The Artist is Present - Marina Abramović

Horror, Thriller, Fantasy, Sci-Fi, Mystery

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Thefalus
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The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Thefalus »

Sie geht immer an die Grenzen ihres Körpers und ihrer Gefühle - und sie geht dann weit darüber hinaus. Und sie nimmt ihr Publikum dabei mit! Die Serbin Marina Abramović ist eine Magierin und Performancekünstlerin, die sich mit den Grenzen körperlichen und seelischen Leides und Lust auseinandersetzt. Ihre existenziellen Performances zu Grenzbereichen des Körpers und der Seele operieren dabei immer mit besonderen Risiken. Bekannt wurde vor allem ihre Zusammenarbeit und die gemeinsamen Performances mit Ulay (Frank Uwe Laysiepen), mit dem sie nomadisch lebte. Zeitweise lebten sie bei Aborigines und bei Tibetern. Sie trennten sich in einer dreimonatigen Performance auf der chinesischen Mauer.

Ihre bekannteste Performance ist wohl "Rhythm 0". Um die Grenzen der Beziehung zwischen Publikum und Performer auszuloten nahm sie selbst eine passive Rolle ein und überließ dem Publikum die völlige und uneingeschränkte Macht über sich. Auf einem Tisch lagen 72 Objekte, manche davon waren geeignet um Freude und Lust zu bereiten, andere wiederum konnten zu Werkzeugen des Schmerzes und der Verletzung werden. Unter diesen Gegenständen gab es eine Rose, eine Feder, Honig, eine Peitsche, eine Schere, ein Skalpel und eine Pistole, die mit einer einzigen Kugel geladen war. Sechs Stunden lang erlaubte sie dem Publikum ihren Körper nach eigenen Vorstellungen zu bearbeiten.
Zunächst war das Publikum vorsichtig, aber als sie passiv blieb, wurden die Handlungen aggressiver. Abramović beschrieb es später so: "What I learned was that... if you leave it up to the audience, they can kill you. I felt really violated: they cut up my clothes, stuck rose thorns in my stomach, one person aimed the gun at my head, and another took it away. It created an aggressive atmosphere. After exactly 6 hours, as planned, I stood up and started walking toward the audience. Everyone ran away, to escape an actual confrontation."

2012 ist "The Artist is Present", ein Dokumentarfilm über Marina Abramović und ihre Kunst erschienen. Dazu hier der Trailer und hier der Film in voller Länge.

Anm.: Es bedarf bei diesem Thema eigentlich nicht der gesonderten Erwähnung, aber dennoch: Das ist nix für Kinder! So, wie die Bibel auch: Zu brutal und zu extrem für Minderjährige.

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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Ich »

Thefalus hat geschrieben:Marina Abramović
Ist jetzt vielleicht 'ne peinlich-blöde Frage zu einem Teilaspekt, der dort kurz Erwähnung findet, aber wie darf Ich mir das mit dem "Boden penetrieren" denn jetzt genau vorstellen? :???:
Thefalus hat geschrieben:Sechs Stunden lang erlaubte sie dem Publikum ihren Körper nach eigenen Vorstellungen zu bearbeiten. Zunächst war das Publikum vorsichtig, aber als sie passiv blieb, wurden die Handlungen aggressiver. ...
Tja, läßt allgemein wohl tief blicken.
Der Mensch ist ein Tier, welches - mehr oder weniger - gelernt hat, Triebe zu unterdrücken. Daraus wiederum könnten sich z.T. auch gewisse Exzesse (destruktiver Natur) erklären, welche ansonsten in der Tierwelt normalerweise so nicht vorkommen. Die Vermeidung der anschließenden Konfrontation ist ebenso typisch und spricht meiner Meinung nach ebenfalls dafür.

:denk:
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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Thefalus »

Ich hat geschrieben:
Thefalus hat geschrieben:Marina Abramović
Ist jetzt vielleicht 'ne peinlich-blöde Frage zu einem Teilaspekt, der dort kurz Erwähnung findet, aber wie darf Ich mir das mit dem "Boden penetrieren" denn jetzt genau vorstellen? :???:
Wörtlich. Du darfst es dir wörtlich vorstellen:

Bild

Den ganzen Film gibt es hier zu sehen: Ab 18!
Ich hat geschrieben:Der Mensch ist ein Tier, welches - mehr oder weniger - gelernt hat, Triebe zu unterdrücken. Daraus wiederum könnten sich z.T. auch gewisse Exzesse (destruktiver Natur) erklären, welche ansonsten in der Tierwelt normalerweise so nicht vorkommen. Die Vermeidung der anschließenden Konfrontation ist ebenso typisch und spricht meiner Meinung nach ebenfalls dafür. :denk:
Zunächst einmal ist es richtig, daß eine Performance von Marina Abramović einen Filter bezüglich des Publikums darstellt. Die riskante Selbstveröffentlichung jeder Intimität: Tränen, Lust, Schmerz und Erniedrigung, eben jene selbstveräussernde extremistische Grenzgängerei wirkt wie ein Magnet auf Menschen mit voyeuristischen und sadistischen Veranlagungen, ein Magnet also, der unwiderstehlich jene Menschen anzieht, die gerne von niederen Beweggründen motiviert werden. Alle anderen Menschen erleben die gegensätzliche Polarität dieses Magneten: Sie fühlen sich abgestoßen. Diesen Umstand sollte man bei allen Aussagen über Reaktionen des Publikums im Hinterkopf behalten: Das Publikum von Marina Abramović entspricht nicht dem normalen Durchschnitt der Bevölkerung. Einen ähnlichen Effekt kenne ich von magischen Orden des linken Pfades: Die Aussicht auf schnellen und billigen Erfolg und die angenommene Einfachheit der Selbstlegitimation ziehen ebenfalls magnetisch diesen bestimmten Menschentypus an (und stoßen den anderen Typus ab).

