Hassen im Namen des Herrn
Von Roman Heflik
Hurrikan "Katrina" ist für ihn ein Geschenk Gottes, die US-Gefallenen im Irak nennt er Schwuchteln und Aids eine gerechte Strafe: Der amerikanische Hass-Prediger Fred Phelps hat mit bizarren Aktionen nicht nur eine Protestwelle losgetreten, sondern auch eine Verfassungsdebatte.
Hamburg - Es war der 12. April, als Marcus S. Glimpse starb. Der Marineinfanterist aus Kalifornien war erst 22 Jahre alt, als ihn irgendwo im Irak ein Sprengsatz tötete. An diesem Tag verloren noch zwei weitere US-Soldaten ihr Leben. "Gott sei dank: drei weitere Tote", hieß es prompt auf einer Website. "Wir wünschten, es wären 3000 mehr."
AP
Prediger Phelps, bei einem seiner Auftritte: "Keine Sonderrechte für Schwuchteln"
Keine Qaida-Zelle steckte hinter dem Todeswunsch im Internet, sondern ein Mann aus dem Bundesstaat Kansas: Fred Phelps ist 76 Jahre alt, 13-facher Vater, Baptisten-Prediger und wohl einer der meist gehassten Männer der Vereinigten Staaten.
Zusammen mit den Mitgliedern seiner etwa 80-köpfigen Gemeinde steuert der Reverend Friedhöfe an, auf denen gerade Soldatenbegräbnisse stattfinden. Doch der Leiter der Westboro Baptist Church (WBC) aus Topeka kommt nicht, um den Toten seine Ehre zu erweisen. Stattdessen halten seine Begleiter große, bunte Schilder hoch: "Gott hasst Schwuchteln" steht auf einigen von ihnen oder auch "Danke, Gott, für die toten Soldaten". Den Trauernden brüllen sie zu: "Der verrottet in der Hölle!"
Nach Meinung der WBC haben sich die toten Soldaten der größten aller Sünden schuldig gemacht: für ein Land zu kämpfen, das Homosexualität fördere und dafür von Gott verflucht worden sei. "They turned America over to fags; They're coming home in body bags" lautet einer ihrer Reime - "Sie haben Amerika an die Schwuchteln ausgeliefert, jetzt kommen sie im Leichensack zurück". Katastrophen wie der 11. September oder Hurrikan "Katrina" seien Gottes Strafen für die Homosexualität, verkündet die Kirche und fordert die Todesstrafe auf die gleichgeschlechtliche Liebe.
Die Zahl der bizarren Begräbnis-Auftritte der Radikal-Baptisten geht inzwischen wohl in die Hunderte. Die WBC brüstet sich mit insgesamt 22.000 Protestaktionen. Den Bundesstaaten fehlten bislang die gesetzlichen Grundlagen, um gegen die Schmähungen vorgehen zu können. Die US-Armee warnte daher ihre Kommandeure in einem Rundschreiben: "Diese Gruppe wendet passiv-aggressive Techniken an, um eine feindselige Reaktion zu provozieren." Der Aggressor werde dann meist von den Hass-Predigern verklagt.
"Geisteskranker Hass auf Homosexuelle"
Der Zorn über deren ebenso unpatriotisches wie pietätloses Verhalten wächst derweil: "Die Phelps-Familie protestiert ja noch nicht mal gegen den Krieg", ärgert sich Jerry Newberry, der Sprecher eines Veteranenverbandes in einem Interview mit dem Fernsehsender MSNBC. "Geisteskranker Hass auf Homosexuelle" sei das einzige Motiv. "'Widerlich' und 'verachtenswert' drücken nicht angemessen aus, was ich gegenüber dieser Familie empfinde", zitiert die "New York Times" Steve Buyer, einen republikanischen Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses. Buyer will mit einer Gesetzesvorlage Demonstrationen in der Nähe von Bundesfriedhöfen regeln. Im Mai soll der Entwurf vom Kongress verabschiedet werden.
Die einzelnen Bundesstaaten sind schon weiter als Washington: In den vergangenen Monaten haben neun von ihnen Gesetze erlassen, die Proteste bei Bestattungen nur eingeschränkt zulassen oder eine Bannmeile von einigen hundert Metern rund um die Friedhöfe vorschreiben. In 23 weiteren Staaten sind ähnliche Regeln geplant.
Doch es regt sich auch Widerstand. Die Amerikanische Union für Bürgerrechte (ACLU) kündigte bereits an, man werde die neuen Gesetze daraufhin überprüfen, ob nun auch andere Demonstrationen willkürlich verboten werden könnten. Die ACLU ist besorgt, dass die Redefreiheit, vom ersten Verfassungszusatz garantiert, ausgehöhlt wird.
Zivilklagen als Einkommensquelle?
Auch ein Kommentator der "Chicago Tribune" zeigte sich skeptisch: "Abscheu und Wut sind keine Grundlage für eine gesunde Gesetzgebung." Schließlich, argumentierte der Verfasser, entsetze die Ausübung der absoluten Redefreiheit immer wieder die Menschen: "Ku-Klux-Klan-Versammlungen beleidigen Schwarze, Nazi-Aufmärsche Juden und 'Gay-Pride'-Paraden konservative Christen." Und der erste Verfassungszusatz mache auch vor Militärbegräbnissen nicht halt. Republikaner Buyer widerspricht: "Man hat das Recht darauf, einen geliebten Menschen in Frieden zu beerdigen."
Manche WBC-Kenner fürchten nun, dass man mit den neuen Gesetzen der Prediger-Sippe in die Hände spielt: Vor elf Jahren hatte die WBC nach eigenen Angaben den Bundesstaat Kansas wegen einer ähnlichen Regelung verklagt und 100.000 Dollar Entschädigung kassiert. Gerüchten zufolge stellen solche Zivilklagen eine wesentliche Einkommensquelle des Clans dar: Elf Kinder von Phelps sind Rechtsanwälte. Auch der Prediger selbst hatte früher als Advokat gearbeitet, die Rechtsanwaltskammer schloss ihn jedoch wegen ungebührlichen Verhaltens von der Mitgliedschaft aus.
Ganz unjuristisch haben dagegen einige Motorrad fahrende US-Veteranen das Problem angepackt: Die Gruppe, die sich selbst "Patriot Guard Riders" nennt, taucht jetzt überall da auf, wo die WBC-Leute demonstrieren. Die Rocker-Veteranen schieben sich vor die Trauergemeinde und schirmen sie vor den Demonstranten ab - der erste Verfassungszusatz erlaubt es ihnen.
Quelle : undefined://www.spiegel.de/panorama/0,1518,412301,00.html
Es lebe Amerika
