Freundschaften im digitalen Zeitalter

Psychologische, philosophische und wissenschaftliche Betrachtungen

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khezef
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Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von khezef »

Hallo ihr Lieben,

Heute gibt es von mir einmal wieder eine kleine Geschichte zum Thema Freundschaft im Zeitalter der Digitalen Kommunikation.
Die, denen es gefällt, viel Spaß beim lesen, die, die es nicht mögen, rechts oben ist das X.

Risiken und Nebenwirkungen von Freundschaften im Zeitalter der digitalen Kommunikation

Endlich hat es die Menschheit geschafft. Sie hat ein Weltreich erschaffen, ein System, welches mehr Teilnehmer hat als jedes andere. Der Name dieses Konzepts lautet "weltweite Vernetzung". Dieses System hat eine immer weiter wachsende Bevölkerungszahl, mittlerweile sind es über 2 Milliarden Personen. Auf diese Zahl wäre sogar die Volksrepublik China neidisch. Und das beste an diesem System ist, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, der Freund eines jeden anderen Menschen werden zu können. Das ist toll, oder nicht? Doch halt! So ein utopisch klingendes Konzept muss doch auch irgendwo einen Haken haben.

Bevor wir nun aber auf diese potenziellen Systemfehler eingehen, wollen wir uns zuerst an einer provisorischen Definition des Begriffes "Freund" versuchen. Hierfür möchte ich mich etwas an die Definition eines meiner Professoren anlehnen und wage nun eine persönliche Formulierung: "Das Leben ist wie eine Wüstenwanderung. Freunde sind diejenigen, auf deren Anwesenheit wir auch während des Zuges durch die Wüste zählen können, nicht nur an den Wasserstellen zwischen den Reiseetappen", Von dieser ersten Definition des allgemeinen Begriffes "Freund" ausgehend, wollen wir uns nun speziell der Freundschaft im Zusammenhang mit der digitalen Kommunikation zuwenden.

Freundschaften dienen allgemein betrachtet dem Menschen als Halt in seinem sozialen Umfeld. Sie übernahmen auch eine erzieherische Rolle, lassen den Menschen wachsen und sich entwickeln und geben ihm Sicherheit. Doch wie wandelt sich die Freundschaft, das "Freundsein", wenn zu diesem sozialen Kontext nun auch die digitale Vernetzung hinzugezogen wird? Wie bereits anfangs erwähnt ermöglicht es uns die digitale Kommunikation heute mit sehr vielen Individuen in Kontakt zu treten. dadurch eröffnet sich uns eine gigantische Auswahl an potenziellen Freunden und Bekannten. Sowohl Freunde als auch Kritiker der digitalen Kommunikation sehen diese Möglichkeit als größten Pluspunkt des Konzepts, die Möglichkeit, Leute und Gruppierungen zu treffen, die man sonst nie treffen und kennenzulernen könnte, ob virtuell oder im realen Leben. Da dieser Aspekt das eigentliche Wesen, den Kernpunkt der digitalen Kommunikation darstellt, benötigt er an sich auch keine wirkliche Erweiterungshilfe, da sich die Erweiterung mit zunehmender Vernetzung von selbst ergibt.

Doch diese gigantische Auswahl an neuen Kontakten und Bekannten beinhaltet auch die Möglichkeit, an eine Person zu geraten, die dem Betroffenen nicht freundlich gesonnen sein könnte. Die Welt der digitalen Kommunikation und Vernetzung ist nämlich nicht nur ein idyllisches Utopia des friedvollen Freundefindens. Es ist zugleich auch ein finsterer Pfuhl, ein Gewirr aus Verbrechen und dunklen Machenschaften, in die Leute verwickelt sind, denen man im realen Leben wohl lieber nicht über den Weg laufen sollte. Dunkle Gestalten, die in der Masse der anderen Teilnehmer untertauchen und denen nur schwer beizukommen ist. Lautstatistik von Interpol hat allein innerhalb der letzten sieben Jahre die Rate der Cyberverbrechen, Straftaten im Netz, um 547 Prozent Prozent zugenommen. Diese Zahl mag dem unbedarften Leser wohl sehr hoch erscheinen, doch muss man dieser Zahl auch die rasante Ausbreitung der globalen digitalen Vernetzung gegenüberstellen, um ein korrektes Gesamtbild zu bekommen. Dennoch sollte man sich bewusst sein, dass die Welt der digitalen Kommunikation nicht nur eine fröhliche und heitere Welt, sondern auch einen Ort der Gefahr darstellt. Nicht jedes freundlich lächelnde Profilbild gehört auch einer freundlichen Person.

Wo wir gerade bei dem Begriff "Profilbild" sind. Das Unternehmen Facebook ist vor einigen Wochen an die Börse gegangen. "Facebook", das ist der Name des größten sozialen Netzwerkes auf diesem Planeten. Laut eigener Aussage des Unternehmens hat dessen System bereits 830 Millionen registrierte Profile. Wäre Facebook ein Staat, dann wäre es somit die drittgrößte Nation der Welt mit mehr Einwohnern als die EU oder die USA. Facebook und alle anderen sozialen Netzwerke eröffnen ihren Usern die Option des permanenten Kontakts. So weiß man immer, was der Freund oder bekannte gerade macht, selbst wenn der Betreffende in Neuseeland oder auf der Toilette nebenan sitzt. Vorraussetzung für diese Option ist lediglich das Vorhandensein eines Zugangs zum digitalen Netz, die Möglichkeit, mit so wenig Zeitaufwand permanenten Kontakt zu Leuten halten zu können, selbst wenn man diese persönlich längere Zeit nicht sieht.