Falsch wäre es aber zu denken, daß jene Menschen, die sich sadistisch/masochistisch/voyeuristisch von niederen Beweggründen motivieren lassen, von rohen Trieben, wie zum Beispiel tierischem Instinkt geleitet wären. Es ist vielmehr so, daß sexualpsychische Störungen die gesamte Charakterentwicklung dieser Menschen schwer beeinträchtigt haben. Sehr typisch für solche Fehlentwicklungen ist eine Lebensgeschichte, in der es keine Erfahrung von Liebe gegeben hat, so daß gleichsam erzwungen werden soll, was niemand freiwillig gewährt hat. Mit anderen Worten gesagt, diese Menschen leiden unter einer psychischen Störung ihrer natürlichen (An-)Triebe, sie drücken durch ihr Verhalten keinesfalls Urtriebe aus.

Beunruhigend ist dabei nach wie vor, daß es Menschen mit diesen schweren Störungen mühelos gelingt völlig unerkannt in der Gesellschaft zu leben. Und daher die Vermeidung der Konfrontation bei der künstlerischen Performance, man hat gelernt unerkannt zu bleiben. Erst in Situationen wie Rhythm 0, eben in Situationen in denen sie sich unbeobachtet und bemächtigt fühlen, tritt ihr wahres Gesicht zu Tage. Das destruktive Verhalten gilt dann allem positiven Gefühl, der Nähe, der Zärtlichkeit, der Liebe und der Sexualität. Sie wollen zerstören, was sie nicht haben können. Und im Extremfall auch durch Krieg.

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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von gabor »

Starker Toback.......aber was soll das eigentlich?
Selbstdarstellung fiele mir da ein,mehr aber auch nicht.
Ich hab mal für so`ne komische Band namens"Rockbitch" als Ordner gearbeitet......genau derselbe Quatsch!Man stecke sich auf der Bühne Drumsticks in ALLE möglichen Körperöffnungen,um zu zeigen,dass die weibliche Sexualität was natürliches ist.
Tja,wer hätte das auch vermutet...... :au: :lol:
Dann wäre dass hier wohl auch"Kunst".......
https://www.youtube.com/watch?v=N6loaOmF5Ak

Immer bereit!
Woher soll ich wissen, ob die Vergangenheit keine Fiktion ist, die nur erfunden wurde, um den Zwiespalt zwischen meinen augenblicklichen Sinneswahrnehmungen und meiner Geistesverfassung zu erklären?
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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Thefalus »

gabor hat geschrieben:Starker Toback.......aber was soll das eigentlich?
"Sie ritzte sich einen Stern, wie er im kommunistischen Rot über ihrer Kindheit und Jugend schwebte, in den Bauch und peitschte sich, bis sie keinen Schmerz mehr empfand."

Was sollte eigentlich Joseph Beuys, der drei Tage lang mit einem Kojoten in einer Zelle verbrachte? Oder Vito Acconci, der unter dem Fußboden einer Galerie lag und onanierte, derweil über ihm die Besucher flanierten? Sie wollten schocken, das ist klar! Auch Abramović wollte schocken, bis hin zum Spiel mit dem Tod. Die sechziger und siebziger Jahre schwingen da sicherlich mit, als die Mauer zwischen Kunst und Leben immer weiter eingerissen wurde. Heute liegen über fünfzig Arbeiten über vier Dekaden von ihr vor, frühe Interventionen und experimentelle Musikstücke, Videos, Installationen, Fotografien und etliche Performances. Und natürlich eine eigene Ausstellung im Museum of Modern Art in New York.

Ist halt Kunst. Aber Magie führt nicht gerade selten zu Kunst.

