Hekate

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Eno
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Hekate

Beitrag von Eno »

Hekates Stammbaum
Bild Die oben graphisch dargestellte Abstammung kann man in Hesiods Theogonie, dem homerischen Hymnus an Demeter, bei Apollodorus, in Ovids Metamorphosen, und in Senecas Medea finden.

Was „erbt“ Hekate nun von ihren Vorfahren?

Perses, der Sohn von Krios und Eurybia, ist ein Gott der Zerstörung- nicht nur im Sinne eines Kriegsgottes, sondern ist auch für Verwüstungen in der Landwirtschaft zuständig. Krios wird in der Regel als Widder dargestellt und mit dem Sterbild Aries in Verbindung gebracht. Sein Sohn Perses wird meist in Hundegestalt abgebildet und mit dem Hundestern Sirius identifiziert. Dem Stern Sirius wurden schlechte Einflüsse auf die Landwirtschaft nachgesagt. Es gibt Parallelen zwischen Perses und dem ägyptischen Anubis; Nicht nur, dass beide hundeartig dargestellt wurden, Perses ebenso wie Anubis waren dafür zuständig die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits zu geleiten.

Auch Hekate wird mit Hunden assoziert und tritt ebenfalls in der Rolle des Psychopompos auf. Eventuell hat sie von ihrem Vater auch einen Bezug zur Landwirtschaft geerbt.

Asteria, Tochter von Koios und Phoibe ist eine Göttin der prophetischen Träume, der Nekromantie, der Astrologie. Sie wurde auf der Insel Delos auch als Brizo und in Thalamai als Ino-Parsiphae verehrt. An manchen Orten wurde sie mit der phoenizischen Astarte identifiziert. Sie und ihre Schwester repräsentieren die prophetischen Kräfte von Tag (Leto) und Nacht(Asteria).

In der nächsten Generation sind die dunklen prophetischen Kräfte der Nacht, insbesondere Nekromantie, an Asterias Tochter Hekate und die prophetischen Kräfte des Tages an Letos Sohn Apollo weitergegeben worden.

Über Hekates regionalen Ursprung verrät ihr Urgroßvater einiges. Die Namen von Gaias Kindern Uranos (Himmel), die Ourea (diverse Gebirge unter anderem Ätna, Parnes und Olymp) und Pontos (Meer, insbesondere „Schwarzes Meer“ ) sagen auch etwas über die Zuordnung der Götter zu den griechischen Stämmen aus. Während, spätestens seit der dorischen Wanderung die Dorer in Mittelgriechenland vorherrschen, sind die noch heute so bezeichneten pontischen Griechen die Nachfahren jener Griechen, die im Altertum die historische Landschaft Pontus besiedelten. Ihr Sprachraum erstreckte sich über die türkische Schwarzmeerküste bis hin zu angrenzenden Teilen Georgiens und verbreitete sich im Zuge von Wanderungsbewegungen über die Kaukasusregion hinaus bis nach Russland.

Wie auf Grund ihrer Abstammung von Pontos zu erwarten, war Hekate ursprünglich eine kleinasiatische Göttin aus Karien; dort, in Lagina, befand sich bis in die römische Kaiserzeit hinein ihre Hauptkultstätte. In archaischer Zeit kam der Kult der Göttin nach Griechenland.. In ihrer frühesten erhaltenen Darstellung aus Athen aus dem späten 6. Jh. v. Chr. wurde sie noch als thronende kleinasiatische Göttin dargestellt, vergleichbar mit Kybele oder anderen orientalischen Muttergottheiten.