Doch so wie die Kontakte auf Facebookzunehmen, so schnell kann auch deren Tiefgang schwinden. Der Kulturkritiker und Literaturwissenschaftler William Deresiewicz kritisierte die Zunahme der Facebookfreundschaften folgendermaßen:
Natürlich ist es Unsinn, jeden als Freund zu betrachten. Das Problem ist: Indem wir unsere bestehenden Freundschaften zu Facebook umziehen lassen, gibt es kaum noch Abstufungen. Unsere öffentlichen Statusnachrichten gehen an den besten Freund und an den entfernten Bekannten. Wir beschäftigen uns so sehr mit trivialer Kommunikation, dass wir immer weniger verstehen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein."
Diesem Zitat kann man gut entnehmen, was in unserem digitalen Zeitalter geschieht. Die Freundschaft verliert ihren Wert als zwischenmenschliche Beziehung. Qualität wird ersetzt durch Quantität. Dem kann man nur als einzelnes und bewusst denkendes Individuum begegnen. Eine allgemeine Aufrechterhaltung von Werten durch irgendeine übergeordnete Instanz ist hier schon aus rein logischer Betrachtung nicht möglich. Man muss selbst nach eigenem Gefühl und Gewissen entscheiden, wie weit man geht und welchen Werten man treu bleibt.

In seinem Essay "The End of Solitude" beschäftigt sich William Deresiewicz ebenfalls mit dem Thema "Vereinsamung". Wie das, wo doch alle Welt miteinander verbunden und befreundet ist? Der Kulturkritiker Lionel Trilling sprach dieses Thema bereits vor 50 Jahren an. Seiner Ansicht nach ist der Mensch der Moderne immer von der Angst geprägt, auch nur eine Sekunde von seiner "tumben" Herde getrennt zu sein. William Deresievicz formuliert es ähnlich:
Das fernsehen war eigentlich dazu gedacht, Langeweile zu vertreiben - in der Realität hat sie es verstärkt. genauso verhält es sich mit dem Internet. Es verstärkt die Einsamkeit. Je mehr uns eine Technik die Möglichkeit gibt, eine Angst des modernen Lebens zu bekämpfen, umso schlimmer wird diese Angst bei uns werden
Genauso wie der Tiefgang der Freundschaften abnimmt, so steigt mit ihrer quantitativen Ausbreitung auch die persönliche Vereinsamung. Doch ist dies eine giftige Vereinsamung, denn sie greift Geist und Seele an. Sie ist ohne Selbstreflexion, nur geprägt von der Angst. In Anlehnung an die Eremiten aus alter Zeit sei gesagt, dass es auch eine heilsame Einsamkeit gibt. Diese ist nur eine Phase der persönlichen Entwicklung, die man zum Zweck der eigenen Reifung durchlaufen muss. Man muss also aus dieser Abhängigkeit, die diese giftige Einsamkeit verursacht, ausbrechen, will man ihr tatsächlich entgegenwirken.

Das Thema der Freundschaft in der digitalen Kommunikation ist sehr facettenreich, eine Verallgemeinerung der einzelnen Aspekte eigentlich unmöglich und eine komplette Durcharbeitung sehr zeitaufwendig. Als persönliches Statement kann ich nur sagen, dass der Mensch versuchen sollte an den Freundschaften, die er hat, zu wachsen. Er sollte sein Bewusstsein und seinen Blick dafür erweitern, was um ihn herum passiert, um so den oben angesprochenen negativen Aspekten begegnen zu können. Doch nicht alle Menschen sind zu Freunden geschaffen. Manche ziehen lieber alleine durch die Wüste und schlagen sich als Einzelkämpfer von Wasserstelle zu Wasserstelle


Khezef
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Eno
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Eno »

Hat alles Vor- und Nachteile.

Der große Vorzug, den die "digitale Welt" hat ist, dass sie ähnlich wie die mentale Welt, "körperunabhängig" ist.

Im Gegensatz zum sogenannten "Real-Life" wird niemand ausgeschlossen, der z.B. entstellt ist oder im Rollstuhl sitzt....

Auch die "Risiken" sind eher virtueller Natur, ein Mißgriff bei einer digitalen Verabredung hat maximal ein ekliges Gespräch zur Folge, ein Mißgriff bei einer realen Verabredung endet schnell mal mit Säcken voller Leichenteile im Wald.

Gruß
Eno
V.I.T.R.I.O.L.
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Deyja
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Deyja »

Schöner Beitrag Khezef ;)


Mi++
Merkmal: Man sieht sich ein paar Jahre nicht, kommt zusammen und ist sofort wieder da wo man aufgehört hat.
Das macht auf jeden Fall eine gute Freundschaft mit aus.
Genauso wie Khezef schon sagte wächst man ja auch an ihnen- im besten Fall ;)


Sicher muss man grad im Internet vorsicht walten lassen was seine BEkanntschaften angeht-jedoch ist die Zeit vorbei in denen sich im Netz angeblich nur unseriöse Leute herumtrieben.
Heute pflegt man bestehende Freundschaften zusätzlich über die ganzen Seiten wie Facebook und was es noch so gibt- man muss halt nur aufpassen das man dabei nicht faul wird und seine Freundschaftspflege nur noch darauf versteift.