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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von gabor »

Naja....Selbstzerstörung/-verletzung als Kunst zu bewerten....ich weiss ja nicht.Tiere tun sowas nicht(bewusst)....und ob dass dann der signifikante Unterschied zwischen Mensch und Tier ist.....
Da sollte dann doch das Publikum zu seiner S/M Neigung stehen......und das nicht noch in`s Scheinwerferlicht zerren.
Versteh mich nicht falsch....jedem Tierchen sein Pläsierchen,ABER da würd ich dann doch den Spruch von la Vey etwas abändern wollen...."Tu,was Du willst,aber geh niemandem damit auf`n Sack!"
Würde die Frau einfach sagen:"Das bin ich!"....wäre dass ja in Ordnung,aber dann auch noch ein Publikum zu benutzen.....halt ich für falsch.
Fazit.....schockieren,und damit Geld verdienen.
Obwohl.....so`n Job als ökologisch wertvoller Golflochbohrer....ist ja auch nicht verkehrt! :lol:
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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Thefalus »

Tiere verletzen sich selbst wenn sie unter seelischen Streß geraten - und das tun auch Menschen. Und es gibt Tiere, die unter seelischem Streß aggressiv gegen andere vorgehen - und auch das tun Menschen. Es geht auch nicht um den Unterschied zwischen Tier und Mensch, es geht vielmehr um seelischen Streß und seine destruktiven Auswirkungen. Mit seelischem Streß sind (damalige) Verhältnisse in Politik, Religion und Familie gemeint gewesen. Eine verlogene Religion, die Sexualität verhindert, erzeugt Streß. Eine Politik, die Menschen unterdrückt, erzeugt Streß. Familien, die ihre Kinder nicht lieben, erzeugen Streß. Und sie alle zusammen erzeugen Sadisten und Kriegstreiber. Das war damals die Message (die heute vielleicht niemanden mehr interessiert).

Ich schrieb bereits über den Magneten Abramovic und seine Polarisierung. Ich war nie auf einer Veranstaltung von Abramovic, mich stößt die inszenierte Gewalt und das öffentliche Selbstleid eher ab. Historisch halte ich die Frau jedoch für wichtig und sehr bemerkenswert.
Gabor hat geschrieben:Fazit.....schockieren,und damit Geld verdienen.
Naja, es gab wohl schon genug Bauern, da mußte sie halt Künstlerin werden. :lol:

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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Ich »

Thefalus hat geschrieben:Wörtlich. Du darfst es dir wörtlich vorstellen:

Bild

Den ganzen Film gibt es hier zu sehen: Ab 18!
Danke, wollte diesbezüglich nur auf "Nummer sicher" gehen. :lol:
Thefalus hat geschrieben:... der unwiderstehlich jene Menschen anzieht, die gerne von niederen Beweggründen motiviert werden.
Ja, solche Parasiten zieht das u.a. wohl auch an - soviel steht schonmal fest! Ich sehe das allerdings ganzheitlich - also so gesehen quasi unabhängig vom LHP und/oder RHP.
Thefalus hat geschrieben:Alle anderen Menschen erleben die gegensätzliche Polarität dieses Magneten: Sie fühlen sich abgestoßen.
Hmmm... Stellt das denn wirklich unbedingt die gegensätzliche Polarität dar? Ich denke, daß dies eher eine von mindestens drei (!) Möglichkeiten ist...
Ich habe mir bislang nur den Trailer angeschaut, weshalb Ich jetzt nur eine weitere Möglichkeit anhand eines - relativ harmlosen - Beispiels aus meiner Sicht verdeutlichen kann, ohne zu sehr vom Thema abzuweichen: Ich denke da z.B. nur an die Szene, wo ihr der Mann mit Schnäuzer gegenübersitzt und ihm die Tränen runterlaufen.
Intuitiv (da Ich ja die ganzen Umstände nicht kenne) halte Ich das für ein Zeichen von wirklicher Stärke, da es ihm überhaupt nichts ausmacht, das vor einem Publikum zu tun (eher im Gegenteil) und er somit u.a. auch eine innere Barrikade überwunden zu haben scheint (das entnehme Ich auch aus seiner Mimik). Ich denke dabei - neben möglichen Offenbarungsrisiken der eigenen Verletzlichkeit - z.B. an Scham, welche anerzogen bzw. aus einem (geschlechtsspezifisch) geprägten Rollenbild resultieren könnte (etwas, das natürlich absolut nicht zu unterschätzen ist!).
Das wäre nur ein dritter Blickwinkel, der sowohl das Aufgeilen von niederen (Klein-)Geistern am Leid/Schmerz/Schwäche anderer, als auch eine - woraus auch immer resultierende (evtl. aus Angst?) - Abgestoßenheit ausschließt.
Thefalus hat geschrieben:Falsch wäre es aber zu denken, daß jene Menschen, die sich sadistisch/masochistisch/voyeuristisch von niederen Beweggründen motivieren lassen, von rohen Trieben, wie zum Beispiel tierischem Instinkt geleitet wären. Es ist vielmehr so, daß sexualpsychische Störungen die gesamte Charakterentwicklung dieser Menschen schwer beeinträchtigt haben. Sehr typisch für solche Fehlentwicklungen ist eine Lebensgeschichte, in der es keine Erfahrung von Liebe gegeben hat, so daß gleichsam erzwungen werden soll, was niemand freiwillig gewährt hat. Mit anderen Worten gesagt, diese Menschen leiden unter einer psychischen Störung ihrer natürlichen (An-)Triebe, sie drücken durch ihr Verhalten keinesfalls Urtriebe aus.
Ich sehe den Geschlechtstrieb, der ja immerhin den zweitmächtigsten darstellt, in diesem Kontext jetzt auch nicht unbedingt als niederen Beweggrund an, soweit dieser hier von einer wirklichen (!) - Ich nenne es mal "konstruktive Befreiung/Selbstverwirklichung" (oder wie auch immer) - und eben nicht von einem quasi erzwungenem Ausleben psychisch störungsbedingter Praktiken (welche sich natürlich auch häufig sexuell äußern, aber auch andere Ursachen haben können) motiviert ist. Aber trotzdem handelt es sich grundsätzlich dabei immer noch um einen (tierischen) Trieb.
Thefalus hat geschrieben:Beunruhigend ist dabei nach wie vor, daß es Menschen mit diesen schweren Störungen mühelos gelingt völlig unerkannt in der Gesellschaft zu leben. Und daher die Vermeidung der Konfrontation bei der künstlerischen Performance, man hat gelernt unerkannt zu bleiben. Erst in Situationen wie Rhythm 0, eben in Situationen in denen sie sich unbeobachtet und bemächtigt fühlen, tritt ihr wahres Gesicht zu Tage. Das destruktive Verhalten gilt dann allem positiven Gefühl, der Nähe, der Zärtlichkeit, der Liebe und der Sexualität. Sie wollen zerstören, was sie nicht haben können. Und im Extremfall auch durch Krieg.
Ich denke, auch hier gilt es zu differenzieren: Wenn man dabei z.B. an einen Extremfall wie Ted Bundy denkt, dann ist die Sache wohl glasklar (natürlich leider nicht von vornherein).
Ich denke aber, daß viele gerade auch aus der Angst - aufgrund schon bewußter derartiger Phantasien (oder vielleicht auch gerade erst dadurch bewußt gewordener!) - heraus vor den eigenen Schattenseiten davonlaufen, ohne daß es sich hier direkt zwingend um "Ted Bundys" o.ä. handeln muß (je nach Ausprägung, Störung und/oder gegeben Möglichkeiten, sich legal und mit Einverständnis austoben zu können etc.). Aber wohl auch aus Scham und/oder der Unfähigkeit heraus, sich selbst wirklich den inneren Ursachen zu stellen oder gar mit anderen darüber reden zu können! Lange Rede, kurzer Sinn: Grundsätzlich hast Du mit dieser Befürchtung schon Recht.
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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Thefalus »

