Stiller Kampf (7)

Die dämonische Kolumne
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Vamp
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Stiller Kampf (7)

Beitrag von Vamp »

Ich sitze im Pflegediensthelferkurs und schreibe einen Brief an Andro. Als ich fertig bin reiße ich das Blatt ab, falte es zusammen und stecke es ein. Dann starre ich auf das nächste Blatt, das erwartungsvoll vor mir liegt. Es will beschriftet werden und dem Unterricht kann ich auch mit einem Ohr folgen. Ich nehme meinen Stift erneut zur Hand, überlege was ich schreiben könnte. Eine Geschichte wartet auf ihre Weiterführung, doch irgendwie mangelt es mir grade an Ideen und ich spüre das da etwas anderes in den Finsteren Ecken meiner Erinnerung herumgeistert und geschrieben werden will. Ich setze den Stift auf das Papier, schalte mein Gehirn auf Halbautomatik und beginne wie von selbst Buchstaben aneinander zu reihen. Es werden Wörter, es werden Sätze und schließlich ist die Seite voll, mein Puls hämmert, ich lehne mich zurück um auszuruhen nachdem ich es einigermaßen geschafft habe in Worte zu fassen, was mich beschäftigt hat, was mich quälte.

Ich schreibe dies hier auf, da das geschriebene Wort mir schon immer bessere Dienste leistete als Jenes welches man spricht und dessen Macht man durch ein Zittern in der Stimme allzu leicht bricht. Mancher mag meinen dies hier soll eine Warnung darstellen, doch ich kann euch nicht warnen und das ist auch nicht mein Begehr. Dies hier ist nur eine Geschichte, es ist meine Geschichte, aber letztendlich nichts weiter als eine Geschichte. Was ihr daraus macht oder hineininterpretiert, liegt ganz bei euch.
Ich war 12 Jahre alt und hatte zwei Freundinnen, die sich gegenseitig nicht ausstehen konnten. Wir kamen in dieselbe Klasse und beide versprachen mir es einmal miteinander zu versuchen. Es funktionierte sogar besser erwartet und die beiden verstanden sich äußerst gut. Man könnte Meinen ich hätte mich darüber freuen müssen. Doch das Gegenteil war der Fall, den Plötzlich war ich ihnen keine gleichberechtigte Freundin mehr, sondern ein Opfer auf dessen Quälerei sie ihre Freundschaft begründeten. Ich hatte damals eine schlimme Zeit hinter mir und grade erst gelernt wie schmerzhaft es sein kann von einem Menschen dem man vertraut hat verraten und verlassen zu werden. Aus diesem Grund wehrte ich mich nicht gegen die Tyrannei meiner so genannten Freundinnen, sondern lies alles über mich ergehen, den letztendlich hatte ich erbärmliche Angst davor erneut alleine gelassen zu werden. Die beiden schlossen sich mit anderen Mädchen zu einer Clique zusammen und so wuchs die Zahl meiner Peiniger. Ich zog mich in meinen Kopf zurück und lies alles mit einem Lächeln im Gesicht über mich ergehen, doch es verging keine Nacht in der ich nicht schluchzend vor Schmerz in meinem Bett lag und Gott fragte warum er mir dies alles antat. (Ja, damals glaubte ich noch an ihn)
Er als ich eine Freundin fand mit der ich auf einer Wellenlänge lag und die mich akzeptierte wie ich war wurde es besser und die Mädchen ließen mich weitestgehend in Ruhe, den nun war ich nicht mehr alleine und somit kein geeignetes Opfer. Sie suchten sich ein anderes Mädchen als Ersatz und zu meiner Schande muss ich gestehen das auch wenn ich mich nicht an der Qual der anderen beteiligte ich dennoch auch nichts tat um ihr zu helfen, obwohl ich doch so genau wusste wie groß ihre Pein sein musste. Ich war einfach nur froh dass die Bestien von mir abgelassen hatten. Bald darauf kam ich mit meinem ersten Freund zusammen und auch von ihm lies ich mich unterdrücken, aus Angst ihn und damit mein geordnetes Leben zu verlieren. 1 1/2 Jahre brauchte ich, bis ich endlich merkte was ich mir da selbst eigentlich antat. Nachdem ich ihn verlassen hatte, fand ich mich fast sofort in einem großen Freundeskreis wieder, nur um nicht alleine zu sein. Ich gehorchte ihnen, redete ihnen nach dem Mund und wagte nicht zu bezweifeln was sie mir sagten. Irgendwann endlich begriff ich auch hier was ich tat und zog mich für ein Jahr nahezu gänzlich von der Außenwelt zurück. Ich schloss mich wieder mit der Freundin zusammen, die mir aus meiner ersten Qual heraus geholfen hatte und wurde was ich heute bin.
Man hat mich durch die Hölle geschickt, so wurde ich zum Dämon.
Man trampelte auf mir herum, so wurde ich der Pfad, der sie in die von mir gewünschte Richtung lenkte.
Man stieß mich zu Boden, so begann ich die Revolution mit einem Sitzstreik.


