Die eigene Grundeinstellung

Psychologische, philosophische und wissenschaftliche Betrachtungen

Moderator: gabor

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Hiromi
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Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von Hiromi »

Inspiriert von einem Gedankenanstoß möchte ich mal eine Frage in den Raum werfen, die ich persönlich ganz interessant finde und gern eure Meinung und Erfahrung hören möchte.

Wenn ich etwas für mich Ungeplantem oder etwas vermeintlich Unangenehmen gegenüberstehe... also z.B. einem Termin oder auch einer Begebenheit, die für mich nicht einschätzbar ist, dann gehe ich erstmal vom Negativstem aus. Das lässt sich bei mir nur bedingt steuern - denn sobald ich es steuere, ist es nicht mehr DAS, was ich wirklich fühle.

Um es in recht einfachen Worten zu sagen: ich gehe erstmal vom Schlechtesten aus - gehe also mit einer gewissen Voreingenommenheit an bestimmte Dinge ran - aus Selbstschutz.

An sich ist daran nichts Negatives zu sehen und erst recht keine negative Grundeinstellung dahinter zu vermuten... (so nach dem Motto: "Denkst Du negativ, wird es negativ.")

Es hat sich für mich im alltäglichen Leben, vorallem bei Momenten, die man selbst nicht kontrollieren kann, als einzig richtiger Weg erwiesen. Dachte ich positiv bzw. hatte eine gelassene Grundeinstellung - so wurde ich doch eher negativ als positiv überrascht. Gerade diese aufgezwungene positive Einstellung "es wird schon gut" - hat sich häufig bei mir als böse Überraschung erwiesen.

Dazu möchte ich sagen, dass sich das wahrlich nicht (und das wäre doch fatal!!) auf Alles beziehen lässt! Wenn ich etwas für mich an sich Schönes vorhabe, dann gehe ich da auch sehr feuchtfröhlich dran ^-^

Dennoch möchte ich wissen, ob ich damit so allein da stehe, wie es sich manchmal anfühlt - gerade wenn man mit Anderen darüber spricht. Die Meisten verstehen doch gar nicht, auf was ich hinaus will. Versteht ihr es? (: Sagt es mir.
Amimatani
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Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von Amimatani »

Hallo Hiromi,

damit stehst du nicht allein. ;) Ich kenne eine Reihe Leute, die dies Herangehen verwenden, um mit schwierigen Situationen klar zu kommen, mich selbst eingeschlossen. Allerdings sollte man sich mMn in das Negativ-Szenario nicht hineinsteigern, sondern es einfach schlicht als Möglichkeit anerkennen. Es gibt sogar Leute, die daraus eine eigene Theorie und Technik der mentalen Selbstregulation "gebastelt" haben. Nennt sich "Introvision". Schau mal hier:
http://www1.uni-hamburg.de/aufstieg/dow ... 8-39-2.pdf

Amimatani
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Azazel
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Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von Azazel »

Ist bei mir genau andersherum, ich gehe immer vom besten aus - das hat den Vorteil, dass ich mir im Vorfeld keinen Kopfmache und somit Energie spare; denn wenn es dann nicht gut läuft ist immer noch Zeit ein Lamento anzustimmen
Amimatani
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Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von Amimatani »

Azazel hat geschrieben:Ist bei mir genau andersherum, ich gehe immer vom besten aus - das hat den Vorteil, dass ich mir im Vorfeld keinen Kopfmache und somit Energie spare; denn wenn es dann nicht gut läuft ist immer noch Zeit ein Lamento anzustimmen
und verliert sich durch diese Einstellung bei dir auch das Gefühl des Beunruhigenden oder Unangenehmen?
Bei unangenehmen Vorhaben bleibt bei mir das Gefühl des Unangenehmen, selbst wenn ich sehr sicher bin, dass es "gut ausgehen wird". Die Vorstellung vorher von "Was passiert schlimmstenfalls?" hat für mich nur die Funktion, diese miesen Gefühle im Vorfeld zu beruhigen. ;)

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Hiromi
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Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von Hiromi »

@Amimatani
Super, gleich einen Fachbegriff dafür zu erhalten. ^_^ An und für sich hast Du recht, dass man sich da nicht zu sehr hineinsteigern sollte. Allerdings hat sich das bei mir etwas verselbstständigt. Früher habe ich mir bewusst erstmal "the worst case" ausgemalt - ganz nach dem Motto: Das ist möglich und schlimmer kann es nicht kommen. Alles andere - wenngleich noch schlimm - ist nicht so schlimm, wie der "worst case".

Irgendwann merkte ich, dass ich inzwischen gar nicht mehr anders kann. Behaftet etwas meine Seele im negativem Sinne, kommt diese Vorstellung des Szenarios ganz automatisch.

Da hätt ich doch gern noch ein Stückchen mehr von Azazel... Auch wenn es sich leider in den letzten Jahren bewahrheitet hat, dass es immer böser kam, wenn ich positiv an etwas Unangenehmes ran ging...

