Begegnungen (30)

Die dämonische Kolumne
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Vamp
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Begegnungen (30)

Beitrag von Vamp »

Heute:
Eine junge Frau etwa 20 Jahre alt fährt auf eine Tankstelle. Es ist lausig kalt und eine pulvrige Schneedecke taucht die Umgebung in weißes Zwielicht. Die junge Frau steigt aus und beginnt zu tanken. Während der intensive Geruch von Treibstoff sie umgibt und die Zapfsäule ein zufriedenes Brummen von sich gibt sieht sie sich um. Ein junger, langhaariger Mann steht an der gegenüberliegenden Zapfsäule und tankt ebenso wie sie sein treues Vehikel auf. Ein anderer Wagen steht auf dem Parkplatz vor der Waschanlage. Ein wildes bellen ist aus dem Inneren zu vernehmen. Plötzlich ein lautes Hupen. Die junge Frau beginnt zu lachen. Der junge Mann dreht sich zu ihr um und sie tauschen einen Blick aus. Er fragt belustigt: "War das etwa der Hund?" Sie bejaht und lächelt. Als der Hund in seiner Aufregung auch noch den Scheibenwischer betätigt grinsen sich die Beiden völlig Fremden Menschen noch einmal an. Schließlich ist der Augenblick vorbei. So wie alle Menschen dieser Welt betreten sie nacheinander die Tankstelle ohne weiter aufeinander zu achten und bezahlen. Und schließlich geht jeder seiner Wege. Zwei Fremde deren Leben sich nur für einen Augenblick berührten, die für eine Moment etwas teilten.

7 Jahre später:
Eine Frau Ende 20 betritt einen kleinen Supermarkt. Sie schlendert die Regale entlang bleibt mal hier stehen, schaut sich dort etwas an legt einige Gegenstände für den täglichen Gebrauch in ihren Korb. Eine Flasche Shampoo, eine Packung Chips, einige Flaschen Cola. Nichts besonderes eben. An der Kasse bittet sie noch um zwei Schachteln Zigaretten. Während sie bezahlt beginnt sie mit dem älteren Kassierer ein Gespräch. Sie kommt öfter in den Laden, daher kennt man sich. Von beiden unbemerkt betritt ein nervöser Mann, Anfang Dreißig das Geschäft. Er sieht sich immer wieder verstohlen um, eine Hand unter dem Mantel. Immer wieder blickt er missmutig zu der Frau, anscheinend hofft er das sie endlich geht. Schließlich aber hält er es nicht mehr aus, den das Gespräch zwischen der Frau und dem Kassierer hat sich zu einer angeregten Diskussion weiterentwickelt. Entschlossen tritt der Mann auf die Kasse zu und schubst die Frau dabei grob zur Seite. Sie will ihn zur Rede stellen, doch als sie sieht das er eine Waffe unter dem Mantel herauszieht erstarrt sie. Ihre Augen weiten sich ängstlich. Der Kassierer ist ebenso schreck gelähmt wie sie, doch als der Mann ihn auffordert das Geld herauszurücken ist er geistesgegenwärtig genug die Kasse zu öffnen und ihm seinen Willen zu lassen. Es ist nicht das erste mal das er überfallen wird, daher weiß er das dies kein Zeitpunkt ist den Helden zu spielen und damit sein eigenes Leben und das der Frau zu gefährden. Nachdem sich der Mann bedient hat verlässt er den Laden ohne sich noch ein einziges Mal umzusehen.