Vielleicht versteht ihr nun ein wenig besser warum ich manchmal etwas hart wirke und warum ich es nicht ausstehen kann wenn über eine Person vorschnell geurteilt wird. Tief in mir sitzt eine Angst davor erneut Schwäche zu zeigen, aus dem einfachen Grund das ich erlebt habe wie leicht es anderen Menschen fällt Schwäche auszunutzen um dich zu Demütigen und dir weh zu tun.
Zuletzt geändert von Vamp am 19. Aug 2007 00:28, insgesamt 1-mal geändert.
Wenn Katzen wie Frösche aussähen, so würde uns bald klar, wie gemein die kleinen Teufel sind. (Lords und Ladys; Terry Pratchett)
Kirah_Yato
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Beitrag von Kirah_Yato »

Ich verstehe dich Vamp...
Ich schätze einige von uns haben etwas ähnliches erlebt...

Es ist hart allein zu sein...man füllt sich von jederman verlassen und im Stich gelassen...man glaubt schlimmer könnte es nicht mehr werden...manchmal wurde es schlimmer...

EInige haben das Glück Gleichgesinnte zu treffen, sich mit ihnen zusammenzuschliessen...und so gemeinsam stark zu sein...

Ich schätze deine Stärke Vamp...
Ich bin froh Wesen wie euch kennengelernt zu haben...

Dank euch bin ich nicht mehr einsam...
Lestat de Lioncour
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Beitrag von Lestat de Lioncour »

Hallo Vamp...

Diese autobiografische Geschichte sagt soviel über die Pein aus, die viele von uns in sich tragen, Du triffst diesmal mit Worten besser wie je zuvor, wie es ist....anders zu sein.

Weiter so !
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Azazel
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Beitrag von Azazel »

Hallo Schweszer im Geiste...

Du bist stark genug - ich weiß das!
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whitestorm
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Beitrag von whitestorm »

Auf die gefahr hin, mich lächerlich zu machen. Aber liebe Vamp, als ich dies hier gelesen habe, standen mir tränen in den Augen. Ich kann mich meinen Vorgängern nur anschliessen, denn auch ich weiss nur zu genau, wie es ist, anders zu sein. Ich musste dies auch schmerzlich lernen.

Vamp...ich schätze deine Kraft! Und auch wenn du hin und wieder etwas hart erscheinst so weiss ich doch, wie ich darauf reagieren muss :-)
Niveau sieht von unten immer wie Arroganz aus.
"Man kann vieles unbewusst wissen, indem man es nur fühlt aber nicht weiß." F.M.Dostojewski
Noriel de Morville
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Beitrag von Noriel de Morville »

*Vampi knuddel*...wir hatten ja schon einige, nächtliche Gespräche, Vamp... Du hast eine enorme Fähigkeit zur Regeneration und innere Stärke. Ein waschechter Skorpion...*zwinker*... Break on through to the other sides of Life...(Frei nach Doors)

Noriel
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Vamp
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Beitrag von Vamp »

Ich danke euch für eure Anteilnahme und ich freue mich wenn ich einigen von euch Etwas in Erinnerung rufen konnte was sie ebenso wie auch ich verdrängt hatten, den es ist ein Teil unseres Lebens gewesen und hat uns geprägt.

Und nein whitestorm, du machst dich nicht lächerlich, auch mich erfasste Trauer als ich es schrieb und ein wenig erleichterung als ich den letzten Punkt setzte.
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Alcadizaar
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Beitrag von Alcadizaar »

Danke, Vamp.
Auch mir sprichst du aus der Seele.
Ich neige nicht zum Weinen, aber als ich deinen Text gelesen hat, kamen bei mir einige Erinnerungen hoch, die ich eigentlich verdrängt und vergessen hoffte.
Durch die letzten Sätze habe ich in so kurzer Zeit das geschafft, was mir in vielen Jahren nicht gelungen ist: Aus diesen schlechten Zeiten meine Lehren zu ziehen, und Kraft zu gewinnen...
Danke, Vamp.
Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.
manatwar
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Beitrag von manatwar »

Ich versteh dich nur zu gut und ich fühle mit dir. Ihr wollt gar nicht wissen was die aus mit gemacht haben und wie lange es gedauert hat da wieder rauszukommen.

Grüße manatwar

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