H. P. Lovecraft - ein Genie des Horrors

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Azazel
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H. P. Lovecraft - ein Genie des Horrors

Beitrag von Azazel »

Geboren wurde der Meister des Makabren am 20. August 1890 in Providence, Rhode Island/USA. Sein Vater war Winfield Scott Lovecraft, Einwanderer aus Devonshire und von Beruf Handlungsreisender. Die Mutter dagegen, Sarah Susan (geb. Phillips), stammte von einer alten Familie aus Rhode Island ab. 1893, als Lovecraft drei Jahre alt war, mußte man seinen Vater in eine Pflegeanstalt einliefern, wo Winfield Scott später an fortgeschrittener Parese (Lähmung) starb.
Vermutlich hatte er auch Syphilis, aber bewiesen ist es nicht. Fortan stand Howard Phillips unter dem Einfluß seiner depressiven Mutter Sarah Susan, deren mißratene Erziehung bei dem Jungen zu Unselbstständigkeit und Minderwertigkeitskomplexen führte. Insgesamt gesehen verbrachte Lovecraft eine einsame Kindheit. Der Vater fehlte ihm gänzlich, die Mutter war eine herrschsüchtige Neurotikerin, und durch seinen angeschlagenen Gesundheitszustand (Kopfschmerzen, Nervosität, Müdigkeit, Erschöpfung) war es ihm nicht möglich, regelmäßig auf die Schule zu gehen, wo er Kontakt zu Gleichgesinnten hätte finden können.

Sein Freundeskreis in der Umgebung hielt sich ebenso in Grenzen, von der "Detektivagentur Providence" einmal abgesehen, ein kleiner Club, den er selbst gegründet hatte. Lovecraft war sehr intelligent, weshalb sich seine Interessen im Gegensatz zu denen anderer Kinder gravierend unterschied. Bereits im Alter von zwei Jahren beherrschte er das Alphabet, mit vier Jahren las er die Märchen der Gebrüder Grimm, und mit fünf schwärmte er für die Sagen aus 1001 Nacht. Als Lovecraft die Märchen aus 1001 Nacht nachspielte, wurde er von einem Freund der Familie spaßeshalber als Abdul Alhazred bezeichnet, mit dem Hinweis, dies sei ein typisch sarazenischer Name. Dieser sollte sich eines Tages als äußerst wichtig für Lovecrafts Arbeit erweisen. Jahre später kam ihm nämlich der Einfall, aus Abdul Alhazred einen verrückten Araber zu machen und diesen ins 8. Jahrhundert zurückzuversetzen, wo Alhazred als Autor des legendären (und fiktiven) Beschwörungsbuches Necronomicon (Originaltitel: Al Azif) genannt wurde, das in Lovecrafts Werk eine zentrale Rolle spielt. Ironischerweise ist der Name Abdul Alhazred falsch geschrieben. Im korrekten Arabisch müßte es entweder Abd al-Hazred oder Abdul Hazred heißen.


Lovecraft stöberte gerne in der umfangreichen Bibliothek seines Großvaters Whipple Phillips herum und las soviel wie möglich, wodurch er das Defizit seiner fehlenden Schulbildung größtenteils wieder kompensieren konnte. Neben Edgar Allan Poes Werk hatte es ihm unter anderem auch die Geschichte und Dichtung des 18. Jahrhunderts angetan. Deshalb versuchte er sich so gut wie möglich in der Imitation altertümlicher Schreibweisen. Der junge Howard Phillips interessierte sich auch stark für Chemie und Astronomie. Aus diesem Grund richtete er sich im Keller ein Chemie-Labor ein und stierte des Nachts stundenlang mit einem Fernrohr in den Sternenhimmel. Seine Erkenntnisse über Chemie brachte Lovecraft in sein erstes Fanzine THE SCIENTIFIC GAZETTE ein, wohingegen er seine Forschungen über Astronomie in dem handgeschriebenen Magazin THE RHODE ISLAND JOURNAL OF ASTRONOMY festhielt, die er beide an Bekannte und Verwandte verteilte. Ab 1906 schrieb er sogar regelmäßig astronomische Artikel für die PROVIDENCE EVENING TRIBUNE. Natürlich kam bei alldem auch die schriftstellerische Arbeit nicht zu kurz. Bereits im Alter von acht Jahren fing Lovecraft mit den ersten Gehversuchen an, wobei er aber die meisten dieser Stories wieder vernichtet hat. 1914 entdeckte Lovecraft die UAPA (United Amateur Press Association), der er auch beitrat. Die UAPA war ein Zusammenschluß von Amateurschriftstellern, die sich gegenseitig berieten, kritisierten und ihre Werke in kleinen Ausgaben publizierten. Durch die Mitglieder der UAPA wurde Lovecraft nicht nur dazu ermutigt, unheimliche Kurzgeschichten zu schreiben und diese in seinem Magazin THE CONSERVATIVE zu veröffentlichen, er lernte darüber hinaus auch viele wichtige Brieffreundschaften kennen.