Vorweg: In meinen Augen heißt das Ergebnis von vier Jahrzehnten Mauern zwischen dem echten Leben und der Kunst einreissen heute: Reality-TV, auch Big Brother genannt. Und in diesen Shows weiß man eben nie genau, was echt und was gestellt ist. Kunstkritiker (ich hasse diese Saftärsche, aber ich kann auch nicht ohne sie) beziffern daher auch die Ausstellung von Abramovic im MOMA in New York als "Theater im Museum".

@ich: Dazu habe ich noch zwei Anmerkungen:

1. Der bärtige Mann in der Performance war Ulay, ihr Ex-Partner. Die Geschichte ging so: Ulay war von Anfang an in der Beziehung promiskuitiv, hat (entsprechend der damaligen Zeit) "freie Liebe" propagiert und gelebt. Marina hat das für sich nicht so gefühlt, blieb monogam, obwohl Ulay sie immer wieder zur "freien Sexualität" aufforderte. Da Ulay keinen Hehl aus seiner körperlichen Liebe mit anderen Frauen machte, kam es bei Marina zu Trauer und Schmerz, den sie aber über die Jahre hinweg aus Respekt vor ihrem Partner nicht zeigte. Es kam dann bei einer Party dazu, daß Ulay sich mit einem Mädel zum Poppen zurückzog und Marina mit dem gemeinsamen Freund alleine zurückblieb. Und während Ulay sich mit seinem Mädel vergnügte, hatte Marina zum ersten und einzigen Male Sex mit einem anderen Mann, nämlich dem gemeinsamen Freund.
Als Ulay das erfuhr war er völlig ausser sich. Freier Sex sei ja eine Sache, aber mit einem gemeinsamen Freund, das sei Verrat! Er forderte die Trennung: Die beiden Performance-Künstler liefen die Chinesische Mauer entlang, trafen sich kurz in der Mitte, trennten sich wortlos und liefen, jeder für sich alleine weiter.
Bei dem Video, daß du gesehen hast, handelt es sich um ein ungeplantes Event. Ulay war zufällig im Publikum zugegen und Marina forderte ihn auf ihr gegenüber Platz zu nehmen. Im geforderten Schweigen zeigte sie ihm ihren ganzen Schmerz, das ganze Elend, das er ihr zugefügt hatte. Sie ließ ihn bis auf ihre geschundene Seele blicken, das Ausmaß des ganzen Unrechts sehen, ihn seine Selbstgerechtigkeit und seinen Egoismus erleben lassen - und hielt ihre Offenheit, ihre Liebe, ihr Herz, zerschunden und gequält dagegen. Ulay wurde regelrecht von seinen Gefühlen überrumpelt, ihm liefen die Tränen herunter, ob er es wollte oder nicht. Seine Gefühle zeigten Mitleid und Reue für diesen einen, für Marina so kostbaren, Moment des Triumphes und der Gerechtigkeit. Aber nicht für länger: Ulay stand auf und wendete sich dem Publikum zu: "Das war nicht geplant! Ich wußte nichts hiervon! SIE hat mit unserem gemeinsamen Freund Sex gehabt! Während ich mit einer anderen im Bett war, das geht GAR NICHT! Nicht mit einem gemeinsamen Freund!" Und - erschrocken über die eigenen Worte fügte er mumelnd hinzu: "Ich hätte das nicht sagen dürfen..."

