Gedichte von Dichtern die euch gefallen

Hier kann alles nicht-dämonische gepostet werden

Moderator: gabor

Benutzeravatar
Akasha
Beiträge: 216
Registriert: 29. Nov 2005 19:20
Wohnort: Wer keine Angst vorm Teufel hat, der braucht auch keinen Gott

Gedichte von Dichtern die euch gefallen

Beitrag von Akasha »

Hey, was haltet ihr davon wenn wir hier mal die Gedichte zusammentragen die uns gefallen? Also von anderen Dichtern, keine selbstgeschriebenen.
Würde mich freuen wenn jemand mit macht.

Dunkle Grüße

Akasha
Nicht jeder der ein umgedrehtes Kreuz oder Pentagramm trägt ist Satanist.
Gast

Beitrag von Gast »

Die Braut von Korinth

Nach Korinthus von Athen gezogen
Kam ein Jüngling, dort noch unbekannt.
Ein Bürger hofft´ er sich gewogen:
Beide Väter waren gastverwandt,
Hatten frühe schon
Töchterchen und Sohn
Braut und Bräutigam voraus genannt.

Aber wird er auch willkommen scheinen,
Wenn er teuer nicht die Gunst erkauft?
Er ist noch ein Heide mit den Seinen,
Und sie sind schon Christen und getauft.
Keimt ein Glaube neu,
Wird oft lieb und treu
Wie ein böses Unkraut ausgerauft.

Und schon lag das ganze Haus im Stillen,
Vater, Töchter, nur die Mutter wacht.
Sie empfängt den Gast mit bestem Willen,
Gleich ins Prunkgemach wird er gebracht.
Wein und Essen prangt,
Eh er es verlangt:
So versorgend wünscht sie Gute Nacht.

Aber bei dem wohlbestellten Essen
Wird die Lust der Speise nicht erregt;
Müdigkeit läßt Speiß und Trank vergessen,
Daß er angekleidet sich aufs Bette legt,
Und er schlummert fast,
Als ein seltener Gast
Sich zur offnen Tür hereinbewegt.

Denn er sieht, bei seiner Lampe Schimmer
Tritt, mit weißem Schleier und Gewand,
Sittsam still ein Mädchen in das Zimmer,
Um die Stirn ein schwarz- und goldnes Band.
Wie sie ihn erblickt,
Hebt sie, die erschrickt,
Mit Erstaunen eine weiße Hand.

Bin ich, rief sie aus, so fremd im Hause,
Daß ich von dem Gaste nichts vernahm?
Ach, so hält man mich in meiner Klause!
Und nun überfällt mich hier die Scham.
Ruhe nur so fort
Auf dem Lager dort,
Und ich gehe schnell, so wie ich kam.-

Bleibe, schönes Mädchen! ruft der Knabe,
Rafft von seinem Lager sich geschwindt,
Hier ist Ceres`, hier ist Bacchus`Gabe,
Und du bringst den Amor, liebes Kind!
Bist vor Schrecken blaß!
Liebe, komm und laß,
Laß uns sehn, wie froh die Götter sind!-

Ferne bleib, o Jüngling, bleibe stehen!
Ich gehöre nicht den Freuden an.
Schon der letzte Schritt ist, ach! geschehen
Durch dere guten Mutter kranken Wahn,
Die genesend schwur,
Jugend und Natur
Sei dem Himmel künftig untertan.

Und der alten Götter bunt Gewimmel
Hat sogleich das stille Haus gellert.
Unsichtbar wird Einer nur im Himmel
Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt;
Opfer falen hier,
Weder Lamm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört!

Und er fragt und wäget alle Worte,
Deren keines seinem Geist entgeht:
Ist es möglich, daß am stillen Orte
Die geliebte Braut hier vor mir steht?
Sei die Meine nur!
Unser Väter Schwur
Hat vom Himmel Segen uns erfleht.-

Mich erhälst du nicht, du gute Seele!
Meiner zweiten Schwester gönnt man dich.
Wenn ich mich in stiller Klause quäle,
Ach! in ihren Armen denk an mich,
Die an dich nur denkt,
Die sich liebend kränkt:
In die Erde bald verbirgt sie sich.-

Nein! bei dieser Flamme seis geschworen,
Gütig zeigt sie Hymen uns voraus:
Bist der Freude nicht und mir verloren,
Kommt mit mir in meines Vaters Haus.
Liebchen, bleibe hier!
Feire gleich mit mir
Unerwartet unsern Hochzeitsschmaus!

Und schon wechseln sie der Treue Zeichen:
Golden reicht sie ihm die Kette dar,
Und er will ihr eine Schale reichen,
Silbern, künstlich, wie nicht eine war.
Die ist nicht für mich;
Doch, ich bitte dich,
Eine Locke gib von deinem Haar!

Eben schlug die dumpfe Geisterstunde,
Und nun schien es ihr erst wohl zu sein.
Gierig schlürfte sie mit blassem Munde
Nun den dunkel blutgefärbten Wein;
Doch vom Weizenbrot,
das er freundlich bot,
Nahm sie nich den kleinsten Bissen ein.

Und dem Jüngling reichte sie die Schale,
Der, wie sie, nun hastig lüstern trank.
Liebe fordert er beim stillen Mahle:
Ach, sein armes Herz war liebekrank!
Doch sie wiedersteht,
Wie er immer fleht,
Bis er weinend auf das Bette sank.

Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder:
Ach, wie ungern seh ich dich gequält!
Aber, ach! berühst du meine Glieder,
Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt:
Wie der Schnee so weiß,
Aber kalt wie Eis
Ist das Liebchen, das du dir erwählt!

Heftig faßt er sie mit starken Armen,
Von der Liebe Jugendkraft durchmannt:
Hoffe doch, bei mir noch zu erwarmen,
wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt!
Wechselhauch und Kuß!
Liebesüberfluß!
Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt?

Liebe schließet fester sie zusammen,
Tränen mischen sich in ihre Lust;
Gierig saugt sie seine Mundes Flammen,
Eins ist nur im andern sich bewusst.
Seine Liebeswut
Wärmt ihr starres Blut;
Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.

Unterdessen schleichet auf dem Gange
Häuslich spät die Mutter noch vorbei,
Horchet an der Tür und horchet lange,
Welch ein sonderbarer Ton es sei:
Klang- und Wonnelaut
Bräutigams und Braut
Und des Liebesstammeins Raserei.

Unbeweglich bleibt sie an der Türe,
Weil sie erst sich überzeugen muß,
Und sie hört die höchsten Liebesschwüre,
Lieb und Schmeichelworte mit Verdruß:
Still! der Hahn erwacht! -
Aber morgen Nacht
Bist du wieder da? - und Kuß auf Kuß.

Länger hält die Mutter nicht das Zürnen,
Öffnet das bekannte Schloß geschwind:
Gibt es hier im Hause solche Dirnen,
Die dem Fremden gleich zu Willen sind?
So zur Tür hinein.
Bei der Lampe Schein
Sieht sie - Gott! sie sieht ihr eigen Kind.

Und der Jüngling will im ersten Schrecken
Mit des Mädchen eignem Schleierflor,
Mit dem Teppich die Geliebte decken;
Doch sie windet gleich sich selbst hervor.
Wie mit Geists Gewalt
Hebet die Gestalt
Lang und langsam sich im Bett empor.

Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte,
So missgönnt ihr mir die schöne Nacht?
Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte!
Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?
Ists euch nicht genug,
Das ins Leichentuch,
Das ihr für mich in das Grab gebracht?

Aber aus der schwerbedeckten Enge
Treibet mich ein eigenes Gericht.
Eurer Priester summende Gesänge
Und ihr Segen haben kein Gewicht;
Salz und Wasser kühlt
Nicht, wo Jugend fühlt,
Ach, die Erde kühlt die Liebe nicht!

Dieser Jüngling war mir erst versprochen,
Als noch Venus´heitrer Tempel stand.
Mutter, habt Ihr doch das Wort gebrochen,
Weil ein fremd, ein falsch Gelübd Euch band!
Doch kein Gott erhört,
Wenn die Mutter schwört,
Zu versagen ihrer Tochter Hand.

Aus dem Grab werd ich ausgetrieben,
Noch zu suchen das vermißte Gut,
Noch den schon verlornen Mann zu lieben
Und zu saugen seines Herzens Blut.
Ists um den geschehn,
Muß nach andern gehn,
Und das junge Volk erliegt der Wut.

Schöner Jüngling, kannst nicht länger leben,
Du versiechest nun an diesem Ort!
Meine Kette habe ich dir gegeben,
Deine Locke nehm ich mit mir fort:
Sie sie an genau!
Morgen bist du grau,
Und nur braun erscheinst du wieder dort.

Höre, Mutter, nun die letzte Bitte:
Einen Scheiterhaufen schichte du!
Öffne meine bange, kleine Hütte,
Bring in Flammen Liebende zur Ruh!
Wenn der Funke sprüht,
Wenn die Asche glüht,
Eilen wir den alten Göttern zu.


von Johann Wolfgang von Goethe
Benutzeravatar
Akasha
Beiträge: 216
Registriert: 29. Nov 2005 19:20
Wohnort: Wer keine Angst vorm Teufel hat, der braucht auch keinen Gott

Beitrag von Akasha »

Das gerade war ich.

Dunkle Grüße

Akasha
Nicht jeder der ein umgedrehtes Kreuz oder Pentagramm trägt ist Satanist.
Noriel de Morville
Beiträge: 1653
Registriert: 30. Sep 2005 19:19

Beitrag von Noriel de Morville »

Charles Baudelaire - Les fleurs du mal- Danse Macabre

An Ernest Christophe

Stolz wie die Lebenden auf ihre edle Haltung,
Bewegt sie lässig sich mit Handschuh und Bukett
Und zeigt die Sicherheit graziöser Unterhaltung,
Die magren Schönen liegt, extravagant, kokett.

Sah je auf einem Ball man schlankere Gestalten?
Das überreiche Kleid, von grellem Prunk erdrückt,
Fällt auf den Knochenfuss in königlichen Falten,
Den zierlich, blumengleich das Flitterschuhwerk schmückt.

Und wie ein üppiger Bach sich reibt an Felsenhängen,
So rieseln Spitzen keck aufs magre Schlüsselbein
Und schliessen züchtig vor dem losen Spott der Mengen
Die tief verborgnen, dunklen Reize ein.