Im März 1919 wurde Lovecrafts neurotische Mutter ins Butler Hospital eingeliefert, wo sie zwei Jahre später starb. Allerdings konnte Lovecraft dem Jahr 1919 auch eine positive Seite abgewinnen, denn zu diesem Zeitpunkt entdeckte er sein großes Vorbild, den Autor Lord Dunsany (THE QUEEN'S ENEMIES), von dem er sich stark beeinflußt zeigte. Die Geschichten des Lord Dunsany inspirierten Lovecraft nicht nur, seinen Mythos um die Großen Alten zu begründen, sondern ließen ihn mehr unheimliche Stories als jemals zuvor verfassen. Einige davon konnte Lovecraft in dem von Farnsworth Wright herausgegebenen Magazin WEIRD TALES veröffentlichen, andere wiederum verkaufte er zu einem späteren Zeitpunkt an ASTOUNDING STORIES. Im April 1924 heiratete der Meister schließlich die russische Jüdin Sonia Haft Greene, mit der er nach Brooklyn zog. Allerdings fand er in New York keine feste Anstellung, was nicht weiter verwunderlich war, da sein antiquiertes Auftreten und seine veraltete Sprechweise aus dem vergangenen Jahrhundert die meisten Arbeitgeber von vorneherein abschreckte. Außerdem störte ihn das dort vorherrschende Völkergemisch, denn Lovecraft hatte ausländischen Mitbürgern gegenüber keine sehr gute Einstellung. Genau zwei Jahre später zerbrach die Ehe, und der Schriftsteller kehrte wieder in sein geliebtes Providence zurück, wo ihm die Schwestern seiner verstorbenen Mutter den Haushalt führten. Einen richtigen Beruf hat Lovecraft nie ausgeführt. Er hielt sich mit schlechtbezahlten Jobs über Wasser, indem er z.B. fremde Texte überarbeitete oder Ghostwriter-Aufträge annahm, was dazu führte, daß er sehr sparsam leben mußte. Die meiste Zeit verbrachte Lovecraft mit dem Schreiben von Briefen. Man sagt, er habe über 100.000 Briefe verfaßt, manche davon sogar bis zu 20 Seiten lang. Sein Gesundheitszustand machte Lovecraft aber bald wieder schwer zu schaffen, worunter auch seine Produktivität zu leiden hatte. Im Jahr 1934 klagte er über sporadisch einsetzende Magenbeschwerden und Verdauungsprobleme, die er über die nächsten zwei Jahre hinweg verschleppen sollte, und die von seinen Freunden leichtsinnigerweise als Magendarmgrippe abgetan wurde. Schließlich diagnostizierten die Ärzte Dickdarmkrebs, der sich auch auf den Magen und die Leber ausgebreitet hatte. Lovecraft starb vereinsamt und zurückgezogen am 15. März 1937 im Alter von knapp 47 Jahren.