Ich steuer das mittlerweile gar nicht mehr und fühl mich einfach vor jedem Unangenehmen furchtbar schlecht. Ist sicherlich auch nicht grad der beste Weg, aber mit dem kann ich besser leben als mit dem Umgekehrten.
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Ich
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Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von Ich »

Hiromi hat geschrieben:Dazu möchte ich sagen, dass sich das wahrlich nicht (und das wäre doch fatal!!) auf Alles beziehen lässt!
Ist doch schonmal was.
Die Problematik einer allgemeingültigen Antwort (o.ä.) auf Deine obige Frage hast Du allerdings hier auch schon gleich mitgeliefert:
Kommt halt (auch) immer - logischerweise - (mit) auf die jeweilige Situation an...
"Ich bin kein Bekenner, ich bin ein leidenschaftlich beteiligter Betrachter!" (E.v.S.)
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Hiromi
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Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von Hiromi »

Ich hat geschrieben:Ist doch schonmal was.
Die Problematik einer allgemeingültigen Antwort (o.ä.) auf Deine obige Frage hast Du allerdings hier auch schon gleich mitgeliefert:
Kommt halt (auch) immer - logischerweise - (mit) auf die jeweilige Situation an...
Da hast Du recht... manchmal stoße ich eine Diskussion nur an, um mich auszutauschen (und vielleicht mich nicht so allein mit meiner Einstellung oder Meinung zu fühlen)... Vielleicht brauch ich manchmal die Bestätigung, dass mein Denken nicht so aus der Art geraten ist (:

Halte mein Gehirn gern in Bewegung, um es einfach auszudrücken. :lala:
Amimatani
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Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von Amimatani »

Hiromi hat geschrieben: Da hätt ich doch gern noch ein Stückchen mehr von Azazel... Auch wenn es sich leider in den letzten Jahren bewahrheitet hat, dass es immer böser kam, wenn ich positiv an etwas Unangenehmes ran ging...

Ich steuer das mittlerweile gar nicht mehr und fühl mich einfach vor jedem Unangenehmen furchtbar schlecht. Ist sicherlich auch nicht grad der beste Weg, aber mit dem kann ich besser leben als mit dem Umgekehrten.
na ja, dafür hat man aber doch eine Menge positiver Überraschungen! >:-> Man kann sich an jedem Abend darüber freien, dass einem tagsüber der Himmel nicht auf den Kopf gefallen ist, obwohl man diese Möglichkeit morgens in Betracht gezogen hat. So gesehen ein echter Lebensfreude-Generator. (*achtung, scherz*) ;)

Im Ernst: du schreibst, dass du es nicht ändern willst, weil du ganz gut damit leben kannst. Dann passt der "Fachbegriff" nicht zu deinem Beitrag. Die erwähnte "Introvision" ist für Leute, die sowas wie Versagensängste, Zahnarztängste, "Kreiselgrübeln" u.ä. nicht mehr haben wollen und bleibt dabei nicht an der Oberfläche des worst case.

Und soweit es mich persönlich betrifft, habe ich dies worst-case-Denken selber auch immer nur zur Angstlinderung eingesetzt, und das hat sehr oft funktioniert. Z.B. habe ich mir vor jeder Prüfung früher ganz nüchtern überlegt, was sein würde, wenn ich durchfalle. Das hat mich beruhigt. Self-fulfilling prophecies waren das nicht: ich bin durch keine einzige Prüfung gefallen. ;)

Amimatani
nola-blair

Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von nola-blair »

Hi Amimatani:
Amimatani hat geschrieben:
Die erwähnte "Introvision" ist für Leute, die sowas wie Versagensängste, Zahnarztängste, "Kreiselgrübeln" u.ä. nicht mehr haben wollen und bleibt dabei nicht an der Oberfläche des worst case.
Du irgendwie habe ich das jetzt nicht verstanden, und ich wollte nur mal ganz höflich nachfragen wie genau du das meinst, das es nicht an der oberfläche bleibt?

Vielleicht wärst du bitte einmal so lieb und erklärst es mir ;) . Denn es interesiert mich, und ich möchte das gerne verstehen.
Amimatani
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Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von Amimatani »

Hallo nola,

also ich kenn das auch nur aus dem, was ich dazu gelesen habe. Ich habe dann auch bei ein paar kleineren Alltagssachen damit experimentiert. In dem von mir oben verlinkten pdf ist es ganz gut beschrieben, allerdings viel Text. Für eine Idee zum Vorgehen reicht es aber wohl, erstmal Abschnitt 5 darin zu lesen, das ist nur etwa eine Seite.

