Lu-Tse

Psychologische, philosophische und wissenschaftliche Betrachtungen

Moderator: gabor

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khezef
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Lu-Tse

Beitrag von khezef »

Hallo liebe Mitdämonen, Gefolge, Anhang und Verschnitt,

Heute gibt es von mir wieder etwas für die Philosophieecke. Ich möcte euch heute einen kleinen Einblick in die Philosophie Lu-Tses gewähren.
Ich hoffe, ihr lasst euch überraschen, denn die Überraschung nimmt gleich noch eine ganz besondere Rolle in diesem Beitrag ein.

Zuerst einmal zur Person Lu-Tses:
Lu-Tse ist ein Mönch auf Reisen, anzutreffen immer dort, es einen Besen zu schwingen und eine Geschichte zu hören gibt. Er spricht nicht viel, trägt jedoch immer ein wissendes Lächeln und ein offenes Ohr. Den Lu-Tse weiß, wenn man schweigt und lächelt, erzählem einen die Leute so oder so alles was sie zu wissen glauben, von selbst. Lu-Tse ist als Mönch einer ganz wichtigen Naturkonstante geweiht: der Zeit. Der eine hat zuviel davon, der andere zu wenig.

Nun zu seiner Philosophie:
Lu-Tse reist auf der Suche nach dem Zustand der dauerhaften Perplexität, der Vorstufe der Überraschung. Denn Lu-Tse sagt: "Die Überraschung ist das Wesen der Zeit, und die Zahl der Überraschung ist die 5*". Die Perplexität, nach der Lu-Tse sucht, ist nämlich die Vorstufe der Erleuchtung. Aber er strebte nie nach Erleuchtung, diese möge zwar ganz nett sein, aber sie ist sicher ziemlich langweilig, es muss immer Überraschungen geben, meint er.

* Lu Tse legte einst einen Garten an, den Garten der 5 Elemente. In einem Busch versteckt lag ein Stein mit dem Symbol der Erde, an einem Windmühlenflügel auf dem Golfplatzrotierte das Luftsymbol, im Teich versteckte sich das Wassersymbol und dass Feuersymbol selbst wurde immer gesucht. Denn dieses versteckte sich in einem Backofen der nahen Bäckerei. Somit hatte das Feuer hier auch gleichzeitig das Element der Überraschung inne, des fünften Elements, welches ebenfalls vom Unwissenden wie auch vom Wissenden vergeblich im Garten gesucht wird. Die ersten vier Elemente nämlich bilden in ihrem Zusammenspiel das Universum und die Überraschung sorgt dafür, dass immer wieder etwas passiert.

Die Überraschung ist eine Konstante, welche immer wieder unterschiedlich zu finden ist, was eigentlich auch schon das einzig konstante an ihr ist. Mal ist es eine schräge Clownsmaske, unter der sich ein hübsches Mädchen versteckt, mal die Ehefrau mit dem Nudelholz hinter der Tür. Und so hat der mit der meisten Zeit auch das potenzial für die meisten Überraschungen, was ihn vielleicht zur wahrhaften Erleuchtung führen kann, wenn er über die Perplexität hinauswächst. Vorraussetzung dafür ist es natürlich, das Potenzial der Überraschung völlig ausschöpfen zu können (übersetzt: Lehn dich vor und lass dich überraschen, was die Zeit mit sich bringt).

Hier noch einige Weisheiten von Lu-Tse:

"Es regnet nie, es gießt"

"Die Zeit besitzt Potenzial für alle Überraschungen, was jedoch keine Garantie für eine phantasievolle Überraschung ist!"

"Manche Leute sind so scharfsinnig, dass sie sich eines Tages schneiden werden."

"Es gibt eine Zeit und einen Ort für alles, selten jedoch beides."


So, ich hoffe, meine kurzgebundene Darlegung Lu-Tses hat euch einigermaßen unterhalten, bestenfalls vielleicht sogar überrascht und zum Schmunzeln gebracht (wie dieser mehr oder weniger gelungene Reim) oder den einen oder anderen Gedanken geweckt.

Quelle
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Azazel
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Re: Lu-Tse

Beitrag von Azazel »

mir dünkt der Herr fühlt sich wohl eher bei den Chaostheoretikern wohl ;)
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Thefalus
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Re: Lu-Tse

Beitrag von Thefalus »

Während Lu-Tse noch aus der Scheibenwelt stammt, gab und gibt es solche Drunken Master (ich nenne sie für mich aus bestimmten Gründen so) ja wirklich. Beispiel die "Verrückte Wolke" der Zen-Meister Ikkyû Sôyun. Dieser uneheliche Sohn des Kaisers Go-Komatsu aus dem japanischen Mittelalter (1394-1481) geht einen völlig anderen Weg zur Ekstase als zur gleichen Zeit Meister Eckhart. Beispiele seiner Lehren:

Zögere nicht, lass dich flachlegen!
Herumsitzen und Sutren rezitieren –
was für ein Quatsch!


oder

Das Krächzen der Krähe war schon in Ordnung.
Doch eine Nacht mit einer lieben Dirne
schenkte mir tiefere Weisheit
als die Worte des Vogels.


auch schön:

Im tiefen Winter schreibe ich Gedichte
und betrinke mich.
Die Tasse wiegt schwer,
genau wie der Mond.
Die ganze Nacht lang flüstere ich
und bin - trotz meiner sechzig Jahre -
wieder und wieder hart in ihr.