Nachfahren hat Hekate keine, ebenso wie ihre Cousine Artemis ist Hekate, zumindest nach den älteren Quellen (Apollonius von Rhodos/Argonauten, Lykophron aus Chalkis/Alexandra), eine jungfräuliche Göttin. Manche Quellen verpaaren sie mit König Aeetes und erklären damit Medea zu ihrer Tochter, andere verwechseln sie mit Perseis und verheiraten sie wahlweise mit Helios oder Apollo und schreiben ihr Circe als Tochter zu.
Sowohl Circe als auch Medea sind Zauberinnen, die sich für ihre Kraft auf Hekate berufen, aber Hekates Töchter sind sie nur in jenem übertragenen Sinn, in dem sich auch zeitgenössische Hexen als Hekates Tochter bezeichnen können. Perseis hat eine andere Herkunft und eine andere Bedeutung als Hekate
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Eno
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Hekate und der sakrale Schutz von Grenzen

Beitrag von Eno »

Hekate ist zuständig für Grenzen jeglicher Art, für Grenzen zwischen Territorien, Grenzen zwischen dem Inneren und Äußeren eines Tempels oder auch einen gewöhnlichen Wohnhauses, für den Grenzübergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen und die Grenze zwischen Leben und Tod.

Hekates Funktion als Herrscherin über die Geisterwelt entspricht ihrer Rolle als Herrin der Grenzen. Ihre Verbindung zu Geistern ergibt sich zum einen aus ihrer Funktion als Psychopompos.

Zum anderen steht ihre Verbindung mit Gespenstern im Zusammenhang mit ihrer Rolle als Begleiterin der Mädchen bei Hochzeiten, als Schützerin des Übergangs vom Mädchen zur Frau. Unverheiratet und kinderlos gestorbene Frauen wurden im antiken Glauben zu ruhelosen Geistern im Gefolge der Hekate. Hekate konnte diese Geister im Zaum halten und die Menschen vor ihnen schützen.

Daraus folgt auch ihre Funktion als Wächterin der Kreuzungen und Grenzen, an denen sich nach antikem Glauben Geister gerne aufhielten. Hekate wurde so zur Grenzgöttin, die nicht allein Persephone oder andere Tote über die Grenze zwischen Ober- und Unterwelt begleitete, sondern auch half, alltägliche Grenzen, wie Kreuzungen, Türschwellen oder Tore zu überschreiten.

Hekate war nicht nur Göttin der Kreuzungen, sondern ihre Macht erstreckte sich darüber hinaus auch auf Straßen und Wege. In dieser Funktion wurde sie Enodia genannt. Enodia war im Ursprung eine thessalische Göttin, die später mit Hekate zusammenfiel.

In ihrer Rolle als Wächterin des Eingangs überschnitt bzw. ergänzte sich die Funktion Hekates mit der des Hermes. Ihre Schutzfunktion bezog sich analog zu Hermes nicht nur auf das unmittelbare Ein- oder Austreten aus dem Tor, sondern auch auf den weiteren Weg, da Hekate als Enodia auch die Straßen und Wege bewachte. Hekate wurde beispielsweise vor dem Antritt einer Reise angerufen, und bei einer glücklichen Heimkehr dankte man der Göttin für ihren Schutz.

Am Zugang zur Athener Akropolis standen die Götterbilder von Hekate Epipyrgidia und Hermes Propylaios in enger Nachbarschaft zueinander. Aufgrund der Wesensverwandtschaft mit Hermes wurden in späterer Zeit (ab dem späten 4./frühen 3. Jh. v. Chr.) Hekataia auch in Hermenform, das heißt dreiköpfig auf einem dreikantigen Pfeiler gestaltet. Umgekehrt konnten auch Hermeshermen mehrköpfig gebildet werden, z. B. mit drei oder vier Köpfen zur Aufstellung an Wegekreuzungen oder doppelköpfig an Türen oder Grenzen.
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Bildliche Darstellung und Beinamen Hekates

Beitrag von Eno »

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Das älteste erhaltene Hekatebildnis stammt aus dem späten 6. Jh. v. Chr. Es handelt sich um eine Terrakottafigur aus Athen, die Hekate als einfigurige thronende Göttin ohne spezielle Merkmale oder eine eindeutige Ikonographie darstellt. Die Identifikation der Göttin mit Hekate ist lediglich durch die Inschrift möglich. Ein Votivrelief aus dem Athener Asklepieion aus dem späten 4. Jh. v. Chr. zeigt Hekate ebenfalls einfigurig. Auch das Bildnis der Hekate auf Ägina war nach Pausanias einfigurig.