Die Augenhöhlen sind voll Finsternis und Leere,
Der Schädel, grauenvoll mit Blumen aufgestutzt,
Schwankt auf dem Wirbelbein in kraftlos matter Schwere.
– O Zauber eines Nichts, voll Wahnsinn aufgeputzt!

Gar manche werden dich ein tolles Zerrbild nennen,
Die nur vom Fleisch berauscht, der Schönheit nicht bewusst
Des menschlichen Gebeins, und seinen Reiz nicht kennen.
Mir, herrliches Skelett, gibst du die höchste Lust.

Flohst, fratzenhaft Gebild, du deine trübe Sippe,
Zu stören unser Fest? Spornt alter Wünsche Gier
Noch immer dich und stösst dein lebendes Gerippe,
Leichtgläubige, zum Rausch des Freudensabbats hier?

Hoffst du beim Geigenklang, beim Flackerlicht der Kerzen
Dem Albdruck zu entfliehn und bittrer Träume Qual?
Hoffst du der Hölle Brand zu kühlen dir im Herzen
Im Wirbelsturm der Lust beim tollen Bacchanal?

O Bronnen unerschöpft des Lasters und des Leides!
Der Narrheit alter Quell, an Reinheit unerreicht!
Noch immer sehe ich durchs Gitterwerk des Kleides
Die alte Schlange, die den Busen dir umschleicht.

Doch fürcht' ich, dass dein Reiz, die Wahrheit zu gestehen,
Den Preis nicht findet, wert so vieler Müh' und List;
Wer von den Sterblichen wird deinen Scherz verstehen?
Des Schauders Rausch liebt nur, wer starken Geistes ist.

Der Abgrund deines Blicks voll fürchterlichem Grauen
Haucht tollen Wahnsinn aus. Und, welchen du gewinnst
Ein jeder Tänzer wird voll wilden Ekels schauen
Das ewige Lächeln, das aus deinen Zahnreihn grinst.

Doch wessen Arm umschlang nicht liebend schon Skelette?
Wer naschte nie am Tod, hat nie im Graun gewühlt?
Was kümmert mich Geruch, was Antlitz und Toilette?
Wer sich geekelt zeigt, zeigt, dass er schön sich fühlt.

Tänzerin nasenlos, du hohle Holde, winke
Der Tänzer Schar heran und sprich, wenn sie sich ziert:
»Ihr stolzen Liebchen, trotz des Puders und der Schminke
Haucht Grabesdunst ihr aus! Skelette parfümiert,

Verwelkte Gecken ihr und greisenhafte Junge,
Du übermalt Gebein, du altersgrauer Fant,
Des Weltalls Totentanz mit ungeheurem Schwunge
Er reisst auch euch hinweg zu Stätten nie gekannt.

Am kalten Seinestrand, an heissen Gangeswellen
Spreizt sich die Menschheit stolz und fühlt und ahnt es nicht.
Dass das Gewölk schon klafft, dass die Posaunen gellen.
Der finstre Engel ruft zum letzten Weltgericht.

Wo deine Sonne scheint, wird dich der Tod umgirren.
Lächerlich Menschenvolk, in deiner Raserei,
Oft salbt er sich wie du den Leib mit duftigen Myrrhen
Und mischt so seinen Hohn noch deinem Wahnsinn bei.«1
Benutzeravatar
Kurai
Beiträge: 388
Registriert: 27. Feb 2006 21:02
Wohnort: Freunde werden sehr schnell Feinde
Kontaktdaten:

Beitrag von Kurai »

Mein liebes Mägdchen glaubet

Mein liebes Mägdchen glaubet
Beständig steif und feste,
An die gegebnen Lehren
Der immer frommen Mutter;
Als Völker an der Theyse
An tödliche Vampire
Heydukisch feste glauben.
Nun warte nur Christianchen,
Du willst mich gar nicht lieben;
Ich will mich an dir rächen,
Und heute in Tockayer
Zu einen Vampir trinken.
Und wenn du sanfte schlummerst,
Von deinen schönen Wangen
Den frischen Purpur saugen.
Alsdenn wirst du erschrecken,
Wenn ich dich werde küssen
Und als ein Vampir küssen:
Wann du dann recht erzitterst
Und matt in meine Arme,
Gleich einer Todten sinkest
Alsdenn will ich dich fragen,
Sind meine Lehren besser,
Als deiner guten Mutter?

von Heinrich August Ossenfelder
Die Schatten kommen, die Schatten gehen,
doch NIEMALS wirst das Licht du seh´n.
Benutzeravatar
Akasha
Beiträge: 216
Registriert: 29. Nov 2005 19:20
Wohnort: Wer keine Angst vorm Teufel hat, der braucht auch keinen Gott

Beitrag von Akasha »

Darfst du bei Nacht und bei Tag

Darfst du bei nacht und bei Tag
Fordern dein Teil noch - du schatten
All meinen freuden dich gatten -
Raum von jedem ertrag?

Bringt noch dein saugen mir lust
Der du das erz aus mir schürftest -
Der du den wein aus mir schlürftest -
Schaudr ich noch froh beim verlust?

Ob ich nun satt deiner qual
Mit meinen spendungen karge?
Zwing ich dich nieder im sarge -
Treib ich ins herz dir den pfahl?