Dieses "adden" von dem Freund eines Freundes einer Bekannten die was kommentierte...eh was...???
Okay ich gebs zu- das ist mir zu blöd-genauso das "sammeln" der Leute dort.

Grundsätzlich jedoch bin ich auf jeden Fall der Meinung das sich auch aus Internetbekanntschften wirkliche Freundschaften entwickeln können- wenn man es zulässt .
Setzt natürlich vorraus das man kein falsches Bild von sich selbst aufbaut .


Gruß ;)
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gabor
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von gabor »

Mmmmhhh...und genau da liegt das eigentliche Problem.Normalerweise "entscheidet" ja bei persönlichem Kontakt das Unterbewusstsein innerhalb 20 sek,ob ich den/die Gegegüber"leiden" kann....bei "Facebook"MUSS ich freundschaftlich sein..oder es lassen.Sicher,die Welt dreht sich weiter.....aber gut find ich diese Entwicklung nicht.Das ist alles nicht mehr"greifbar"...und da kommt dann die Quantität in`s Spiel...Schade!
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asfaloh
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von asfaloh »

:denk:
Zuletzt geändert von asfaloh am 9. Jun 2012 10:03, insgesamt 1-mal geändert.
"An der Mitfreude erkennt man den Freund, nicht am Mitleid. " Friedrich Nietzsche
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Seth Atum
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Seth Atum »

Nun die sogenannten "Freunde" die man im Internet gefunden hatt, sind nichts weiter als Menschen mit denen man gemeinsam die Langeweile vertreibt. So denke ich du sprichst von einer sogenannten "Freundschaft des Nutzen".

Dennoch würde ich es nicht rationalisieren, doch es kommt immer häufiger vor, dass sich vorallem Teenager im RL sozial isollieren und die Bekanntschaften im Internet bevorzugen. Die Menschen machen sich nicht mehr die Mühe, eine vollkommende Freundschaft aufzubauen und nehmen lieber den leichten Weg über das Internet.

Das Internet, kann einerseits sehr nutzvoll sein, und aus unserer heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Doch es birgt viele Gefahren, psychische sowie auch Physische, wenn es z.b um Mobbing oder Datenraub geht.

Ein Lob an khezef, toller Beitrag interessant und es wird höchste Zeit dieses Thema anzusprechen. :peace:

Seth_Atum
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Deyja
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Deyja »

Seth Atum
Nun die sogenannten "Freunde" die man im Internet gefunden hatt, sind nichts weiter als Menschen mit denen man gemeinsam die Langeweile vertreibt.
Ausnahmen bestätigen die Regel ;)

Mi++
doch Lebenserfahrung muß nicht dahinter stehen
Zum Thema Freundschaften macht man gängig Erfahrungen im Laufe der Zeit- oder nicht ? ;)

LG
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Daimao_Koopa
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Daimao_Koopa »

Schöner Beitrag khezef! Mit diesem Thema wurde ich beruflich wie privat auch schon einige male konfrontiert.

Vorneweg ist die Debatte zwischen Befürwortern von Internet-Bekanntschaften un deren Gegnern vom selben Schlag
wie "Buch VS. elektronische Informationsmedien", nämlich Konservative gegen Avantgardisten. Wie Eno sagte, haben
beide Seiten ihre Vor- und Nachteile, doch finde ich es amüsant und bemerkenswert, wie sehr sich die Konservativen
bemühen jedweden Fortschritt der jeweiligen Kategorie zu unterminieren.

"Elektronische Medien machen dumm und faul... Soziale Netzwerke machen dumm und faul..."
Es sind immer dieselben Argumente in neuem Gewand, die Konservative bringen, um ihre
Sicht der Dinge weiterhin legitimieren zu können. Denn Fortschritt wird allgemein als etwas
aufgefasst, das gut ist und daher übernommen werden muss. Falsch! Niemand muss diesem
neuen Trend folgen - man kann; und das wird in solchen Debatten oft außen vor gelassen.

Sicher, die Internet-Bekanntschaften nehmen nach und nach immer zu, aber das bedeutet nicht, dass man dadurch
alle Kontakte im "realen" Leben abbricht und sich auf immer und ewig im dunklen Kämmerlein verschanzt. Das geht ohnehin
auch deswegen nicht, da wir allle gewisse Obligen haben, denen wir nachgehen müssen, wenn wir unseren Wohlstand erhalten
möchten.

Ich persönlich sehe, bis auf die fehlende Pantomimik, keinen Unterschied zwischen Web- und Realbekanntschaften und bevorzuge
es Menschen digital zu erkunden, bevor ich es "real" tue. Auf diese Art lassen sich Vorurteile vermeiden und Menschen unabhängig
von deren Aussehen beurteilen (was auch leider mich ein klein wenig beeinflusst, so sehr ich es vermeiden möchte). Das Ausüben
der Pantomimik kann man bei einem "realen" Treffen immer noch nachholen und ist für eine Freundschaft eher drittrangig.

Freunde kommen und gehen. Das gilt auch heute noch digital wie real. Wichtig ist, wie khezef sagte, dass man an solchen
Beziehungen wächst und Erfahrungen sammelt. Der soziale und erzieherische Teil ist vielmehr aus traditionalistisch-staatlicher
Sicht wichtig (wenn man die Massen kontrollieren will, muss man sie ja auch in definierte Muster zwingen :D ).