Dreigestaltige Hekataia sind erst seit dem 5. Jhd. V. Chr. erhalten. Nach Pausanias war das monumentale Hekatebildnis der Artemis-Hekate Epipyrgidia am Eingang zur Athener Akropolis das erste dreileibig gestaltete Hekataion, dessen Erfindung Pausanias dem Alkamenes zuschreibt. Einfigurige Hekatebilder existierten weiterhin parallel zu den dreigestaltigen Hekataia.

Dreifigurige Hekatestatuen bestehen in ihrer Normalform aus drei weiblichen Figuren, die sich um eine Säule gruppieren. Alle drei Figuren sind sich sehr ähnlich, teilweise sogar identisch miteinander, können aber verschiedene Gegenstände in den Händen tragen. Sie variieren in Format und Größe, sind zumeist aber relativ klein.

Die Figuren der dreileibigen Hekataia konnten Attribute in ihren Händen halten, die z. T. erhalten sind; manchmal deuten auch nur Bohrlöcher in den Händen der Figuren auf sie hin. Das typische Attribut Hekates war die Fackel, die sie als Göttin der Nacht charakterisierte und zudem eine reinigende Funktion hatte. Dabei mussten die Figuren der Hekate die Fackeln nicht notwendig in den Händen halten, sondern diese konnten auch neben dem Hekataion stehen. Manchmal findet man Bohrlöcher in den Händen der Hekatefiguren so angebracht, dass dort keine Fackeln gewesen sein können. Die Löcher dienten dann dazu, Zweige oder Blüten, die einige Figuren der Hekataia mit angewinkelten Armen vor der Brust trugen, aufzunehmen. Neben Fackeln und Zweigen hielten die Figuren der Hekataia vereinzelt auch Früchte (meist einen Granatapfel) in den Händen. Gelegentlich erschien auf den Hekataia der Hund, das Begleittier der Hekate.

Die Herkunft der frühen hölzernen dreigestaltigen Hekataia ist möglicherweise von Holzpfeilern mit Masken abzuleiten, altertümlichen Kultsäulen oder –pfeiler, die für die frühgriechische Religion kennzeichnend waren und vereinzelt noch in historischer Zeit existierten. Allerdings diente der Pfahl schon bei den Maskenpfeilern nicht mehr als eigentlicher Kultgegenstand, sondern als Träger der Masken. Mit diesem Problem befassten sich schon in der römischen Kaiserzeit und der Spätantike einige Autoren. Sie versuchten durch verschiedene religiöse Interpretationen Erklärungen für die Dreiform zu finden. Eine davon war die Verbindung der drei Figuren mit den drei Mondphasen. Eine andere deutete die drei Frauen als Verkörperung der drei Bereiche Unterwelt, Erde und Himme. Schließlich sah man in den Hekataia einen Synkretismus der Göttinnen Artemis, Hekate und Persephone oder Selene. Keine dieser Deutungen lässt sich jedoch überzeugend anhand der erhaltenen Denkmäler nachvollziehen. Weder besitzen die Figuren der Hekataia Attribute, die auf Mondphasen schließen lassen, noch Symbole der drei Weltreiche. Da nicht drei verschiedene Frauengestalten dargestellt sind, sondern dreimal dieselbe Figur gezeigt wird, passt die Interpretation der drei verschiedenen Göttinnen nicht

In der modernen Forschung stimmte man darin überein, dass die Dreigestalt der Hekate von ihrer Rolle als Göttin der Dreiwege abstammt. Diese Funktion wird bereits in der antiken Literatur überliefert: Als Trioditis stand Hekate an Straßenkreuzungen. Dies ermöglichte ihr eine Kontrolle über das gesamte Straßennetz. Daher wurde sie auch gleichzeitig als Enodia verehrt. Um an den Kreuzungen in alle drei Richtungen blicken zu können, benötigte Hekate ihre Dreigestalt.