Der Mythos, den Lovecraft über die Großen Alten aufbaute, ist legendär und hieß ursprünglich Yog-Sothoth-Zyklus, vom Meister scherzhafterweise als Yog-Sothortherie bezeichnet. Der Begriff Cthulhu-Mythos stammt dagegen nicht von Lovecraft, sondern von August William Derleth (dieser gründete zusammen mit Donald Wandrei den Verlag Arkham House, um Lovecrafts Werk vor dem Vergessen zu bewahren). Derleth erschuf den Begriff Cthulhu-Mythos als allgemeingültig, wobei er diesen mit selbst verfaßten Geschichten übrigens ziemlich verwässert hat. Der Kern von Lovecrafts Werk handelt grob gesagt davon, daß vor Urzeiten mächtige Götter an der Ausübung schwarzer Magie gescheitert sind und deshalb von noch mächtigeren Göttern unter die Erde unseres Planeten verbannt wurden, wo sie bis heute auf ihre Wiederkehr warten. Einer der Anführer der Großen Alten nennt sich Cthulhu, ein tintenfischartiger Dämon von schier unermeßlicher Bösartigkeit, der seit Äonen darauf wartet, die Macht im Universum an sich zu reißen. Lovecraft hält sich bei der Beschreibung seiner Dämonen sehr bedeckt. Er verrät meistens immer nur soviel, um die Neugierde des Lesers zu schüren, läßt aber die eigentlichen Hintergründe im Dunkeln und erschöpft sich stattdessen lieber in vagen Andeutungen über schreckliche Dinge, die besser im Verborgenen bleiben, wodurch es ihm auch oftmals gelingt, dem Leser ein gewisses Maß an Furcht einzuflößen. Allerdings wäre es falsch, Lovecrafts Werk lediglich auf den Cthulhu-Mythos zu beschränken. Auch die Reduzierung auf reine Horrorliteratur würde Lovecrafts Schaffen nicht gerecht werden, obwohl es meistens unter dieser Prämisse vermarktet wird. Fast alle Geschichten Lovecrafts wurden im Suhrkamp-Verlag aufgelegt, wobei die Stories aber wild auf viele verschiedene Taschenbücher verteilt worden sind, die es dem interessierten Leser nicht ganz leicht machen, Lovecrafts eigentliche Entwicklung nachzuvollziehen. Außerdem war man sich bei den Suhrkamp-Büchern nie so ganz sicher, ob man nun jetzt im Besitz aller offiziellen
Lovecraft-Stories war oder nicht. Diesem Problem wurde endlich Abhilfe geschaffen, denn die Edition Phantasia verlegt seit Sommer 1999 H.P. Lovecrafts gesammelte Werke.


Lovecrafts Werke werden unvergessen bleiben, nahezu die gesamte Gilde zeitgenössischer Horrorautoren wie Bloch, King, Masterton, Leiber, Hohlbein, Lumley und viele mehr schrieben Geschichten zu dem Cthulhu-Mythos um so dem Meister die Ehre zu erweisen.
Unter den 50 besten Horrorgeschichten aller Zeiten sind nahezu ein Drittel Geschichten des Eigenbrötlers aus Providence. Für all diejenigen, die noch keine Story von Lovecraft gelesen haben, falls es solche Leute überhaupt gibt – denen empfehle ich Berge des Wahnsinns und der Fall Charles Dexter Ward, die fast Romanlänge erreichen und für die Fans der Short Story natürlich die unvergleichlichen Pickmanns Modell, Die Musik des Erich Zann, Schatten über Innsmouth und das Grauen von Dunwich – doch seid versichert – es lohnt sich nahezu jede Geschichte, die von Lovecraft je veröffentlicht worden sind, sich zu Gemüte zu führen; denn kein anderer Autor konnte dem Meister des Horrors je wirklich das Wasser reichen und somit ist Lovecrafts Werk ein Muss für alle Fans des Horrorgenres.



Ein Beispiel für eine gute Story ist z.B. Die Musik des Erich Zann – die Geschichte handelt im Groben von einem Mann, der in einer kleinen finsteren Gasse eine Wohnung bezieht und dort des nächtens die phantasmagorischen Klänge einer Violine hört, neugierig geworden über diese nie zuvor gehörte Art der Musik, begibt er sich schließlich in die Dachkammer und lernt den Geiger Erich Zann kennen, einen geheimnisvollen alten Mann, der ihm mit Andeutungen zu verstehen gibt, dass seine Musik die dämonischen Großen Alten abhält in die Erdsphäre zu vorzudringen...eines Nachts jedoch, aufgeschreckt durch die immer irrwitzigeren Klänge des Geigenspiels, wird er nach oben in die Kammer des Musikers eilend, mit jener dämonischen Shäre konfrontiert...