Harte, aber wahre Worte, das muß man der verrückten Wolke schon lassen:

Höre die grausame Nicht-Antwort.
Bis Blut tropft,
schlage deinen Kopf gegen ihre Mauer.


Quelle: Gedichte von der Verrückten Wolke, Angkor Verlag
Ebenfalls erhältlich der Manga zum Meister: Ikkyu von Hisashi Sakaguchi

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khezef
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Re: Lu-Tse

Beitrag von khezef »

Oh, das war mir bis dahin unbekannt :shock: ,danke für deinen Beitrag, Thefalus.
Eine recht interessante Denkweise, wenn man bedenkt, welchem Kulturraum sie entwachsen ist. Hart zu glauben.

Das Krächzen der Krähe war schon in Ordnung.
Doch eine Nacht mit einer lieben Dirne
schenkte mir tiefere Weisheit
als die Worte des Vogels.
Hier spricht, mich deucht, eines Pragmatikers heitre Stimme, klar und voll harter Wahrheit. :har:

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Thefalus
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Re: Lu-Tse

Beitrag von Thefalus »

khezef hat geschrieben:Oh, das war mir bis dahin unbekannt :shock: ,danke für deinen Beitrag, Thefalus.
Ich sag's ja: Hart aber herzlich! :har:

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Tsaphyre
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Re: Lu-Tse

Beitrag von Tsaphyre »

Huhu khezef,

die Lektüre Deines Beitrags gestern Abend hat meine Träume inspiriert, mir ihre Interpretation der Perplexität zu präsentieren. ;) Ich saß an einem Tisch und hatte ein Set von sehr kleinen Karten in der Hand. Es waren Tarotkarten, ich wollte gerne eine Karte ziehen. Aber da einige mit der Bildseite in die eine, andere in die andere Richtung wiesen, verteilte ich die Karten erstmal auf dem Tisch, um sie entsprechend umzudrehen. Dabei sprang mir ein winziger roter Würfel entgegen, er hüpfte in meinen Schoß und fiel dann auf den Boden, sprang von dort aus einen langen Flur kreuz und quer entlang. Ich behielt ihn genau im Auge, damit ich sehen konnte, wo er liegen blieb. Aber er hörte nicht auf, sondern hüpfte wieder munter zu mir zurück, blieb dann in meiner Nähe - aber ständig in Bewegung. Ich fragte meinen Traum, ob ich den Würfel fangen sollte. Der Traum antwortete mir: "Der Würfel springt, wenn er steht. Du stehst, wenn er springt." Ich habe es im Traum so verstanden, daß ich ihn nicht einfangen, sondern weiterhüpfen lassen und lieber meine Karte ziehen sollte, um der Perplexität des hüpfenden Glücks eine Chance auf eine Überraschung zu geben. :lol:

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khezef
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Re: Lu-Tse

Beitrag von khezef »

Oh, das klingt schön. Ich mag es auch, Tarotkarten zu ziehen.
Ein roter Würfel, sagst du? Mich düngt, der Herr Bibliothekar, der auf dem Buchcover mit so einem charmanten Lächeln Klavier spielt, hatte wohl seine Finger im Spiel. >:->

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Re: Lu-Tse

Beitrag von Daimao_Koopa »

Der Überraschungsmoment als Nachfolger von Möglichkeit - finde ich gut! Da muss ich mal ein bisschen genauer drüber nachdenken.

So spontan gedacht, scheint das Gefühl der Überraschung mit dem Gefühl des Auftauchens einer zündenden Idee identisch zu sein.

Nicht umsonst folgt beiden Momenten meist ein freudig-erlösendes Heureka! Idee und Erfahrung - die zwei Vorstufen menschlicher
Erkenntnis. Die Eine weltlich, die Andere geistig. Passt also meiner Meinung nach alles zusammen!
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Neutral
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Re: Lu-Tse

Beitrag von Neutral »

Ein schöner Beitrag, der mich lächeln lies.
Lehn dich vor und lass dich überraschen, was die Zeit mit sich bringt.
Das "Lehn dich vor", wie kann man das / wie würdet ihr das für euch interpretieren/definieren?

Heißt es wohl "Tu etwas" oder eher "halt die Augen offen für alles" oder ..hm...
Viele reden so lange um den heißen Brei herum bis er zu stinken anfängt. - Anke Maggauer-Kirsche
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Daimao_Koopa
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Re: Lu-Tse

Beitrag von Daimao_Koopa »

Hm, ich würde diese Worte als Aufforderung betrachten, sich beim Gehen "nach vorne fallen zu lassen", also nicht darauf zu achten,
wohin einen der nächste Schritt führt. Fester oder weicher Grund? Höhe oder Tiefe? ...Lass dich überraschen. ;)
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