PS: Das, was Deresievicz sagt, ist schlicht und ergreifend Schwachsinn. Seinem Erklärungsmodell nach dürfte man z.B. auch bei Regen
keinen Regenschirm verwenden, da dessen Verwendung die Angst vor Regen verstärkt. Was die Langeweile betrifft, machen Internet
und TV Dumme dümmer und Kluge klüger; alles eine Frage des Gebrauchs.
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Chaotica
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Chaotica »

Das Internet gibt es nicht so lange. Da ich nicht mehr die Jüngste bin, habe ich noch die Möglichkeit, die Zeit vor dem Internet mit der Zeit mit dem Internet zu vergleichen. Dabei habe ich festgestellt, dass es egal ist, auf welchen Weg die Freundschaften geschlossen werden. Wichtig ist, ob das Gefühl, das die Freundschaft begründete, mit entwickelt werden kann. Freundschaft will bewahrt werden und als etwas kostbares im Leben gelten.
Damals außerhalb wie auch zu Zeiten des Internets konnten Freundschaften scheitern, damals wie heute gibt es Menschen, die schnell Freundschaft schließen und sie genauso schnell wieder verblaßen lassen, Menschen die nur wenige, dafür aber intensive Freundschaften pflegen. Es liegt offenbar am Menschen selber, was er unter Freundschaft versteht und wie er diese umsetzt. Wie und mit welchen Medien er das in Angriff nimmt, wird vorwiegend von seinem Wesen und den Möglichkeiten seiner Umwelt bestimmt.

Diverse Prägungen durch was für Faktoren auch immer, pränatal, vielleicht durch Inkarnationen, durch Erziehung, diverse Schicksalsschläge .... werden auch über das Medium Internet sichtbar, weil sie wie eine Signatur im Handlungsmuster jedes einzelnen liegen. Ein Medium, wie Internet, kann als Verstärker dienen, jedoch wie dieser eingesetzt wird, ist von der Person, die davon Gebrauch macht, abhängig.
Wer früher Kontakt zu Freunden halten wollte, tat dies oft mit Briefen, später wurde das Telefon pupulärer, heute ist es das Handy und das Internet.
Was sich geändert hat, dass der Radius, in dem man sich die Freunde aussuchen kann, größer geworden ist. Auch die Möglichkeit, sich zu treffen, ist besser gegeben.
Ich meine, der Mensch neigt dazu, sich in der Regel für die bequemere Möglichkeit, die sich ihm bietet, zu entscheiden.

hallo Daimao
Freunde kommen und gehen. Das gilt auch heute noch digital wie real. Wichtig ist, wie khezef sagte, dass man an solchen
Beziehungen wächst und Erfahrungen sammelt. Der soziale und erzieherische Teil ist vielmehr aus traditionalistisch-staatlicher
Sicht wichtig (wenn man die Massen kontrollieren will, muss man sie ja auch in definierte Muster zwingen ).
Wer will schon Massen kontrollieren? ^^
Sicher spielt der soziale und erzieherische Teil eine Rolle im Leben. Ich meine aber, dass auch das Wesen, das mit den Charakter bildet, seinen Teil dazu beiträgt. Ein sensibler Mensch wird wahrscheinlich vorsichtiger an eine Freundschaft herangehen, als ein robuster draufgängerischer. Was sich mit Sicherheit geändert hat und auch gesellschaftlich von Belang ist, ist die Rollenveränderung. Traditionalisten haben es eindeutig schwer. Die Frau hat inzwischen einen anderen Stellenwert, das Kind hat mehr Rechte als früher, ein Mann ist nicht mehr für eine erwachsene Frau zuständig, gleichgeschlechtliche Liebe ist anerkannt und darf gelebt werden.....
Das schürt auch Ängste, vor allem bei solchen Menschen, die noch in den alten Mustern verankert sind.

Da gab es Freunde, weil ein gemeinsames Schicksal einen gebunden hat. Es hieß da z.B. "ein Freund der Familie", der auch eine gewisse Verantwortung übernommen hat und oft mehr Entscheidungsgewalt hatte, als die Kinder, auch wenn sie schon größer waren. Der Faktor, dass ein Familienverbund, eine Gruppe, der man angehört bestimmt, wen man als Feund haben darf oder nicht, weil man sonst nicht mehr dazu gehört, ist im schwinden begriffen. Solche Familienfreundschaften konnten generationsübergreifend sein. Heute wird mehr Wert auf individuelle Freundschaften gelegt. Blinkt trotzdem nicht oft, das alte Verhalten durch? Je "sanktionsfreier" ein Wechsel einer Freundschaft von statten gehen kann, desto schneller wird er bei Missfallen in Anspruch genommen werden.

Was mich interessiert, da habe ich noch keine Antworten gefunden, bei denen ich das Gefühl hatte, ja das ist es:

Kann das virtuelle Erleben, das ja immer realistischer wird, bald wird es 3-D Internet geben, schätze ich mal, da kann man sein gewünschtes Profil, wenigstens virtuelle sehr lebendig rüberbringen, eine echte Freundschaft auch mit allem körperlichen Verlangen oder gemeinsamen Unternehmungen ersetzen?
Wird diese Möglichkeit, dann für viele der bequemere Weg sein, dem sie den Vorzug geben, weil ein realer Mensch kaum der Illusion das Wasser reichen kann?