Die Zahl Drei hatte außerdem in der griechischen Religion eine gewisse Bedeutung: Bereits seit homerischer Zeit erfolgten Wiederholungen im Ritus dreimal, z. B. dreifache Libation, dreifache Anrufung der Toten, Opferung von drei Tieren . Daraus kann man schließen, dass die Drei symbolisch für die maximale Vervielfachung stand, für eine vollständige Wiederholung. Gerade an Grenzen, wo eine besonders starke göttliche Macht gebraucht wurde, lassen sich Verdreifachungen beobachten: z. B. an der Grenze zur Unterwelt, der dreiköpfige Kerberos, oder die drei Horen an den Pforten des Himmels. Da die Dreiwege im Glauben der Griechen unheimliche Orte waren, an denen ein besonderer Schutz vonnöten war, wurde die Dreizahl der Hekate nicht nur wegen ihres Blickes in drei Richtungen gewählt, sondern auch weil die Dreizahl ihre größtmögliche göttliche Macht anzeigte.


Bekannteste Beinamen Hekates sind:
Chthonia (die Unterirdische)
Dadouchos (Fakelträgerin)
Enodia (Göttin der Wege)
Kleidouchos (Schlüsselbewahrerin)
Kourotrophos (Amme)
Phosphorus (Lichtbringerin)
Soteira (Retterin)
Triformis (die Dreigestaltige)
Trioditis (Göttin der Dreiwege)
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Eno
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Hekate im Demeter-Mythos

Beitrag von Eno »

Der zentrale Mythos der Persephone erscheint erstmals in der homerischen „Hymne für Demeter“. Hades, der Gott der Unterwelt und Bruder des Zeus, verliebte sich in Persephone. Als Persephone in der Nysa-Ebene Blumen pflückte, stieg Hades aus der Unterwelt empor und entführte sie.

Keiner hörte Persephones Schreie, außer Helios, dem Sonnengott, der sich in Vorgänge auf der Erde jedoch niemals einmischt, und Hekate in ihrer Höhle. Neun Tage lang irrte Demeter über die Erde, neun Nächte lang suchte sie, eine Fackel in Händen, nach einer Spur ihrer Tochter. Am zehnten Tag schließlich traf sie Hekate, die ihr über die Entführung berichtete.

Demeter war über den Raub entsetzt, wollte mit den Göttern nichts mehr zu tun haben und verließ den Olymp, verwandelte ihre Gestalt in die einer alten Frau und wanderte so unter den Menschen, die sie nicht erkannten. Demeter befahl den Pflanzen, nicht mehr zu sprießen, und schon bald war alles Land verödet, so dass die Gefahr bestand, dass alle Menschen an Hunger sterben und die Götter allein im Olymp bleiben, ohne die ihnen bislang so angenehmen Opferrauchwolken.

Man sandte Hekate als Vermittlerin zu Hades. Schließlich wurde eine Einigung erzielt, die vorsah, dass Persephone nur einen Teil des Jahres in der Unterwelt weilt. Dementsprechend kommt es zu Winter (wenn Persephone in der Unterwelt regiert) und Sommer (wenn sie bei ihrer Mutter lebt). Hekates Aufgabe war es Persephone jedes Jahr in die Unterwelt zu begleiten und sie auch wieder zurück zu bringen.

Die Bedeutung des Mythos ist eine allegorische Darstellung des Zyklus der Jahreszeiten. In den Eleusinischen Mysterien wurde der Mythos als das Bild der Unsterblichkeit der Seele, aufgefasst und jedes Jahr festlich begangen.
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Eno
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Hekate Kult

Beitrag von Eno »

Als Torgöttin wurde Hekate nicht nur am Aufgang zur Athener Akropolis verehrt, sondern auch in anderen griechischen Städten. In Selinunt wachte Hekate am Heiligtum der Demeter Malophoros. In Eleusis besaß Hekate einen Tempel vor den Toren des Heiligtums und wurde als Propylaia verehrt.