Stimmt. Der Typ ist ein Arschloch. Oder die ganze Sache war doch von beiden inszeniert. Oder doch nicht? *grummel*

2. Zu dem Thema "versteckte Sadisten" fällt mir noch das Milgram-Experiment ein. Nur zum Nachdenken, ich will damit keine konkreten Aussagen machen.

Und: Danke für das Feedback! Cool, hat mir Spaß gemacht! :)

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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Ich »

Thefalus hat geschrieben:(ich hasse diese Saftärsche, aber ich kann auch nicht ohne sie)
:lol: Das hört sich ebenfalls nach einem... komplexen Beziehungsgeflecht an... :lol:
Thefalus hat geschrieben:Der bärtige Mann in der Performance war Ulay, ihr Ex-Partner.
Das war derselbe? :???: In dem Trailer sah er in den sonstigen Szenen ziemlich anders aus (aber so lang ist die Szene, die Ich ansprach, ja auch nicht gerade)...
Thefalus hat geschrieben:Nur zum Nachdenken, ich will damit keine konkreten Aussagen machen.
Kannte diese Experimente schon, welche übrigens auch (dann und wann mal) weiterhin durchgeführt werden (mit jeweils gleichen Ergebnissen). Meiner Meinung nach hat so etwas diverse Ursachen, was häufig auch schnell eine gewisse Eigendynamik entwickeln kann. Als typische Beispiele für besonders "günstige" Rahmenbedingungen wären u.a. Kriege zu nennen - aber diese sind dafür natürlich keine Voraussetzung, wie man sieht. Ich denke sogar, daß solche Dinge tief in den meisten Menschen schlummern und zwar ohne, daß sie sich dessen auch unbedingt bewußt sind.
Thefalus hat geschrieben:Danke für das Feedback!
Ach was, dafür nicht. ;)
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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Thefalus »

Ich hat geschrieben:
Thefalus hat geschrieben:(ich hasse diese Saftärsche, aber ich kann auch nicht ohne sie)
:lol: Das hört sich ebenfalls nach einem... komplexen Beziehungsgeflecht an... :lol:
Umso mehr, wenn man sich selbst der härteste Kritiker ist. :lol:
Ich hat geschrieben:
Thefalus hat geschrieben:Der bärtige Mann in der Performance war Ulay, ihr Ex-Partner.
Das war derselbe? :???: In dem Trailer sah er in den sonstigen Szenen ziemlich anders aus (aber so lang ist die Szene, die Ich ansprach, ja auch nicht gerade)...
Ich weiß. Das (angeblich) reale Treffen der beiden (nach 5 Jahren) verlief so. Ich habe erzählt, was bei mir angekommen ist, was ich darin gesehen habe. Denn was wirklich wahr ist, wissen wir nun mal nicht (Das ist meine Kritik an Marina Abramović).
Ich hat geschrieben:
Thefalus hat geschrieben:Nur zum Nachdenken, ich will damit keine konkreten Aussagen machen.
Kannte diese Experimente schon, welche übrigens auch (dann und wann mal) weiterhin durchgeführt werden (mit jeweils gleichen Ergebnissen). Meiner Meinung nach hat so etwas diverse Ursachen, was häufig auch schnell eine gewisse Eigendynamik entwickeln kann. Als typische Beispiele für besonders "günstige" Rahmenbedingungen wären u.a. Kriege zu nennen - aber diese sind dafür natürlich keine Voraussetzung, wie man sieht. Ich denke sogar, daß solche Dinge tief in den meisten Menschen schlummern und zwar ohne, daß sie sich dessen auch unbedingt bewußt sind.
Wie gesagt, ich wollte damit keine konkreten Aussagen machen. Gebe dir aber in deinen Gedannken soweit recht.
Ich hat geschrieben:
Thefalus hat geschrieben:Danke für das Feedback!
Ach was, dafür nicht. ;)
Trotzdem danke! :D

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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Ich »

Thefalus hat geschrieben:Der bärtige Mann in der Performance war Ulay, ihr Ex-Partner. ...
Ah, ein kleines Mißverständnis: habe mir den 1. Trailer oben gerade nochmal angeschaut. Ich meinte den Mann mit dem Schnäuzer - der dort kurz ab 1:57 zu sehen ist - und nicht Ulay.
Thefalus hat geschrieben:Trotzdem danke! :D
:gerne: Wenn Du sooo darauf bestehst... ;)

