Übermüdet (12)

Die dämonische Kolumne
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Vamp
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Übermüdet (12)

Beitrag von Vamp »

Ich starre auf den Bildschirm. Meine Augen brennen und mein Kopf scheint mindestens 10 Kilo schwerer zu sein als sonst. Aber es ist keine leere Müdigkeit, es ist eine erfüllende Müdigkeit. Sie ist nicht aus der Trauer geboren, sondern einzig alleine aus der Erfüllung die mir die Arbeit mit Kindern bringt. Nun und vielleicht noch aus dem einen oder anderen Ärger den die Leitung einer Freizeit immer im Gepäck hat. Aber ich will von Vorne beginnen.
Also, wir befinden uns am Mittwoch den 19.4.06, Ich wache um 8 Uhr auf und versuche verzweifelt den Wecker mit der Fernbedienung des Fernsehers auszuschalten um dann als der Fernseher angeht vor Schreck aus dem Bett zu fallen. Was für eine grauhenhafte Nacht. Ich konnte nicht einschlafen, habe dann furchtbar schlecht geträumt und bin ständig wieder aufgewacht. Ich stemme mich also vom Boden hoch, schalte Fernseher und Wecker aus und öffne meine Zimmertür. Irgendwie schaffe ich es mich auf der obersten Treppenstufe abzufangen so das ich nicht die ganze Treppe rollenderweise hinter mich bringe. Es ist unglaublich das ich seit 11 Jahren fast jeden Morgen über den Kater stolpere. Duschen, Anziehen, Brot mit Tee runterspülen und dann mit ner Zigarette nachräuchern, schon sitze ich in meinem vollgestopften Auto und bin unterwegs.
Eine kurze Absprache in der ich mich innerlich über unsere seit 5 Jahren gleichbleibend dämliche Erwachsenenvertreterin aufrege später, sind wir mittendrin. Die Räume müssen vorbereitet werden und einige Sachen haben wir beim Einkaufen vergessen. Also schmeiße ich mich ins Auto und sprinte durch den Aldi. Kaum zurück kommen schon die ersten Kinder. Ich schmeiße mich schnell in mein Mittelalteroutfit, schließlich ist das unser Thema und nehme sie im Saal in Empfang. Einige Kennenlernspiele und ein Mittagessen später beginnt die Gruppenarbeit, an der ich leider nicht teilnehmen kann, da ich zur Krankengymnastik muss. Nachdem ich mich von der Krankengymnastin genug habe quälen lassen, schnell wieder zurück und sofort wieder ins geschehen. Wir schicken unsere Neulingsleiter mit den Kindern nach Draußen und räumen schnell auf. Durchs Fenster sehen wir die beiden mit ihren Handys spielen wärend die Kinder verunsichert rumlaufen. Seuftzend nach draußen und die Kinder übernehmen bis zum Abendessen. Später spielen wir mit ihnen noch ein Casino und ich lese ihnen auf dem Dachboden ein Märchen über einen Riesen vor. Endlich sind die Bälger im Bett und wir machen die Reflexion. Danach schnell aufräumen und sauber machen, dann Heim duschen und wieder zurück, ins Bett, bzw. auf die Faltmatratze (jahrelange Erfahrung zeigt das eine Matratze einer Isomatte bei Möglichkeit vorzuziehen ist). Am nächsten Morgen raus und trotz Morgenmuffligkeit die Kinder fröhlich begrüßen. Nach dem Frühstück machen sie sich auf den Weg zu einer Burgbesichtigung, ich muss leider da bleiben, habe wieder Krankengymnastik. Schade, aber was soll ich machen. Ich fahre Einkaufen und gehe dann nach Hause um zu duschen und ein wenig Zelda zu spielen. Abends bereite ich mit der Küchenverantwortlichen das Abendessen vor. Die Kids kommen zurück und erzählen von ihren Erlebnissen. Die Burg fanden sie super, aber die Kindgerechte Führung hat sie fast zu Tode gelangweilt. Nach dem Essen lese ich ihnen wieder eine Geschichte vor, dann schicken wir sie ins Bett. Bei der Reflexion