Stefan George
Nicht jeder der ein umgedrehtes Kreuz oder Pentagramm trägt ist Satanist.
Benutzeravatar
Akasha
Beiträge: 216
Registriert: 29. Nov 2005 19:20
Wohnort: Wer keine Angst vorm Teufel hat, der braucht auch keinen Gott

Beitrag von Akasha »

Heimweg

Nacht aus Schlüsselblumen
und verwunschnem Klee,
feuchte mir die Füße,
das ich leichter geh.

Der Vampir im Rücken
übt den Kinderschritt,
und ich hör ihn atmen,
wenn er kreuzweis tritt.

Folgt er mir schon lange?
Hab ich wen gekränkt?
Was mich retten könnte,
ist noch nicht verschenkt.

Wo die Halme Zelten
um den Felsenspund,
bricht er aus der Quelle
altem, klaren Mund:

"Um nicht zu verderben,
bleib nicht länger aus,
hör das Schlüsselklirren,
komm ins Wiesenhaus!

Reinen Fleisches wird sterben,
wer es nicht mehr liebt,
über Rausch und Trauer
nur mehr Nachricht gibt."

Mit der Kraft des Übels,
das mich niederschlug,
weitet seine Schwinge
der Vampir im Flug,

hebt die tausend Köpfe,
Freund- und Feindgesicht,
vom Saturn beschattet,
der den Ring zerbricht.

Ist das Mal gerissen
in die Nackenhaut,
öffnen sich die Türen
grün und ohne Laut.

Und die Wiesenschwelle
glänzt von meinem Blut.
Deck mir, Nacht, die Augen
mit dem Narrenhut.

Ingeborg Bachmann
Nicht jeder der ein umgedrehtes Kreuz oder Pentagramm trägt ist Satanist.
Noriel de Morville
Beiträge: 1653
Registriert: 30. Sep 2005 19:19

Beitrag von Noriel de Morville »

Meister Schiller

Der Taucher

"Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp,
Zu tauchen in diesen Schlund?
Einen goldnen Becher werf ich hinab,
Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.
Wer mir den Becher kann wieder zeigen,
Er mag ihn behalten, er ist sein eigen."

Der König spricht es und wirft von der Höh
Der Klippe, die schroff und steil
Hinaushängt in die unendliche See,
Den Becher in der Charybde Geheul.
"Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
Zu tauchen in diese Tiefe nieder?"

Und die Ritter, die Knappen um ihn her
Vernehmen's und schweigen still,
Sehen hinab in das wilde Meer,
Und keiner den Becher gewinnen will.
Und der König zum drittenmal wieder fraget:
"Ist keiner, der sich hinunter waget?"

Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor,
Und ein Edelknecht, sanft und keck,
Tritt aus der Knappen zagendem Chor,
Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg,
Und alle die Männer umher und Frauen
Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.

Und wie er tritt an des Felsen Hang
Und blickt in den Schlund hinab,
Die Wasser, die sie hinunterschlang,
Die Charybde jetzt brüllend wiedergab,
Und wie mit des fernen Donners Getose
Entstürzen sie schäumend dem finstern Schosse.

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,
Und Flut auf Flut sich ohn Ende drängt,
Und will sich nimmer erschöpfen und leeren,
Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.

Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt,
Und schwarz aus dem weissen Schaum
Klafft hinunter ein gähnender Spalt,
Grundlos, als ging's in den Höllenraum,
Und reissend sieht man die brandenden Wogen
Hinab in den strudelnden Trichter gezogen.

Jetzt schnell, eh die Brandung wiederkehrt,
Der Jüngling sich Gott befiehlt,
Und - ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört,
Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült,
Und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer
Schliesst sich der Rachen, er zeigt sich nimmer.

Und stille wird's über dem Wasserschlund,
In der Tiefe nur brauset es hohl,
Und bebend hört man von Mund zu Mund:
"Hochherziger Jüngling, fahre wohl!"
Und hohler und hohler hört man's heulen,
Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen.

Und wärfst du die Krone selber hinein
Uns sprächst: Wer mir bringet die Kron,
Er soll sie tragen und König sein -
Mich gelüstete nicht nach dem teuren Lohn.
Was die heulende Tiefe da unter verhehle,
Das erzählt keine lebende glückliche Seele.

Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel gefasst,
Schoss jäh in die Tiefe hinab,
Doch zerschmettert nur rangen sich Kiel und Mast,
Hervor aus dem alles verschlingenden Grab.-
Und heller und heller, wie Sturmes Sausen,
Hört man's näher und immer näher brausen.

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,
Und Well auf Well sich ohn Ende drängt,
Und wie mit des fernen Donners Getose
Entstürzt es brüllend dem finstern Schosse.

Und sieh! aus dem finster flutenden Schoss,
Da hebet sich's schwanenweiss,
Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloss,
Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiss,
Und er ist's, und hoch in seiner Linken
Schwingt er den Becher mit freudigem Winken.

Und atmete lang und atmete tief
Und begrüsste das himmlische Licht.
Mit Frohlocken es einer dem andern rief:
"Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht!
Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle
Hat der Brave gerettet die lebende Seele."

Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar,
Zu des Königs Füssen er sinkt,
Den Becher reicht er ihm kniend dar,
Und der König der lieblichen Tochter winkt,
Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande,
Und der Jüngling sich also zum König wandte:

"Lange lebe der König! Es freue sich,
Wer da atmet im rosigten Licht!
Da unten aber ist's fürchterlich,
Und der Mensch versuche die Götter nicht
Und begehre nimmer und nimmer zu schauen,
Was sie gnädig bedeckten mit Nacht und Grauen.

Es riss mich hinunter blitzesschnell -
Da stürzt mir aus felsigtem Schacht
Wildflutend entgegen ein reissender Quell:
Mich packte des Doppelstroms wütende macht,
Und wie einen Kreisel mit schwindendelm Drehen
Trieb mich's um, ich konnte nicht widerstehen.

Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief
In der höchsten schrecklichen Not,
Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff,
Das erfasst ich behend und entrann dem Tod -
Und da hing auch der Becher an spitzen Korallen,
Sonst wär er ins Bodenlose gefallen.

Denn unter mir lag's noch, bergetief,
In purpurner Finsternis da,
Und ob's hier dem Ohre gleich ewig schlief,
Das Auge mit Schaudern hinuntersah,
Wie's von Salamandern und Molchen und Drachen
Sich regt' in dem furchtbaren Höllenrachen.

Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch,
Zu scheusslichen Klumpen geballt,
Der stachligte Roche, der Klippenfisch,
Des Hammers greuliche Ungestalt,
Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne
Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne.

Und da hing ich und war's mit Grausen bewusst
Von der menschlichen Hilfe so weit,
Unter Larven die einzige fühlende Brust,
Allein in der grässlichen Einsamkeit,
Tief unter dem Schall der menschlichen Rede
Bei den Ungeheuern der traurigen Öde.

Und schaudernd dacht ich's, da kroch's heran,
Regte hundert Gelenke zugleich,
Will schnappen nach mir - in des Schreckens Wahn
Lass ich los der Koralle umklammerten Zweig;
Gleich fasst mich der Strudel mit rasendem Toben,
Doch es war mir zum Heil, er riss mich nach oben."

Der König darob sich verwundert schier
Und spricht: "Der Becher ist dein,
Und diesen Ring noch bestimm ich dir,
Geschmückt mit dem köstlichsten Edelgestein,
Versucht du's noch einmal und bringt mir Kunde,
Was du sahst auf des Meeres tiefunterstem Grunde."

Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,
Und mit schmeichelndem Munde sie fleht:
"Lasst, Vater, genug sein das grausame Spiel!
Er hat Euch bestanden, was keiner besteht,
Und könnt Ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen,
So mögen die Ritter den Knappen beschämen."

Drauf der König greift nach dem Becher schnell,
In den Strudel ihn schleudert hinein:
"Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell,
So sollst du der trefflichste Ritter mir sein
Und sollst sie als Ehegemahl heut noch umarmen,
Die jetzt für dich bittet mit zartem Erbarmen."

Da ergreift's ihm die Seele mit Himmelsgewalt,
Und es blitzt aus den Augen ihm kühn,
Und er siehet erröten die schöne Gestalt
Und sieht sie erbleichen und sinken hin -
Da treibt's ihn, den köstlichen Preis zu erwerben,
Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben.

Wohl hört man die Brandung, wohl kehrt sie zurück,
Sie verkündigt der donnernde Schall -
Da bückt sich's hinunter mit liebendem Blick:
Es kommen, es kommen die Wasser all,
Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,
Den Jüngling bringt keines wieder.
Darona
Moderatorin im Ruhestand
Beiträge: 617
Registriert: 16. Jun 2005 22:22
Wohnort: Ein Tag ohne lächeln ist ein verlorener Tag

Beitrag von Darona »

Der Zauberlehrling

Hat der alte Hexenmeister
Sich noch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort' und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu ich Wunder auch.

Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.

Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
Bist schon lange Knecht gewesen:
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopf,
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf!

Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.

Seht, er läuft zum Ufer nieder,
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!

Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! -
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!

Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein.

Nein, nicht länger
Kann ichs lassen;
Will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!

O, du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
Steh doch wieder still!

Willsts am Ende
Gar nicht lassen?
Will dich fassen,
Will dich halten
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten.

Seht da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
Gleich, o Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich, brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich atme frei!

Wehe! wehe!
Beide Teile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
Und sie laufen! Naß und nässer
Wirds im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! -
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
Werd ich nun nicht los.

In die Ecke,
Besen, Besen!
Seids gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur zu diesem Zwecke,
Erst hervor der alte Meister.

von Johann Wolfgang von Goethe
Benutzeravatar
Kurai
Beiträge: 388
Registriert: 27. Feb 2006 21:02
Wohnort: Freunde werden sehr schnell Feinde
Kontaktdaten:

Beitrag von Kurai »

Helena

Du hast mich beschworen aus dem Grab
Durch deinen Zauberwillen,
Belebtest mich mit Wollustgut-
Jetzt kannst du die Glut nicht stillen.