Da halte ich eine Vermischung von Imagination und materieller Realität für sehr wahrscheinlich. Das dürfte nochmals eine Veränderung der Gesellschaft nach sich ziehen. Wobei die zu Erziehenden das Nachsehen haben könnten, weil die Entwicklung sie schneller als vorausgeahnt werden kann, erreicht.

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xerres
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von xerres »

Ein intressanter Beitrag, intressant ist auch wie sich in den Netzen die Entscheidungsprozesse dadurch ändern, erinnert sich noch jemand an die zwei Kunststudenten die über die Hinrichtung des Schafs Norbert abstimmen ließen? http://www.focus.de/kultur/kunst/makabr ... 52925.html ein schönes Kunstwerk und idealer Weise sehr stark umstritten, wie es sich für Kunst gehört :lol:
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Algernon
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Algernon »

Oh großer König der Perser, unterhaltsam mag auch ein bellendes Stück Katzenkot sein, drum ist es noch lange keine Kunst!


Uffda!
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xerres
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von xerres »

Algernon hat geschrieben:Oh großer König der Perser, unterhaltsam mag auch ein bellendes Stück Katzenkot sein, drum ist es noch lange keine Kunst!


Uffda!
Mag sein, darüber möchte ich mich nicht streiten, eine goldene Nase und einen hohen Bekanntheitsgrad haben die beiden sich damit jedenfalls geschaffen. Außerdem zeigt es doch ein Problem auf, die Demokratie in Ehren aber mit vereinsamten, sozialgestörten Massen ( die ja durch die Netzwerke geschaffen werden können ) ist nicht gut Kirschen essen, es war ja eine knappe Entscheidung ob Norbert leben darf.
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Ich
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Ich »

gabor hat geschrieben:leider
Gutes Stichwort.
Zuletzt geändert von Ich am 10. Jun 2012 01:50, insgesamt 2-mal geändert.
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gabor
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von gabor »

Da hast Du leider( :lol: )meine vollste Zustimmung!!!!
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Daimao_Koopa »

Chaotica hat geschrieben:Kann das virtuelle Erleben, das ja immer realistischer wird, bald wird es 3-D Internet geben, schätze ich mal, da kann man sein gewünschtes Profil, wenigstens virtuelle sehr lebendig rüberbringen, eine echte Freundschaft auch mit allem körperlichen Verlangen oder gemeinsamen Unternehmungen ersetzen?
Durchaus! Jedoch nur, wenn sich das gesellschaftliche Leben voll und ganz auf das virtuelle Erleben ausbreitet. Meiner Meinung nach, geht der Trend
wirklich in Richtung das Leben immer mehr in die virtuelle Welt zu verlagern. Dazu muss man sich eigentlich nur die Veränderungen ansehen, die das
Internet in der kurzen Zeit seiner Existenz gebracht hat. E-Books, Tablet-PCs, virtuelle Datenbanken, und soziale Netzwerke bestätigen diesen Vorgang
nur noch. Sicher lich lässt sich der Mensch und seine Bedürfnisse nicht vollständig in die virtuelle Realität integrieren, aber größtenteils ist das durchaus
möglich - wie man in der Vision von "The Matrix" sehen kann. Was Möglichkeit ist kann immer Wirklichkeit werden - dieses Prinzip gibt es ja
auch in der Magie. Und daher ist die herangehensweise von Magie und Technologie nicht allzu weit voneinander entfernt.

Das bezieht sich auch auf die Digitalisierung von Freundschaft, wobei die glaubhafte Übertragung von Pantomimik der Teilhabenden
noch in weiter Ferne liegt... Obwohl möglich, könnte ich persönlich mit einem solchen Wechsel wahrscheinlich nicht viel anfangen.
Chaotica hat geschrieben:Wird diese Möglichkeit, dann für viele der bequemere Weg sein, dem sie den Vorzug geben, weil ein realer Mensch kaum der Illusion das Wasser reichen kann?
Sehr wahrscheinlich ja! So etwas in der Art gibt es ja bereits im Bereich der Partnerschaft: die sogenannten Real Dolls.
Bei Männern wie bei Frauen ziemlich beliebt, ersetzen sie den realen Partner durch eine Art Marionette für die eigenen Wünsche und Bedürfnisse.
Sozusagen der perfekte Partner... Ob man sowas als krank oder gar pervers bezeichnet, steht durch die Wirksamkeit dieser alternativen Möglichkeit
nicht in Frage. Es gibt Leute, die bezeichnen ihre Real Doll tatsächlich als den besten Partner, den sie je hatten. Erinnert mich an E.T.A. Hoffmann...


@Ich:
Ich hab gelesen, was du ursprünglich geschrieben hast und du brauchst dir keine Gedanken zu machen, dass ich mich deswegen
angegriffen fühle. Du hast zwar recht damit, dass wirklich gute Freundschaften solche Trennungen überstehen, aber dennoch sind
die meisten davon durch - sagen wir mal - Lebensabschnitte begrenzt. Interessen, die man einst teilte, können sich ändern und
dadurch auch der Weg, den man durch´s Leben geht (bspw. wenn man nach der Schulzeit in die Berufswelt eintritt und man einen
anderen Berufsweg wählt, als seine Freunde). Familiengründungen können Freundschaften zudem auch negativ beeinflussen.
Es hängt einfach davon ab, wo jeder Betroffene seine Prioritäten setzt. ...Zuletzt gibt es auch noch den Tod, der Freundschaften
unabhängig von deren Dauer und Intensität trennt.