Meine Fresse - man klickt diesen Link oben an (nebenbei: warum funktioniert der eigentlich beim Zitieren nicht?) und was bekommt man zu sehen? Eine "Inhaltswarnung". :rolleyes:
Wie süß, Zensur kann ja so fürsorglich sein - und jetzt sogar schon bei Szenen, wo mal rein gar nix zu sehen ist!
YT-Scheißratten.
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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Thefalus »

Ich hat geschrieben:Wie süß, Zensur kann ja so fürsorglich sein - und jetzt sogar schon bei Szenen, wo mal rein gar nix zu sehen ist!
YT-Scheißratten.
Die Welt wird halt immer kinderfreundlicher, das ist das IKEA-Syndrom: Rauchen in Gaststätten verboten (wg. Kinder), Altersnachweis für alle Texte, Bilder, Videos, die nicht die FSK-Freigabe "0 Jahre" haben (wg. Kinder), an der Ampel ein Vorbild (wg. Kinder), Zigaretten am Automaten nur gegen EC-Karte (wg. Kinder), in England haben Supermärkte Alkohol gerade ganz aus den Regalen verbannnt (wg. Kinder). Absehbare Konsequenz: Kinder an die Macht! Aber was passiert, wenn der Nachwuchs ganz das Kommando übernimmt? Das wird jetzt schon mal im Selbstversuch ausprobiert, der Journalist Jochen Metzger hat das Experiment mit seiner Familie durchgezogen und ein Buch darüber geschrieben. Und wie ist es ausgegangen? Wie bei allen anderen Experimenten der biogrünen Öko & Hippie-Kommunen auch, am Ende waren alle Pleite.

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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Thefalus »

Ich hat geschrieben:
Thefalus hat geschrieben:Der bärtige Mann in der Performance war Ulay, ihr Ex-Partner. ...
Ah, ein kleines Mißverständnis: habe mir den 1. Trailer oben gerade nochmal angeschaut. Ich meinte den Mann mit dem Schnäuzer - der dort kurz ab 1:57 zu sehen ist - und nicht Ulay.
Ja, okay, verstehe. Der Mann reagiert dort mit einem starken Affekt. In den Medien nennt man Sendungen, die so etwas auslösen Affektfernsehen. Erstaunlich: Während solche Sendungen von der Mittelschicht als Unterschichtenfernsehen ("Guck nicht mit den Schmuddelkindern") abgetan werden, holt sich das Bildungsbürgertum ihre emotionalisierenden Erfahrungen stattdessen lieber im Museum. Aber wie auch immer, die Tränen der Rührung sind sicherlich jedesmal echt, ob zu "Vom Winde verweht" oder zu "Marina Abramović" geweint.

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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Ich »

Thefalus hat geschrieben:Aber wie auch immer, die Tränen der Rührung sind sicherlich jedesmal echt, ob zu "Vom Winde verweht" oder zu "Marina Abramović" geweint.
Offengestanden kullerten mir angesichts dieser Szene nicht gerade die Tränen runter - aber in einem gewissen Sinne ist das ganze doch weit anspruchsvoller, als der übliche TV-Schund (was ja auch nicht gerade eine allzu große Kunst erfordert). Dabei spielte es für mich eigentlich auch keine so große Rolle, ob das ganze nun gestellt ist oder nicht (außer natürlich, wenn - ggfs. - die schauspielerischen Leistungen schlecht gewesen wären), da dies in diesem Sinne (s.o.) für mich weniger eine schnöde Unterhaltung darstellt.
Davon mal ab: Ich gucke sowieso kaum Fernsehen (Theater ist aber auch nicht unbedingt so mein Ding) - außer gelegentlich Dokus und Nachrichten (sprich: Desinformationskampagnen ;) ).
Bei dieser Art der Unterhaltung kommen für mich persönlich eigentlich nur ein paar gute Filme und "South Park" in Frage. :lol:

Was den o.g. grünverfaulten Öko-Brei angeht: Ich mußte dabei gerade unwillkürlich an die Visage von Cl. Roth denken - und nun ist mir schlecht... :kotz: Die sollte lieber mal als Kinderschreck auf der Bühne auftreten - dabei bräuchte die sich ja nichtmal zu verkleiden (und Ich könnte sie mit faulen Tomaten und Eiern bewerfen).
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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Thefalus »