14 Jahre später:
Eine Frau Anfang 40 ist auf der Autobahn unterwegs zu ihrer besten Freundin aus Kindertagen. Aus dem Radio schallt laute Musik und sie singt ausgelassen mit. Sie freut sich schon sehr auf das treffen mit der Freundin, die sie schon lange nicht mehr gesehen hat, mit der sie aber immer wieder sehr viel Spaß hat. Sie achtet nicht weiter auf den blauen Golf der sie mit halsbrecherischem Tempo überholt. Auf dem Fahrersitz sitzt ein Mann, Mitte 40. Er ist stark angetrunken und Tränen rinnen ihm übers Gesicht. Er hat an diesem Morgen vom Gericht ein Besuchsverbot für seine beiden Kinder ausgesprochen bekommen. Seine Kinder, der einzige Sinn den er in seinem Leben sah.
Einige Kilometer weiter sieht die Frau den blauen Golf wieder. Er hat die Leitplanke durchbrochen und ist anscheinend mit extrem hoher Geschwindigkeit gegen eine alte Eiche geprallt, den man kann auf den ersten Blick kaum sagen wo das zerstörte Auto endet und der Baum beginnt. Da schon ein Polizeiwagen vor Ort ist fährt die Frau weiter, doch das Bild des Autowracks bleibt ihr im Gedächtnis.

20 Jahre später:
Eine Frau, Anfang 60 steht auf den Friedhof vor einem frischen Grab. Blumenkränze tränken die Luft mit ihrem betörenden Duft. Sie beweint einsam und leise den recht frühen Tod ihres Mannes der nur fünf Jahre älter war als sie. Am Vortag bei der Beerdigung zwischen all diesen Leuten die sie ständig ansprachen war es ihr nicht möglich gewesen richtig zu trauern oder gar Abschied zu nehmen, doch nun ist sie allein und kann ganz in Ruhe dort stehen und weinen.
Als sie sich schließlich zum gehen Wendet fällt ihr Blick auf das Nachbargrab. Es ist ein einfaches und schlichtes Grab und nicht eine Blume ist zu sehen. Gedankenverloren nimmt sie eine von der vielen Blumen die das Grab ihres Mannes schmücken und legt sie auf das Grab des Fremden. Sie weiß nicht das der Mann in dem Grab den sie durch ihre kleine Geste geehrt hat, einfach weil sie das kahle Grab noch trauriger machte als sie schon war, der gleiche Mann war dem sie einst auf der Tankstelle begegnete, ebenso wie es der Mann war der in dem kleinen Laden ihr Leben bedrohte als er die Kasse ausräumte und wie es der Mann war der damals in dem blauen Golf starb, als er betrunken von der Autobahn abkam.



Natürlich ist diese Geschichte bis auf die Begegnung auf der Tankstelle fiktiv. Wahrscheinlich begegnen sich die beiden Personen niemals wieder, aber wer weiß. Niemand wird es jemals erfahren, den solche Begegnungen vergisst man schnell wieder. Wer weiß wie oft wir Menschen treffen, wie oft unsere Leben nur für einen Augenblick das Leben eines Menschen berühren den wir schon einmal trafen, mit dem wir schon einmal einen kurzen Moment gemeinsam verbrachten?
Und sagt man nicht auch man begegne sich immer zweimal im Leben?
Zuletzt geändert von Vamp am 19. Aug 2007 12:23, insgesamt 1-mal geändert.
Wenn Katzen wie Frösche aussähen, so würde uns bald klar, wie gemein die kleinen Teufel sind. (Lords und Ladys; Terry Pratchett)
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tlahuizcalpantecutli
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Beitrag von tlahuizcalpantecutli »

...und die Norne Urd habt ihren Blick von der Spiegelnden Oberfläche des Brunnens unter ihr, kichert über das gesehene und macht sich weiter an ihre Näharbeiten.
Welche zwei Fäden, welche zwei Leben
wird sie wohl diesmal miteinander verweben?
Wer gegen ein Minimum an Aluminium immun ist, der hat eine Aluminiumminimumimmunität
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Azazel
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Beitrag von Azazel »

an Urd dachte ich auch bei dieser Geschichte:-)
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Zerberus
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Beitrag von Zerberus »

ich erstehe die moral , auch den sinn , weiss jetzt aber nicht genau was ich dazu sagen soll . mir sind solche zufälle auch schonmal passier . nur nicht ganz so krass .




schlusswort: sachen gibts , die gibts garnicht !

gruß zerb.
"Eine mächtige Flamme entsteht aus einem winzigen Funken."
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Lady Dragon Fly
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Beitrag von Lady Dragon Fly »

Nichts ist unmöglich...
Ich bin nur für das verantwortlich, was ich sage! Nicht für das, was du verstehst!

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