Besonders häufig ist Hekate als Torhüterin aus Kleinasien überliefert. Dort wurden ihre Statuen meist an Stadttoren aufgestellt. Eine Ehreninschrift nennt z. B. einen Kult für Hekate Propylaia in Aphrodisias. In Lagina, wo sich ihr Hauptkultort befand, wurde beim Bau eines neuen Stadttores eine Hekatestatue aufgestellt. Zudem gab es in Lagina eine jährliche Prozession zu Ehren Hekates, „Prozession des Schlüssels“ genannt. Möglich, dass dieser Schlüssel in Verbindung mit Hekates Funktion als Torgöttin zu sehen ist, die damit symbolisch die Tore öffnen oder schließen konnte.

In Milet gab es im 5. Jh. v. Chr. ebenfalls eine Prozession zu Ehren Hekates an den Stadttoren. Auch in anderen Gebieten Griechenlands gibt es Zeugnisse, welche die Funktion Hekates als Wächterin der Stadttore belegen: Auf Rhodos wurde Hekate als Propylaia zusammen mit Hermes Propylaios und Apollon Apotropaios verehrt. In Thasos gab es Hekatekulte an mehreren Stadttoren.

Da die Verehrung von Hekate als Torgöttin zumeist inschriftlich belegt ist, archäologische Spuren der Götterbilder an den jeweiligen Toren jedoch fehlen, kann man keine Aussagen dazu treffen, ob Hekate an den Propyla ein- oder dreigestaltig dargestellt war. Dass es in den genannten Städten dreigestaltige Hekataia gab, zeigen archäologische Funde. Ob diese jedoch gerade an den Stadttoren aufgestellt waren, lässt sich nicht belegen; möglich, dass Hekate hier auch in anderer Form verehrt wurde.

Wie Hermes stand Hekate nicht nur an den Eingängen von Städten oder Heiligtümern sondern auch als Türhüterin vor Königspalästen; nach Aristophanes stand vor jeder athenischen Tür ein Hekataion. Auch hier lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob die Hekataia ein- oder dreigestaltig gebildet waren. Da die Hekate des Aischylos in die Zeit vor der alkamenischen Hekate Epipyrgidia fällt, wird allgemein angenommen, dass sie einfigurig war. Aufgrund der hohen Popularität der alkamenischen Hekate dürfte die Dreiform ab dem letzten Drittel des 5. Jh. v. Chr. dann eine weite Verbreitung erfahren haben. Deshalb ist es sehr gut denkbar, dass Hekate als Türhüterin für Privathäuser in Nachahmung des alkamenischen Hekataions ebenfalls die Dreigestalt besitzen konnte. Ein Votivrelief des 4. Jh. v. Chr. aus dem Athener Asklepieion zeigt, dass Hekate als Prothyra aber auch weiterhin einfigurig geformt sein konnte. Die Dreigestalt der Hekate Epipyrgidia des Alkamenes hatte also nicht zur Folge, dass Hekate in ihrer Funktion als Tor- und Türgöttin generell dreiförmig dargestellt wurde.

Auf der Athener Agora wurde eine große Anzahl kleinformatiger dreigestaltiger Hekataia gefunden, die mit den bei Aristophanes genannten Hekataia vor den Haustüren in Verbindung gebracht werden. Aufgrund ihres kleinen Formates wird eine Aufstellung im privaten Bereich angenommen.

In den antiken Schriftquellen wird über die Rituale, die man zu Ehren der Göttin an den Dreiwegen abhielt, berichtet: Bei Neumond wurden die Bilder der Göttin gereinigt, bekränzt, und man legte an ihnen Mahlzeiten nieder. Nach Philochoros geschah dies in Athen zusätzlich auch bei Vollmond. Diese Mahlzeiten bestanden aus Brot, Kuchen, Eiern, Käse und Fisch. Nach Plutarch wurden die Lebensmittel von reichen und begüterten Leuten bei den Hekatestatuen abgelegt und anstelle und von den Armen verspeist.

Ebenfalls an den Hekataia der Dreiwege wurden tote junge Hunde deponiert, die vorher der Hekate geopfert worden waren; ihre Opferung erfolgte als Reinigungs- oder Sühneopfer. Die Hundewelpen wurden an dem Ort, der gereinigt werden sollte geopfert, meist in privaten häuslichen Aktionen, und dann an den Hekataia der Dreiwege abgelegt. Die Hunde gehörten zum Gefolge der Hekate der Dreiwege und repräsentierten einerseits die Toten, die als Geister unter die Lebenden zurückkehren konnten, andererseits zeigten sie durch ihr Geheul in der Nacht das Erscheinen der Geister an. Damit wurden sie zum Symboltier der gespenstischen Hekate und dementsprechend ihr geopfert.