Ich hat geschrieben:Dabei spielte es für mich eigentlich auch keine so große Rolle, ob das ganze nun gestellt ist oder nicht (außer natürlich, wenn - ggfs. - die schauspielerischen Leistungen schlecht gewesen wären), da dies in diesem Sinne (s.o.) für mich weniger eine schnöde Unterhaltung darstellt.
Der Unterschied ist halt, daß man sich auf fiktionale Darstellungen in der Regel nicht verlässt. Wir reagieren anders auf Fiktion als auf Nicht-Fiktion, obwohl fiktionale Darstellungen kognitiv nicht anders verarbeitet werden als faktuale. Wir benötigen Markierungen, zum Beispiel Fiktivitätssignale, um einer fiktionalen Darstellung grundsätzliche andere Verhaltensweisen zuzordnen als einer faktualen Darstellung. Leider sind diese Signale nie wirklich eindeutig, ein Märchen beginnt zwar mit "Es war einmal...", aber nicht jeder Text, der mit diesen Worten beginnt ist fiktional. Noch schwieriger wird es in der Kunst, wo gerade fiktionale Darstellungen in der Lage sind, Wesentliches über die Welt zu verraten, selbst wenn sie dies auf poetische oder metaphorische Weise tun. Am Ende stimmt es also, was du schreibst, es spielt keine so große Rolle, ob das Ganze nun gestellt ist oder nicht. Andererseits sollten die Ergebnisse sich am Ende aber auch nicht völlig von der Faktenlage und dem common sense abtrennen.

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Re: The Artist is Present - Marina Abramović

Beitrag von Daimao_Koopa »

Nichts für Kinder...? Dann ist es auch nichts für Magier und schon gar nichts für Künstler! ;)

Hmm... Mir gefällt, was ich da sehe! Eine Art "Sündenfall 2.0". Menschen werden von der Künstlerin zu Handlungen verführt,
wobei mache dieser Handlungen - je nach Ansichtsweise - moralisch erwünscht und andere verpöhnt sind. Clever - und zwar
in mehrfacher Hinsicht! Was ist schon "Gut" und was ist "Böse"? Was ist schon "Freude" und was ist "Schmerz"?
Zwei Seiten eines Ganzen, die nicht so weit voneinander entfernt liegen, wie man zuerst vermutet. Beides ist Erregung,
Leidenschaft, und verursacht Extase. Der Unterschied liegt lediglich in der Wahrnehmung des Einzelnen. Was erregt stärker
- was verführt stärker?
Freude oder Schmerz? Das muss jeder für sich selbst wissen, doch wie sieht es bei anderen aus?

Kann ich als aktiver Part erkennen, ob der extatische Schrei des Passiven ihm Wohl oder Leid zufügt? Definitiv Leid! Aber wie
sieht es im bezug auf Freude und Schmerz aus; den vermeintlichen Gegensätzen, die von moralischen Instanzen mit Glück und
Unglück verkettet wurden? Finden wir es heraus, indem wir ein einseitig verzerrtes Experiment aufstellen, das dazu dienen soll
unsere Erwartungen zu bestätigen! :mad:

...So nehme ich die Motivation von "Rhythm 0" wahr. Ein Experiment - eine Performance, die nichts Neues schafft, sondern ledig-
lich Altem am Bestehen hilft. Menschen sind von Natur aus sadistisch, bzw. dazu veranlagt. Wieso? Weil Freude weit mehr umfasst,
als man ihr zuerst zu zu schreiben vermag. Tja... und wenn ein Menschen, der von Natur aus menschlich ist, Werkzeuge vorgelegt
bekommt, die allesamt mit eindeutigen Erwartungshaltungen und Verwendungszwecken verbunden sind, dann wird er Sie sicherlich
auf jene Art verwenden, wie er es gewohnt ist. Wenn er Sie nicht verwenden dürfte, dann wären diese Werkzeuge ja nicht da...


Ist es Kunst, wenn man aus etwas Altem etwas vermeintlich Neues macht? Nein - Kunst wäre es, wenn man z.B. die Feder zur
Folter, oder die Pistole zur sexuellen Befriedigung verwendet hätte. Mithilfe etwas "Bösem" etwas (vermeintlich) "Gutes" schaffen
und umgekehrt - das ist in meinen Augen Kunst. Erwartungshaltungen reproduzieren, ist Moralismus. Moralismus ist aber auch
eine Form von Kunst, aber keine, die mich inspiriert, geschweige denn anspricht...

Für die Künstlerin mag es zwar eine extreme - und wohlmöglich "erregende" - Erfahrung gewesen sein, aber... was ist mit den
Zuschauern?
Sie wurden lediglich benutzt und deliquentisiert. Stimmt - auch das ist Kunst, nämlich Manipulation! Das wiederum
spricht mich an! Trotzdem - ich verstehe nicht ganz, was daran so revolutionär sein soll...? Sicher, skandalös (ich hasse dieses Wort)
mag das zwar sein, aber das ist - nein, war Lady GaGa auch. Provokation auf Kosten von Exzess. Ein altes, aber auch gutes, aber
auch langweiliges One-Trick-Pony.


Was ich aber wiederum interessant finde, ist die Quintessenz dieses verzerrten Experiments; die Angst, bzw. die Vermeidung
von Konfrontation mit den eigenen Gefühlen - und denen von anderen
. In dieser Hinsicht gefällt mir das Ganze, weil Manipu-
lation. Auch das Spiel mit den Emotionen der Gäste spricht mich stark an. Indem die Künstlerin sich öffnet und die defensive Rolle
einnimmt, nimmt sie zugleich die aggressivste Rolle ein, die man sich auf emotionaler Ebene denken kann. Ihre Offenheit bedroht
die verschlossene, kontrollierte Gefühlswelt der anderen. Phantastisch!