Preß deinen Mund an meinen Mund,
Der Menschen Odem ist göttlich!
Ich trinke deine Seele aus,
Die Toten sin unersättlich.

von Heinrich Heine
Die Schatten kommen, die Schatten gehen,
doch NIEMALS wirst das Licht du seh´n.
Schwarze Witwe

Beitrag von Schwarze Witwe »

Was hindert mich loszuschreien
Jana mit den zwei Gesichtern
wechselnd im Mondlicht?
Wie kann ich schreien
ganz allein?
Ich bin die Hirschkuh und ihre Jägerin.
Ich bin die Gehörnte, der ich mich hingebe
und der Fraß für die Fressende bin ich.
Ist es der Mangel an Mut für eine ewige Sekunde
so unermesslich einsam zu sein,
der mich den immerwährenden Mord
an meiner wahren Gestalt begehen lässt?
Oder die Furcht
Ich könnte das Erschrecken der anderen
noch weniger ertragen
als mein tägliches Verleugnen?

Die größte Sehnsucht meines Lebens
mich bemerkbar zu machen
mit diesem Schrei
liegt in den starken Armen meiner
Jahrtausende alten Angst.

Wie kann ich schreien
wenn ich mir selbst die Hand auf den Mund lege
um eben nicht loszuschreien
beim Anblick meiner Blutspur
die sich durch alle Äonen zieht.

Die Naht ist zwischen den Welten und Köpfen
und überall in jede Richtung zeigen.

Jana Diana Inanah steht mir bei
wenn ich die Augen öffne
die Hand von meinem Mund nehme
und zu schreien beginne.

(U. Manna Schiran)
Noriel de Morville
Beiträge: 1653
Registriert: 30. Sep 2005 19:19

Beitrag von Noriel de Morville »

Ophelia - Arthur Rimbaud

I.
Auf stiller, dunkler Flut, im Widerschein der Sterne,
geschmiegt in ihre Schleier, schwimmt Ophelia bleich,
sehr langsam, einer großen weißen Lilie gleich.
Jagdrufe hört man aus dem Wald verklingen ferne.

Schon mehr als tausend Jahre sind es,
daß sie, ein bleich Phantom, die schwarze Flut hinzieht,
und mehr als tausend Jahre flüstert schon sein Lied
ihr sanfter Wahnsinn in den Hauch des Abendwindes.

Die Lüfte küssen ihre Brüste sacht und bauschen
zu Blüten ihre Schleier, die das Wasser wiegt.
Es weint das Schilf, das sich auf ihre Schulter biegt.
Die Weiden über ihrer hohen Stirne rauschen.

Im Schlummer einer Erle weckt sie hin und wieder
Ein Nest, aus dem ein kleines Flügelflattern schlägt.
Die Wasserrosen seufzen, wenn sie sie bewegt.
Ein Weiheklang fällt von den goldnen Sternen nieder.

II.
Ophelia, bleiche Jungfrau, wie der Schnee so schön,
die du, ein Kind noch, starbst in Wassers tiefem Grunde:
weil dir von rauher Freiheit ihre leise Kunde
die Stürme gaben, die von Norwegs Gletschern wehn.

Weil fremd ein Föhn, der dir die Haare peitschte, kam
Und Wundermär in deinen Träumersinn getragen;
weil in dem Seufzerlaut der Bäume und im Klagen
der Nacht dein Herz die Stimme der Natur vernahm.

Weil wie ein ungeheures Röcheln deinen Sinn,
den süßen Kindersinn, des Meeres Schrei gebrochen;
weil schön und bleich ein Prinz, der nicht ein Wort gesprochen,
im Mai, ein armer Narr, dir saß zu deinen Knien.

Von Liebe träumtest du, von Freiheit, Seligkeit;
du gingst in ihnen auf wie leichter Schnee im Feuer.
Dein Wort erwürgten deiner Träume Ungeheuer.
Dein blaues Auge löschte die Unendlichkeit.

III.
Nun sagt der Dichter, daß im Schoß der Nacht du bleich
die Blumen, die du pflücktest, suchst, in deine Schleier
gehüllt, dahinziehst auf dem dunklen, stillen Weiher,
im Schein der Sterne, einer großen Lilie gleich.
Benutzeravatar
whitestorm
Co-Admin
Co-Admin
Beiträge: 3668
Registriert: 13. Jun 2005 14:43
Religionszugehörigkeit: kann man das essen
Wohnort: Magie ohne Gefühle ist wie ein Drache ohne sein Feuer!

Beitrag von whitestorm »

Pablo Neruda - An den Sohn (gibts auch in der Tochterversion :-) )

An den Sohn

Ach, Sohn weisst du denn, weisst du,
von wo du kommst?

Von einem See mit weissen,
hungrig kreischenden Möwen.

Am winterlichen Wasser,
da entfachten wir, sie und
ich, ein rotes Geloder,
verschlissen uns die Lippen,
uns die Seele zu küssen,
warfen alles ins Feuer,
verbrannten unser Leben.

Und so kamst du zur Welt.

Doch sie, um mich zu sehen,
und auch dich, eines Tages,
überquerte die Meere,
und ich, um zu umarmen
ihre zierliche Taille,
lief um die ganze Erde,
durch Kriege, über Berge,
durch Wüsten, Dornendickicht.

Und so kamst du zur Welt.

Von so viel Orten kommst du,
vom Wasser, von der Erde,
vom Feuer und vom Schnee,
von so weit her gelangst du
bis zu uns beiden hier,
von der schrecklichen Liebe,
die uns verkettet hat,
dass wir nun wissen wollen,
wie du bist, was du sagst, denn
du weisst mehr von der Welt,
die wir zwei dir gegeben.