Neben der Opferung von Hunden wird Hekate mit einem weiteren Reinigungsritus in Verbindung gebracht: dem Besprengen mit Wasser zur symbolischen Reinigung vor dem Betreten eines sakralen Bezirkes. Dazu dienten Zweige, die man in die Hände der Hekataia stecken konnte. Bei der Hekate des Alkamenes waren diese Zweige aus Metall und deuteten nunmehr symbolisch die Forderung nach Reinheit an.

Ebenfalls in Verbindung mit einem Reinigungsritus sind die Fackeln, die Hekate als Attribut in den Händen trägt oder die man neben den Hekataia in den Boden steckte, zu deuten. Sowohl Rauch als auch Feuer waren Reinigungsmittel, die man in Räucherungsriten verwendete.
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Eno
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Bücher zum Thema

Beitrag von Eno »

The Goddess Hekate ed. Stephen Ronan, dabei handelt es sich um eine Sammlung ältere Texte, das Buch bekommt man bei scribd umsonst.

Hekate: Keys to the crossroads Sorita d’Este. Beiträge verschiedener Autoren, die mit Hekate arbeiten. Es lohnt sich die 16,99 EUR anzulegen.

Hekate Liminal Rites Sorita d’Este und David Rankine. Auch ein gutes Buch, aber man braucht nicht unbedingt beide von Sorita d’Este


Hekate Soteira Sarah Iles Johnston, stärker wissenschaftlich orientiert, in jedem Fall auch eine lohnende Investition.

Der Sakrale Schutz von Grenzenim Antiken Griechenland Dissertation von Aletta Seiffert enthält auch ein kleines Kapitel zu Hekate, welches sehr informativ ist.


Hecate’s Fountain Kenneth Grant. Ein eher exzentrischer Ansatz, der mir nicht so zusagte, der aber sicher auch seine Berechtigung hat.

Hekate: Die dunkle Göttin Thomas Lautwein. Von dem Buch kann ich nur abraten. Ist zwar das einzige neuere Buch auf Deutsch zu dem Thema, aber der Herr Lautwein schreibt sonst über Buddhismus (und die Bücher taugen auch nichts). Ein typischer Eso-Schwafler, der alles mit viel Licht & Liebe in einen Topf wirft und kräftig umrührt.
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Eno
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Re: Hekate

Beitrag von Eno »

Das war erstmal der mehr "historische" Teil, der magische Teil folgt wenn ich wieder Zeit habe.

Gruß
Eno
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Azazel
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Re: Hekate

Beitrag von Azazel »

Sehr gut - wirklich gut aufbereitet und sehr interessant!
Mi+

Re: Hekate

Beitrag von Mi+ »

Das Buch von Johnston liegt schon länger auf meinem Stapel der unbedingt zu lesenden Büchern. Bin etwa zur Hälfte durch.
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whitestorm
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Re: Hekate

Beitrag von whitestorm »

tolle Arbeit - danke Eno
Niveau sieht von unten immer wie Arroganz aus.
"Man kann vieles unbewusst wissen, indem man es nur fühlt aber nicht weiß." F.M.Dostojewski
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khezef
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Re: Hekate

Beitrag von khezef »

Herzlichen Dank Eno
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triyann
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Re: Hekate

Beitrag von triyann »

Dann schlage ich vor, Eno etwas Zeit zu schenken. Damit sie diese zur Verfügung hat, über die Magie zu schreiben. Bin interessiert und gespannt.

Der Dank gehört ihr für die Arbeit, Hekate so umfangreich und verständlich zu erklären.

Liebe Grüße, Triyann
...so ist weniger entscheidend, was der Lernende vom Lehrenden lernt, sondern der Lehrende vom Lernenden...