Trotzdem muss ich Gabor recht geben, denn mein Gefühl sagt mir, dass es der Künstlerin weniger um die Kunst, als um sich selbst
geht. Vermutlich ist Sie aber auch nur ein Opfer ihrer Berühmtheit, wie so viele Künstler es waren und sind...? Ich denke, ich werde
mir dazu den Dokumentarfilm in voller Länge ansehen müssen.
Thefalus hat geschrieben:Die riskante Selbstveröffentlichung jeder Intimität: Tränen, Lust, Schmerz und Erniedrigung, eben jene selbstveräussernde extremistische Grenzgängerei wirkt wie ein Magnet auf Menschen mit voyeuristischen und sadistischen Veranlagungen, ein Magnet also, der unwiderstehlich jene Menschen anzieht, die gerne von niederen Beweggründen motiviert werden.
Sicher, dass offen gelebte Emotionalität nur Voyeure (Menschen, die Lust am Sehen haben; was nebenbei eigentlich typisch
menschlich ist - also keine pathologische Eigenschaft) und Sadisten anzieht? Was ist z.B. mit Liebhabern von... sagen wir mal
Horror-Szenarien, oder den altbekannten Adrenalinjunkies? Oder solchen, die Mitleid empfinden (Christenmagnet?) oder einfach
nur mitfühlen wollen? Ichs Beispiel wäre dafür ein ziemlich Gutes.

Ich glaube nicht, dass dieses Szenario als Filter für bestimmte Typen von Menschen fungiert. Immerhin lassen sich auch all die
selbsternannten Moralisten - insgeheim versteht sich - von der Faszination eines schweren Unfalls ergreifen. Das Gewissen predigt
ihnen zwar, was sie in solchen Situationen zu tun (und zu lassen) hätten, doch der reine Geist starrt wie gebannt auf das außerge-
wöhnliche Szenario.

Bunte Bilder, gebrochene Knochen, süßliche Düfte, Lachen von Blut - wir alle lieben es! Wir alle sind davon fasziniert! Es ist nur so,
dass einige von uns ihre geheimen Leidenschaften verleugnen und verdrängen - zugunsten einer "Idealvorstellung", der wir nie gerecht
werden können.

Die, die vor solchen Szenarien zurückschrecken, schrecken in Wahrheit vor sich selbst und ihrer "falschen" und doch so richtigen Erregung zurück. :D
Thefalus hat geschrieben:Das destruktive Verhalten gilt dann allem positiven Gefühl, der Nähe, der Zärtlichkeit, der Liebe und der Sexualität. Sie wollen zerstören, was sie nicht haben können. Und im Extremfall auch durch Krieg.
Solche Leute wollen nicht zerstören, weil sie Gefühle zerstören wollen, sondern sie zerstören das Objekt (die Künstlerin), weil
sie es können. Sie sind in der außergewöhnlichen Lage etwas Verbotenes (also Verlockendes, weil Neues) tun zu dürfen, ohne von
einer übergeordneten Macht dafür gegeißelt zu werden. Es geht um neue Erfahrungen - also um Neugier. Aber auch um Exzess -
also eine Grenze überschreiten.

Es offenbart sich auf diese Weise zwar das wahres Gesicht des Publikums, aber dieses Gesicht ist nicht krank - es ist einfach nur wahr.

Menschen für ihre Menschlichkeit zu pathologisieren, wäre an dieser Stelle - gerade weil es sich um Kunst handelt - absolut fehl am Platz!

Bezüglich dem "kranken Verhalten", setzt dieses einen Normalzustand voraus. Da wir alle aber wissen, dass Normalität relativ ist, sehen wir auch, dass Unnormalität relativ ist. Es gibt keine Geisteskranken - nur Menschen, die ihre Ansichten zum Dogma erheben wollen.
Thefalus hat geschrieben:Stimmt. Der Typ ist ein Arschloch. Oder die ganze Sache war doch von beiden inszeniert. Oder doch nicht? *grummel*
Komm schon... das sind Künstler. In der (echten) Kunst gibt es keinen (wirklichen) Zufall - noch nicht mal im Expressionismus. >:->
Thefalus hat geschrieben:Absehbare Konsequenz: Kinder an die Macht!
Nicht solange es kinderlose Egozentriker und Kinderhasser gibt! Politiker an die Macht! :lol:
Thefalus hat geschrieben:Wir reagieren anders auf Fiktion als auf Nicht-Fiktion, obwohl fiktionale Darstellungen kognitiv nicht anders verarbeitet werden als faktuale. Wir benötigen Markierungen, zum Beispiel Fiktivitätssignale, um einer fiktionalen Darstellung grundsätzliche andere Verhaltensweisen zuzordnen als einer faktualen Darstellung.
Und was lernen wir daraus...? Fakten sind fiktive Fiktion. :har:
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Beitrag von Thefalus »

Daimao_Koopa hat geschrieben:Es gibt keine Geisteskranken - ...
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Dann wäre das ja schon mal erledigt! :lol:

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