Zitat aus Die Musik des Erich Zann (Cthulhu-Geisterstories - Suhrkamp-Verlag)
Als ich aber durch dieses höchste aller Gibelfenster blickte, bot sich mir kein freundlich schimmerndes Licht, ich sah keine Stadt, die sich unter mir ausbreitete, sondern die Lichtlosigkeit eines unermesslichen alls, ein schwarzes unvorstellbares Chaos das von einer völlig außerirdischen Musik erfüllt war. Ich stand da und blickte in namenlosem Grauen in die Nacht hinaus.
Der Wind hatte nun die beiden Kerzen gelöscht, ich befand mich in einer tobenden, undurchdringlichen Finsternis; vor mir das dämonische Chaos, hinter mir der infernalische Wahnsinn der rasend gewordenen Violine. Ich tappte in die Dunkelheit zurück, Streichholz hatte ich keines, stieß gegen den Tisch, warf einen der Stühle um und erreichte schließlich die Stelle, wo die schreckliche Musik ertönte.
Wenigstens mich und Zann aus dieser ungeheuren Bedrohung zu retten wollte ich nicht unversucht lassen!
Plötzlich fühlte ich, wie mich eine schauerliche Kälte überrieselte und ich schrie entsetzt auf, aber mein Schrei ging in diesem Pandämonium der irrsinnigen Geige unter. Da traf mich unversehens der wie toll sägende Geigenbogen aus der Dunkelheit.
Ich wusste nun, dass ich neben dem Alten stand; ich griff aufs Geradewohl ins Ungewisse, berührte die Lehne von Zanns Stuhl, bekam ihn selbst an der Schulter zu fassen und schüttelte ihn, um ihn wieder zu Besinnung zu bringen.
Er aber reagierte nicht, seine Violine schrillte unvermindert weiter. Ich hielt mit der Hand das mechanische Nicken seines kahlen Schädels an, dann schrie ich ihm ins Ohr, dass wir vor diesen unbekannten Dingen der Nacht fliehen müssten. Er aber antwortete nicht, ließ auch nicht im mindesten von seinen unaussprechlichen Musizieren ab, während durch das offene Fenster seltsame Windströme fuhren und in diesem Tohuwabohu aus Dunkelheit und Grauen zu tanzen schienen. Als meine Hand zufällig sein Ohr berührte, durchzuckte mich ein kalter Schauer, obgleich ich nicht wusste warum – bis ich endlich sein eisiges, nicht atmendes Gesicht berührte, dessen hervorquellendes Augenpaar in ein sinnloses Nichts starrte.
Und dann, wie durch ein Wunder, fand ich die Türe und den großen Holzriegel. Von einer wilden Panik gejagt, floh ich dieses glasäugige Etwas in der Dunkelheit, floh ich das ghoulische Geheule jener verfluchten Violine, deren Wüten noch zunahm, als ich in das finstere Treppenhaus hinausstürzte....


Zu dem sagenhaften Necronomicon, dass in vielen Stories von Lovecraft eine zentrale Rolle spielt und um das sich auch in der heutigen Zeit im Dark Cyberspace Legenden ranken, möchte ich noch einen Hinweis geben – Das Buch gibt es in zahlreichen unterschiedlichen Ausgaben zu kaufen, es gibt dazu Unmengen Texte, die das Buch interpretieren, die Lovecraft als einen Menschen darstellen, der von den Geheimnissen des Universums wusste und diese in seinen Geschichten geschickt als Horror verpackte und so weiter und sofort, auf jeden Fall gibt es in manchen Ausgaben auch die Goetia im Beipack, die sich auf das Werk Pseudomonarchia Daemonum aus dem 16 Jahrhundert beziehen, in dem die 72 Dämonen der Macht aufgeführt sind – ein Werk das für Dämonologen und Meister der schwarzen Kunst eine wertvolle Basis für deren Arbeit darstellt. Bilder des Originals aus dem Jahre 1581 und die tabellarische Auflistung der Dämonen, könnt Ihr auf meinen Seiten in der Literatursektion unter Goetia finden.

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