"Nicht an der Oberfläche" bedeutet nach meinem Verstehen, dass man durch unbewertetes Anschauen von den eigenen inneren Reaktionen erstmal herausfindet, was sich hinter dem subjektiven worst case verbirgt. Durch Fragen an sich selbst: "Was ist schlimm daran?" (also z.B. durch die Prüfung zu fallen). Das ist für Einzelne ganz unterschiedlich. Für einen mag sich dahinter verbergen: "Dann bin ich schwach, und das darf nicht sein!" Für einen andren: "Dann fühle ich mich wie damals in der Schule, als ich ausgelacht wurde, und das darf nicht sein!"

Erst mit diesem verdeckten inneren Befehl wird dann weitergearbeitet. Dazu wird die Möglichkeit, dass es so sein könnte, mit einer bestimmten, nicht wertenden Aufmerksamkeit betrachtet. Ein bisschen wie bei Meditationen, aber ohne anderes auszublenden und ohne sich darauf zu fixieren. Also man würde dann einige Tage lang innerlich die Möglichkeit bzw. Kognition betrachten: "Es kann sein, dass ich ausgelacht werde wie damals." Diese Aufmerksamkeitstechnik muss wohl geübt werden. Sie ist verwandt zu Dingen, die man aus Meditation und Entspannung kennt, aber irgendwie auch anders.

Wie gesagt, nur meine ungefähre Wiedergabe von Teilen aus dem pdf oben, und ich selbst experimentiere damit nur ab und an.

Amimatani
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burn
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Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von burn »

Jo, Hiromi, mir gehts da ähnlich. Normalerweise bemühe ich mich möglichst rational zu denken, aber bevor die Logik einschaltet denk ich immer erstmal an den Worst-Case, manchmal sogar übermäßig übertrieben (Husten? Oh Gott ich hab bestimmt die Pest! :lol: )
Manchmal kann mir das sogar richtig üble Angst machen und dann versuche ich einen hinterfragenden Zustand zu erreichen, wie Amimatani ihn beschrieben hat, um wieder die Kontrolle über meine Emotionen zu erlangen. Sich wortwörtlich groß zu machen - mit ausgestrecken Armen und so - hilft auch; selbst, wenn man allein ist.

Mich würde nun interessieren ob ich allein mit den irrational schlechten Zukunftsvisionen stehe oder nicht. Natürlich nur vorausgesetzt Du (oder von mir aus auch jeder, der sonst etwas dazu sagen will) bist bereit das zu teilen.

Oh, und noch eine kleine Frage an alle: Kann die Logik durch Gewöhnung den ersten Impuls (sei er nun eine positive oder negative Reaktion) ersetzen oder wird der Impuls dadurch lediglich unterdrückt?
Amimatani
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Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von Amimatani »

Hallo burn,

Husten ist ein Symptom für Pest?!? :shock: ...das eröffnet ja ungeahnte Möglichkeiten für das worst-case-Denken >:->

Im Ernst:
burn hat geschrieben: Oh, und noch eine kleine Frage an alle: Kann die Logik durch Gewöhnung den ersten Impuls (sei er nun eine positive oder negative Reaktion) ersetzen oder wird der Impuls dadurch lediglich unterdrückt?
Kommt mMn darauf an, worin der erste Impuls wurzelt: wenn er eine erlernte automatische Reaktion ist, und wenn das erste Auftreten dieser Reaktion unzureichende oder nicht mehr gültige "Eingabedaten" und Regeln hatte, dann kann so ein "innerer Automat", der aktuell nichts Sinnvolles mehr leistet, umprogrammiert werden, denke ich.

Nur durch Logik? Eher nicht. Es sind bei sowas ja i.d.R. Emotionen im Spiel, die durchaus (subjektiv) "logisch" sind: eben das ist ja ein Automat, etwas, das eigenen logischen Regeln folgt. Es sind nur andere und eben manchmal überlebte "innere Logik-Regeln". In dem Fall erscheint es mir tatsächlich sinnvoll und möglich zu sein, die Emotionen von ihrer Logik zu "entkoppeln". Ohne das innerlich groß logisch zu diskutieren. ;) Sondern eben durch Ent-Wertung der alten Logik ("Ent-Wertung durch nicht wertende innere Achtsamkeit/Wahrnehmung").

Wenn der erste Impuls allerdings eine wichtige und nach wie vor sinnvolle und gültige Reaktion ist, wie bei Instinkten u.a., würde ich nicht einmal versuchen, daran herumzuschrauben. (... nur weil es unangenehm ist, Angst vor einem wütenden Stier zu haben, würde ich mir diese Angst lieber nicht abtrainieren: es gibt nicht immer Zäune, nur so ein Beispiel aus meinen aktuellen Erlebnissen. :har: )

Amimatani
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Re: Die eigene Grundeinstellung

Beitrag von Ich »

burn hat geschrieben:... ersetzen oder wird der Impuls dadurch lediglich unterdrückt?
"Ersetzen" wohl kaum. Allgemein gesehen (!) dürfte i.d.R. eher letzteres der Fall sein, was (je nach Situation, versteht sich) manchmal auch schon einen Fortschritt bedeuten kann.
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