Wechsel der Interessen, der Beruf, die eigene Familie, der Tod; Diese vier Wegsteine sind dazu in der Lage Freundschaften
zu beenden. Tja... und dann stellt sich nur noch die Frage, was bleibt? Die Erinnerung und die gemeinsamen Erfahrungen.
So romantisch die Vorstellung einer ewigen Freundschaft auch sein mag, auf sterblicher Ebene gibt es sie nicht.

Und genau deswegen gilt es alles aus allen Freundschaften heraus zu holen, was man nur kann. Das als egoistisch zu bezeichnen
wäre ein Fehler, denn schließlich geht es in einer Freundschaft doch gerade darum gemeinsam an den Erlebnissen und Erfahrungen
zu wachsen, oder? Allerdings nur so lange, wie die Freundschaft besteht...!

PS: Mir ist aufgefallen, dass ich in meinem vorherigen Post das Wörtchen gemeinsam nie erwähnt hatte. Mein Fehler.
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Tsaphyre
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Tsaphyre »

Hallo khezef und Ihr anderen,

schöner Text, gefällt mir. Ich habe schon früh in meinem Leben (vor der Internetzeit) festgestellt, daß eine tiefgehende Freundschaft gar nicht so leicht zu finden ist. Klar kann man im gegebenen Umfeld Freunde gewinnen, mit denen man ausgeht, sich unterhält, eben etwas zusammen unternimmt und Spaß dabei hat. Ich finde das sehr schön, aber ich brauche dafür schon auch ein bißchen mehr Gemeinsamkeiten als z.B. nur das Interesse an Kinofilmen. Eine tiefgehende Freundschaft finde ich nur bei jemandem, der sich umfassender für dieselben Themen interessiert wie ich, meine Welt zumindest zu einem Teil gut versteht, dessen Welt ich verstehen kann, dem ich vertrauen kann, mit dem ich vor allem sehr viel Spaß haben kann, mit dem ich mich aber auch über Sorgen austauschen kann. So jemanden zu finden, fiel mir nie leicht, und es gab sehr viele Phasen in meinem Leben, in denen ich einen solchen Freund nicht hatte.

Das Internet bietet die wirklich geniale Möglichkeit, Menschen an Orten (z.B. in Foren) zu treffen, die ein bestimmtes Themengebiet umreißen. Es ist viel wahrscheinlicher, jemanden in einer solchen Umgebung kennenzulernen, der gut zu einem paßt, als in der eher begrenzten Welt des Gesangsvereins oder des Kegelclubs. Der Nachteil ist, daß die Menschen, mit denen man sich gut versteht, meist sehr weit weg wohnen, und man sich deshalb nicht so leicht treffen kann. Ja, für mich ist der persönliche Kontakt in einer Freundschaft nach wie vor wichtig, und dazu gehört es für mich auch, den Menschen zu treffen, mit ihm etwas zu unternehmen oder intensive Gespräche zu führen. Das Internet ist für mich ein bißchen umständlich, zumindest in der schriftliche Kommunikation. Wieviel schneller habe ich das, was ich hier schreibe, einfach gesagt? Wieviel leichter lassen sich Mißverständnisse schon im Keim aufklären, wenn ein Mensch mir wirklich gegenübersitzt?

Ich liebe die Kommunikation im Internet und freue mich, daß ich so mit Menschen Kontakt haben kann, die ich so nie getroffen hätte. Aber ich wünsche mir, den Menschen, mit denen ich mich gut verstehe, wirklich zu begegnen und sie besser kennenzulernen. Nur so kann für mich eine wirklich tiefe Freundschaft entstehen...

Tsaphyre Ziegenfuß
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Chaotica
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Chaotica »

Daimao findet ein Wechsel in die immer besseren technischen Möglichkeiten, die virtuelle Welten liefern, nicht schleichend statt? Ich hatte lange eine mechanische Schreibmaschine, dann eine elektrische, jetzt einen PC mit Tastatur, es geht auch per Sprachsteuerung und es wird daran gearbeitet, dass Gedanken, Maschinen steuern können.
Noch klingt es futuristisch, dass sich Menschen einen Computerchip implantieren können, um ihre Gedanken auf einen Bildschirm zu übertragen, aber wer weiß? Vieles was heute selbstverständlich ist, war vor 50 Jahren undenkbar.
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich Beziehungsmuster mit solchen Möglichkeiten gravierend ändern können. Das eröffnet ganz andere Welten, in denen jeder seine eigene Identität nach seinen Wünschen schaffen kann. Was wenn dann zwei erschaffene Identitäten die Beziehung pflegen? Die eigene dann eher, da vielleicht nicht ganz so perfekt im Hintergrund gehalten wird?
Ich halte das in absehbarer Zeit für möglich.

Bei Familienplanung wird man auch in der Zukunft nicht um persönliches Kennenlernen und eine Freundschaft begründen, herum kommen. Auch Kindererziehung wird virtuell nicht möglich sein.

Tsaphyre, mit Menschen, die auf meiner Wellenlänge schwimmen, habe ich auch lieber persönlichen Kontakt. Ein Vorteil bietet das Netz, ähnlich wie bei einem Brief, kann das was man mitteilen möchte, gründlicher überlegt werden.