Wie ein heftiger Sturm
rüttelten wir den Baum
des Lebens, ihn erschütternd
bis hinab zu den letzten,
geheimsten Wurzelspitzen,
und jetzt erscheinst du singend
dort auf dem höchsten Zweig,
den wir mit dir erreichen
Niveau sieht von unten immer wie Arroganz aus.
"Man kann vieles unbewusst wissen, indem man es nur fühlt aber nicht weiß." F.M.Dostojewski
Benutzeravatar
Dark Prinzess
Beiträge: 244
Registriert: 28. Feb 2006 23:35
Wohnort: Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume. Ich leb in Euch und geh durch Eure Träume
Kontaktdaten:

Gedichte von Dichtern die euch gefallen

Beitrag von Dark Prinzess »

...............
Zuletzt geändert von Dark Prinzess am 30. Dez 2006 23:44, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Kurai
Beiträge: 388
Registriert: 27. Feb 2006 21:02
Wohnort: Freunde werden sehr schnell Feinde
Kontaktdaten:

Beitrag von Kurai »

Hinüber wall ic

Hinüber wall ich,
Und jede Pein
Wird einst ein Stachel
Der wollust sein.
Noch wenig Zeiten,
So bin ich los,
Und liege trunken
Der Lieb´im Schoß.
Unendliches Leben
Wogt mächtig in mir
Ich schaue von oben
Herunter nach dir.
An jenem Hügel
Verlischt dein Glanz -
Ein Schatten bringet
Den kühlen Kranz.
O! sauge, Geliebter,
Gewaltigt mich an,
Daß ich entschlummern
Und lieben kann.
Ich fühle des Todes
Verjüngende Flut,
Zu Balsam und Äther
Verwandelt mein Blut -
Ich lebe bei Tage
Voll Glauben und Mut
Und sterbe die Nächte
In heiliger Glut.

Von Novalis (aus Hymnen an die Nacht)
Die Schatten kommen, die Schatten gehen,
doch NIEMALS wirst das Licht du seh´n.
Benutzeravatar
Kurai
Beiträge: 388
Registriert: 27. Feb 2006 21:02
Wohnort: Freunde werden sehr schnell Feinde
Kontaktdaten:

Beitrag von Kurai »

Der Vampir

O du, die wie der Todesstreich
Tief in mein stöhnen Herz gedrungen;
O du, die einem Dämon gleich,
Von wildem Übermut bezwungen,

Gekommen ist, in meinem Sinn
Zu herrschen und sich einzubetten;
- Du Schmach, der ich verhaftet bin,
So wie der Sträfling seinen Ketten,

So wie der Spieler seiner Sucht,
So wie der Trinker seinem Glase,
So wie die Made ihrem Aase,
- Verflucht bist du, du bist verflucht!

Den raschen Dolch hab ich beschworen,
Daß er die Freiheit mir erzwingt,
Das Gift hab ich umsonst erkoren,
Das es dem Feigling Hilfe bringt.

Ach! Gift und Dolch mich nur verlachen,
Verächtlich sprechen alles zwei:
"Du bist nicht wert, dich freizumachen
Von so verwünschter Sklaverei,

Du Tor! - wenn dich von diesen Schrecken
Einst auch erlöste unsre Kraft,
So würde deine Leidenschaft
Noch deines Vampirs Leiche wecken!"

von Charles Baudelaire
Die Schatten kommen, die Schatten gehen,
doch NIEMALS wirst das Licht du seh´n.
Benutzeravatar
Kurai
Beiträge: 388
Registriert: 27. Feb 2006 21:02
Wohnort: Freunde werden sehr schnell Feinde
Kontaktdaten:

Beitrag von Kurai »

Ich hab die Nacht Geträumet

Ich hab die Nacht geträumet
Wohl einen schweren Traum,
Es wuchs in meinem Garten
Ein Rosmarienbaum.

Ein Kichhof war der Garten,
Ein Blumenbeet das Grab,
Und von dem grünen Baume
Fiel Kron und Blüte an.

Die Blätter tät ich sammeln
In einen goldnen Krug,
Der fiel mir aus den Händen,
Daß er in Stücke schlug.

Draus sah ich Perlen rinnen
Und Tröpflein rosenrot:
Was mag der Traum bedeuten?
Ach, Liebster, bist du tot?

Das ist aus einem Voilkslied
Die Schatten kommen, die Schatten gehen,
doch NIEMALS wirst das Licht du seh´n.
Benutzeravatar
Marla
Beiträge: 38
Registriert: 6. Jul 2006 10:42

Beitrag von Marla »

Cessante causa cessat effectus.
Zuletzt geändert von Marla am 18. Jul 2006 08:39, insgesamt 1-mal geändert.
Difficile est saturam non scribere...
Benutzeravatar
tlahuizcalpantecutli
Stammposter
Beiträge: 1533
Registriert: 13. Apr 2006 21:15
Wohnort: Das Leben ist zu kostbar, um es dem Schicksal zu überlassen!
Kontaktdaten:

Beitrag von tlahuizcalpantecutli »

Erich Kästner
Das letzte Kapitel (1930)

Am 12. Juli des Jahres 2003
lief folgender Funkspruch rund um die Erde:
daß ein Bombengeschwader der Luftpolizei
die gesamte Menschheit ausrotten werde.

