Jagten - Die Jagd

Horror, Thriller, Fantasy, Sci-Fi, Mystery

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Alveradis
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Jagten - Die Jagd

Beitrag von Alveradis »

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Vielleicht sagt dem Einen oder Anderen der Name "Thomas Vinterberg" etwas. 1998 produzierte er im Rahmen der Künstlergruppe Dogma 95 den Film "Festen" (Das Fest), ein nach den Regeln des klassichen Dramas (Einheit von Zeit und Raum, keine Special effects, ...) inszenierter Film, in dem der Sohn auf der Feier des 60. Geburtstag des Vater in seiner Festrede über den Missbrauch durch den Vater und den Selbstmord seiner Schwester spricht. Der Film hält sehr genau Beobachtungen fest, die ich bei Familien mit Kindern, die offen mit ihrem Missbrauch umgehen, beobachtet habe und gehört meiner Meinung nach zu den "Meilensteinen" der Filmgeschichte.

Nun hat Vinterberg einen neuen Film gedreht, diesmal nicht nach den Dogma-Regel aber mit einem verwandten Thema.

Lukas (gespielt von dem von mir sehr geschätzten Mads Mikkelsen) hat etwas Pech gehabt in der letzten Zeit. Seine Frau hat sich von ihm getrennt und er darf seinen Sohn nur alle 2 Wochen sehen, auch wenn der eigentlich zu ihm ziehen möchte. Obwohl er eigentlich Lehrer ist, arbeitet er im Kindergarten, fühlt sich dort aber eigentlich ganz wohl. Er liebt die Kinder und versteht sich gut mit ihnen. Alles in Allem arrangiert er sich mit seiner Situation, es scheint bergauf zu gehen.
Bis eines Tages Clara, die Tochter seines besten Freundes, aus Wut über Lukas (er hatte ihr gesagt, sie dürfe ihn nicht auf den Mund küssen), erzählt, er habe ihr seinen Penis gezeigt. Darauf hin überschlagen sich die Ereignisse und durch das sehr unprofessionelle Verhalten der Kindergartenchefin (ab einem gewissen Punkt wird man das Gefühl nicht los, sie *möchte*, dass etwas vorgefallen ist, aus welchen Gründen auch immer) und der Eltern schaukelt sich die Situation immer weiter auf.

Aus "Clara denkt sich gerne mal etwas aus" wird "Clara würde nie lügen, warum sollte sie so etwas erzählen?",
aus den ihn liebenden Kindern werden weitere "Zeugen" und "Opfer" für seinen angeblichen Missbrauch,
aus Unterstützung wird Misstrauen, dann Hass,
aus Freunden werden Feinde,
aus dem Wunsch nach Aufklärung und Gerechtigkeit wird eine Hetzjagd
und aus einem unschuldigen Mann wird ein körperlich und psychisch gebrochenes Wrack.



Der Trailer deutet schon an, dass der Film einen wahrscheinlich ziemlich desillusioniert zurück lässt, doch der Film selber toppte meiner Erwartungen diesbezüglich noch. Missbrauch ist ein sehr sensibles Thema und ich würde nie einen Menschen von seiner Schuld frei sprechen, weil ich es ihm nicht zutraue, etc. Aber an den Anschuldigungen festzuhalten, NACHDEM das Mädchen seine Lüge zugegeben hat, die Anschuldigungen der anderen Kinder als Lügen entlarvt wurden und sogar die Polizei den Fall hat fallen lassen, das lässt sich für mich schon nicht mehr mit emotionaler Involviertheit erklären.

"Die Jagd regt zum Nachdenken an, ist meiner Meinung nach realistisch. Es gibt Dutzende Fälle in denen ein Mann falsch des Kindesmissbrauchs angeklagt wurde und sich nie von diesen Anschuldigungen rein waschen konnte. Weitere Assoziationen, die ich hatte, waren die Hexenprozesse von Salem und die Nonnen von Loudon.

Ich hatte Angst, der Film würde einen entmutigen, Kindern zu glauben, war erleichtert, dass er es nicht tut. Im Gegenteil, hätte man Clara von Anfang an wirklich zugehört und professionell auf die Vorwürfe reagiert (medizinische Untersuchung, Befragung durch einen professionellen Psychologen, ...) wäre die Situation nicht derartig eskaliert. Und neben Lukas war Clara eine der Personen, die unter der "Hetzjagd" am Meisten gelitten hat.

Fazit: Nicht unbedingt ein "Must-See", aber diese Einschätzung habe ich auch über wenige Filme. Es ist auf jeden Fall ein solider, interessanter, gut gemachter Film über ein sensibles Thema, was ja gar nicht so einfach ist. Also wer mal vom Popcorn und Klischee-Kino weg will, sollte sich diesen FIlm anschauen.


Hier geht es zum Trailer.
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Re: Jagten - Die Jagd

Beitrag von Daimao_Koopa »

Oh, toll toll toll ! :)

Endlich jemand, der sich traut, dieses geladene Thema in einem Stück Kulturgut zu behandeln!
Ob er wohl in die breite Masse schafft...? Wohlmöglich würde dieser Film die Haltung des ein
oder anderen Pädo-Faschisten etwas... lockern.

Ob ich dafür ins Kino gehe, weiß ich noch nicht. Den Film an sich, sehe ich mir aber auf jeden Fall an!
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Re: Jagten - Die Jagd

Beitrag von Alveradis »

Also, den muss man schon nicht im Kino sehen, die "Bildgewalt" steht etwas hinter der Story zurück. Aber anschauen sollte man sich ihn schon, denke ich.
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