Chaotica
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Gast »

Hallo,

ich bin gerade zufällig auf dieses Forum gestoßen und war sehr erfreut, dass ich eine Diskussion zu diesem Thema gefunden habe. Vor allem eine sehr interessant. Mir ist natürlich bewusst, dass die Diskussion vor einem Jahr statt fand, deswegen wollte ich fragen, ob ihr hier noch aktiv seid.

Ich habe Philosophie studiert und fertige gerade ein Exposé für meine Dissertation zum Thema "Freundschaft im digitalen Zeitalter: Verlust oder Gewinn?" (oder so ähnlich - ist noch nicht genau definiert) an, d.h. ich beschäftige mich noch nicht lange mit dem Thema, bin also noch in der Erforschungsphase. Mein Kopf ist voller Gedanken und es wäre toll, wenn ich bei euch mitdiskutieren könnte. Ich schreibe jetzt mal darauf los, damit ihr wisst, worum es mir geht und hoffe darauf, dass mir jemand antwortet... Vor allem, dass ihr meine wirren Gedanken nachvollziehen könnt.

Ich gehe von der Grundfrage aus, was wahre Freundschaft ist und ob diese überhaupt existiert. Aristoteles Sicht, dass der (wahre) Freund ein anderes Selbst sei, ist m. E. eine utopische Vorstellung, wobei ich seine Grundansätze befürworte. Man muss natürlich auch beachten, dass für Aristoteles allgemein der Begriff philia viel mehr umfasste als das, was wir heute unter dem Begriff der Freundschaft verstehen. Aber was verstehen wir denn unter dem Begriff Freundschaft oder genauer: was ist ein wahrer Freund? Meines Erachtens ist sollte ein wahrer Freund jemand sein, der mir, wenn ich eine bräuchte, seine Niere spenden würde. Also Selbstlosigkeit als zentraler Aspekt. Aber leider ist, meines Erachtens, jeder sich selbst der Nächste. Egoismus und Neid dominieren die Welt und das nicht nur heutzutage. Beziehen tue ich mich hier unter anderem auf Nietzsche, Hobbes, ... . Nun kurz und vereinfacht meine These:
Wahre Freundschaft gibt es nicht. Facebook ist ein Spiegel der zwischenmenschlichen Beziehung, dessen, wie es auch in der Realität ist: die Kategorisierung von Beziehungen. Unterhaltungen führen kann man auch über Facebook. Ausgehen nicht, aber sind denn die Leute, mit denen wir ausgehen, nicht ohnehin "Lustfreunde" (so definiert von Aristoteles), mit denen wir uns gerne amüsieren und nicht wahre Freunde?
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Seth Atum
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Seth Atum »

Interessant,

zu deiner Frage: Ja sind noch aktiv.

Du schriebst wahre Freundschaft gibt es nicht. Was mich nun interessieren würde ist, würdest du also sagen du hast keinen wahren Freund/In?
Nun zu Facebook ist es schwierig zu differieren ob es nun eine "Freundschaft des Nutzen" (Informationsaustausch, Informationsbeschaffung und Aneignung privater Informationen anderer) oder eine "Freundschaft der Lust" Interaktionen für das reine Vergnügen an der sozialer Teilname ist.

Nun meiner Ansicht nach ersetzt eine "Bekanntschaft" mit der man ausschließlich im Internet interagiert, keine soziale Kontakte aus dem alltäglichem Leben. Hierzu fehlen einfach gewisse Bedürfnisse die über das Internet nicht befriedigt werden können z.b Gewissheit über Mimik, Gestik, Körperliche Nähe und das direkte Wohlbefinden.
So gesehen würde ich behaupten das es Freundschaft gibt. Welche Art von Freundschaft nun ist, und welche nicht darüber lässt sich nun debattieren. Der Mensch braucht gewisse Bedürfnisse, die ohne "Freunde" zu Beeinträchtigungen führen können, wenn diese nicht befriedigt werden....ect.
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Chymbau
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Chymbau »

Hallo Gast

Ich erlaube mir mal zu behaupten, dass hier der einzige Ort, mit abgeschlossenen Themen, das Archiv ist. Neue Beiträge in alten Themen mögen zwar wie Leichenschändung erscheinen, aber neue Aspekte, bringen auch neue Gedanken mit sich.
Gast hat geschrieben: ..... Meines Erachtens ist sollte ein wahrer Freund jemand sein, der mir, wenn ich eine bräuchte, seine Niere spenden würde. Also Selbstlosigkeit als zentraler Aspekt. Aber leider ist, meines Erachtens, jeder sich selbst der Nächste. Egoismus und Neid dominieren die Welt und das nicht nur heutzutage.....
Wenn du diese Erwartungshaltung von einer Freundschaft hast, fände ich es traurig. Denn damit setzt du jede sich entwickelnde Freundschaft in eine Bringschuld. (Gedanklich unterstelle ich dir deshalb einfach einmal, dass du diese Aussage extra provokant ausgedrückt hast, um eine Reaktion zu bewirken.)