Die Weltregierung, so wurde erklärt, stelle fest,
daß der Plan, endgültig Frieden zu stiften,
sich gar nicht anders verwirklichen läßt,
als alle Beteiligten zu vergiften.

Zu fliehen, wurde erklärt, habe keinen Zweck.
Nicht eine Seele dürfe am Leben bleiben.
Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck.
Man habe nicht einmal nötig, sich selbst zu entleiben.

Am 13. Juli flogen von Boston eintausend
mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort
und vollbrachten, rund um den Globus sausend,
den von der Weltregierung befohlenen Mord.

Die Menschen krochen winselnd unter die Betten.
Sie stürzten in ihre Keller und in den Wald.
Das Gift hing gelb wie Wolken über den Städten.
Millionen Leichen lagen auf dem Asphalt.

Jeder dachte, er könne dem Tod entgehen.
Keiner entging dem Tod, und die Welt wurde leer.
Das Gift war überall. Es schlich wie auf Zehen.
Es lief die Wüsten entlang. Und es schwamm übers Meer.

Die Menschen lagen gebündelt wie faulende Garben.
Andre hingen wie Puppen zum Fenster heraus.
Die Tiere im Zoo schrien schrecklich, bevor sie starben.
Und langsam löschten die großen Hochöfen aus.

Dampfer schwankten im Meer, beladen mit Toten.
Und weder Weinen noch Lachen war mehr auf der Welt.
Die Flugzeuge irrten, mit tausend toten Piloten,
unter dem Himmel und sanken brennend ins Feld.

Jetzt hatte die Menschheit endlich erreicht, was sie wollte.
Zwar war die Methode nicht ausgesprochen human.
Die Erde war aber endlich still und zufrieden und rollte,
völlig beruhigt, ihre bekannte elliptische Bahn.
Benutzeravatar
Kurai
Beiträge: 388
Registriert: 27. Feb 2006 21:02
Wohnort: Freunde werden sehr schnell Feinde
Kontaktdaten:

...

Beitrag von Kurai »

Eine Katze zeigt ihre Gefühle
absolut ehrlich.
Menschen, warum auch immer,
können Gefühle verbergen,
Katzen nicht.

von Ernest Hemingway
Die Schatten kommen, die Schatten gehen,
doch NIEMALS wirst das Licht du seh´n.
devilsnake

Beitrag von devilsnake »

unter der linde

'Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
Dâ muget ir vinden
schône beide
gebrochen bloumen unde gras.
Vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.

ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mín friedel komen ê.
Dâ wart ich empfangen, hêre frowe,
daz ich bin saelic iemer mê.
Kuster mich? wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht wie rôt mir ist der munt:

Dô het er gemachet
alsô riche
von bluomen eine bettestat.
Des wirt noch gelachet
innevlíche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
Bí den rôsen er wol mac,
tandaradei,
merken wâ mirz houbet lac.

Daz er bí mir laege,
wesez iemen
(nu enwelle got!), sô schamt ich mich.
Wes er mit mir pflaege,
niemer niemen
bevinde daz, wan er und ich ,
und einkleinez vogelín:
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sín.'

von walther von der vogelweide
devilsnake

Beitrag von devilsnake »

Die Kugeln

Palmström nimmt Papier aus seine Schube.
Und verteilt es kunstvoll in der Stube.

Und nachdem er Kugeln draus gemacht.
Und verteilt es kunstvoll, und zur Nacht.

Und verteilt die Kugeln so (zur Nacht),
dass er, wenn er plötzlich nachts erwacht,

dass er, wenn er nachts erwacht, die Kugeln
knistern hört und ihn ein heimlich Grugeln

packt (dass ihn dann nachts ein heimlich Grugeln
packt) beim Spuk der packpapieren Kugeln...

von Christian Morgenstern
( Palmström)
hateme666
Beiträge: 530
Registriert: 24. Dez 2006 16:08

Beitrag von hateme666 »

Lebe wohl
Lebe wohl, du Flüchtige, Freie
die Flügel zu Fahrt und Flug -
geschlossen die Rune, die Reihe,
die deinen Namen trug.

Ich muß nun wieder
meine dunklen Gärten begehn,
ich höre schon Schwanenlieder
vom Schilf der nächtigen Seen.

Lebe wohl, du Tränenbereiter,
Eröffner von Qual und Gram,
verloren - weiter
die Tiefe, die gab und nahm.

von Gottfried Benn
hateme666 aka Saiigal
devilsnake

Beitrag von devilsnake »

ich hab mir jetzt alle durchgelesen
und ich kann gut verstehen warum das eure lieblingsgedichte sind

aber gehört dieses forum dann nicht eher in die region poem?
nola-blair

Re: Gedichte von Dichtern die euch gefallen

Beitrag von nola-blair »

Bin gerade beim stöbern drauf gestoßen, *schmacht* wenn ich jetzt gerade in diesem Thread Novalis Hymnen an die Nacht lese. ;)

Mondnacht

Es war, als hätt der Himmel
die Erde still geküsst,
dass sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
die Ähren wogten sacht,
es rauschten leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

von Joseph von Eichendorff