wie ein billiger Vertreter des Bösen, der Unvorstellbarkeit und der Grausamkeit. Fast hätte ich mich ertappt selbst dies alles zu billigen (den Holocaust, die Morde und die Grausamkeiten), so weit hat der Autor mich getrieben in seinem Roman.
Dies ist kein Roman , es ist ein Fegefeuer...ein Fegefeuer der menschlichen Makel und der Aufstieg eines Newcomers in den Rang der allergrössten Literaten...wenn auch über Leichenberge der Opfer und der Selbstverliebtheit seiner Hauptperson hinweg.
Es tut so weh diesen Roman zu lesen( und er brachte mich mehrmals zum weinen)und doch, wer ist nicht frei seine dunkle Seite zu erkennen ?
Fazit: der wichtigste Roman des neuen Jahrtausend.

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