ermutigen und Loben wir unsere beiden Neulinge weil sie auf dem Ausflug gut mitgearbeitet haben. Danach wieder ins Bett. Am Morgen werden meine Freundin und ich von einem Kind geweckt das vor uns steht und ganz leise unsere Namen flüstert. Unsere Hauptleitung hat ihn geschickt. Im Vormittagsprogramm basteln wir Pinwände aus Moosgummi in Drachenform. Die Kinder sind Hochmotiviert und voll bei der Sache. Meine Neulingsleiterin verhält sich ausgezeichnet und ich mache mir im Kopf Notizen was ich ihr am Abend sagen kann. In der Mittagspause kommt ein Bekannter von uns vorbei und nimmt uns die Kinder für eine Weile ab indem er mit ihnen draußen spielt. Das Wetter ist einfach herrlich. Am Nachmittag machen wir mittelalterliche Gefäße aus Ton. Unsere Kinder übertreffen sich selbst an Kreativität und sind mit großem Ernst dabei. Sie machen richtige kleine Kunstwerke. Trinkhörner, Kelche, Becher, alles Mögliche, ohne das wir sie auch nur irgendwie anleiten müssen. Ich merke das bei meiner jungen Mitleiterin langsam die Motivation flöten geht. Später schüttelt meine Freundin schnell einen Sinnesparcours aus dem Ärmel den wir gemeinsam vorbereiten wärend unsere Neulinge eigentlich mit den Kindern Spiele machen sollen. Als ich kurz zu ihnen gehe um das weiter Vorgehen mit ihnen zu klären liegen sie in der Sonne wärend die Kinder sich Streiten oder mit Stöcken um sich schlagen. Langsam etwas genervt, aber nach Aussen die Ruhe selbst schaffe ich wieder Ordnung bei den Kindern und wir beginnen mit dem Parcours, der den Kindern extrem viel Spaß macht. Es ist schon interessant was Kinder so alles riechen wenn man ihnen z.B. Milch oder Orange unter die Nase hält. Milch riecht anscheinend wie Ketchup.
Nach Nachtwanderung und Lagerfeuer sind die Kids im Bett und wir räumen blitzschnell auf, da die Eltern am nächsten Morgen kommen. Ich bin unglaublich Müde, mache aber weiter. Unsere Neulinge haben keine Lust und motzen so lange rum bis wir sie um 1Uhr ins Bett entlassen. Ich gehe in die Küche die sie eigentlich machen sollten und schrubbe bis 2.30 Uhr Töpfe wobei ich innerlich brodle.
Am Morgen werden wir gleich von einer ganzen Gruppe flüsternder Kinder geweckt. Das Frühstück mit den Eltern klappt hervoragend und wärend die anderem im Gottesdienst sind fangen meine Freundin und ich mit aufräumen an. Nachdem wir den gesammten Saal gemacht haben kommen die anderen zurück und räumen ein wenig vor uns hin. Als meine Freundin und ich uns kurz hinsetzen um zu verschnaufen werden wir angemotzt das die Neulinge sich veralbert vorkommen wenn sie arbeiten und wir nicht. Ich bekomme einen kleinen Ausraster und fauche irgendwas von wegen das ich ihren blöden Saal nächstes mal dreckig lassen werde bis sie mir zusehen, und das sie dann schauen können wann sie nach Hause kommen, gehe vor mich hinmurmelnd in den nächsten Raum, gefolgt von meiner Freundin die leise vor sich hinflucht. Wir drehen die Musik voll auf und räumen auf. Unsere Hauptleitung kommt um sich zu entschuldigen und ich ignoriere sie und beschimpfe die Wand.
Irgendwann ist endlich alles fertig und ich kann nach Hause, wo ich wie ein Zombie rumlaufe und alles mache was so zu erledigen ist und was sich wärend meiner Abwesenheit angestaut hat. Ausserdem muss ich einen Kater beschmusen der mich furchtbar vermisst hat und der mir nun nicht mehr von der Seite weicht.
Wenn Katzen wie Frösche aussähen, so würde uns bald klar, wie gemein die kleinen Teufel sind. (Lords und Ladys; Terry Pratchett)

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