Ein Freund ist nicht dazu da, dich aus deiner Notlage zu holen. Ein Freund mag zwar aus sich das Bedürfnis haben, dir zu helfen. Das wie, aber eben nur aus der Sicht, seiner Persönlichkeit.
Ich durfte lernen, dass sich Freundschaft manchmal dadurch auszeichnet, dass gerade jenes was einem nicht genehm ist, von eben diesen Menschen getan wird. Zeitweise wird halt erst im Nachhinein erkenntlich, was einem da Gutes getan wurde.
Selbst bin ich inzwischen dazu übergegangen, in mehr oder weniger gute Bekannte zu differenzieren. Und dies meine ich so zweideutig wie ich es Schreibe.


Eine Bitte noch an dich. Wenn du hier intensiver darüber reden möchtest, melde dich doch einfach an. Es kostet nichts und zwingt zu nichts. Du brauchst nicht mal, Interesse an den anderen Themen haben. Aber da hier jeder als Gast schreiben darf, ist es etwas schwierig festzustellen, mit welchen der Gäste man sich gerade unterhält.

Gruß Chymbau
Ich muss nicht besser sein als Du. Es reicht mir der Beste zu werden, der ich sein kann. (Chymbau)
Nurdan

Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Nurdan »

Hallo ihr Lieben,
ich wollte nur kurz schreiben, dass es mich sehr gefreut hat, dass ihr geantwortet habt. Kurz sicherheitshalber: Ich bin der pessimistische Gast mit der Dissertation. Ich werde mich heute Abend registrieren und euch, nachdem ich mir Gedanken gemacht habe, antworten. Ich bin ein Nachtmensch, der Mittags nur Luft im Hirn hat :)
Beste Grüße
Nurdan
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khezef
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von khezef »

Ah, es freut mich als Threadöffner sehr, dass hier wieder weiterdiskutiert wird. Auch finde ich es interessant, dass hier ein fachlich interessierter Genosse/Genossin vorbeischaut. ;)

Freundschaften sind in der heutigen Zeit so eine Sache, da alles so schnelllebig geworden ist und Zeit mit Geld bemessen wird.
Ein Freund ist nicht dazu da, dich aus deiner Notlage zu holen. Ein Freund mag zwar aus sich das Bedürfnis haben, dir zu helfen. Das wie, aber eben nur aus der Sicht, seiner Persönlichkeit.
Ich durfte lernen, dass sich Freundschaft manchmal dadurch auszeichnet, dass gerade jenes was einem nicht genehm ist, von eben diesen Menschen getan wird. Zeitweise wird halt erst im Nachhinein erkenntlich, was einem da Gutes getan wurde.
Ich finde Chymbaus Aussage hier meinem persönlichen Empfinden nach sehr ansprechend, Freundschaft zwangsläufig mit dem Miteindbringen von Leistungen und Taten zu verbinden gibt dem ganzen ein arg materialistisches Abbild. Da oben ja schon mit den Namen alter griechischer Philosophen und Wirrköpfe um sich geworfen wurde, will ich mich da einklinken.
Meinem persönlichen Verständnis nach ist ds, was man unter "wahrer" Freundschaft versteht, der wahren Liebe auf platonischer Ebene nicht unähnlich: Eine Verbindung zwischen Menschen, welche Vertrauen, Verständnis und noch einige andere Dinge miteinbringen kann, aber nicht an Leistungen oder unbedingte Taten gebunden sein muss. Gerade in der antiken Philosophie und der mittelalterlichen Scholastik werden der Freundschaft (oft in der Verbindung mit Liebe zu Gott) sehr interessante Gedanken gewidmet.

Khezef
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Ich »

Gast hat geschrieben:Nun kurz und vereinfacht meine These: Wahre Freundschaft gibt es nicht.
Dazu kurz und vereinfacht meine Gegenthese: Wahre Freundschaft kennst Du nicht.
"Ich bin kein Bekenner, ich bin ein leidenschaftlich beteiligter Betrachter!" (E.v.S.)
Bedecktes Feuer hitzt am meisten.
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Nurdan »

So, ich wieder, diesmal als registrierter Nutzer.

Zu KHEZEF:
Ich fand deinen Eröffnungsbeitrag ungemein interessant. Sehr durchdacht und reflektiert. Ein großes Lob erst einmal an dich. Ist auch gut möglich, dass ich die Diskussion in eine Richtung lenke, die von dir ursprünglich nicht intendiert war. Dafür entschuldige ich mich im Voraus.


Zu SETH ATUN:
Du schriebst wahre Freundschaft gibt es nicht. Was mich nun interessieren würde ist, würdest du also sagen du hast keinen wahren Freund/In?
Ich würde sagen, ich habe sehr gute Freunde, aber keinen wahren Freund in dem Sinne, in dem ich wahre Freundschaft verstehe oder in dem Sinne, wie es oftmals postuliert wird.
Der Mensch braucht gewisse Bedürfnisse, die ohne "Freunde" zu Beeinträchtigungen führen können, wenn diese nicht befriedigt werden....ect
Welche Bedürfnisse meinst du?

Wenn du diese Erwartungshaltung von einer Freundschaft hast, fände ich es traurig. Denn damit setzt du jede sich entwickelnde Freundschaft in eine Bringschuld. (Gedanklich unterstelle ich dir deshalb einfach einmal, dass du diese Aussage extra provokant ausgedrückt hast, um eine Reaktion zu bewirken.)
Kann sein, dass ich eine romantische Vorstellung von „wahrer Freundschaft“ habe. Natürlich war das eine provokante Aussage. Diese werden bestimmt auch weiterhin von mir folgen, da ich versuche das Grundwesen der wahren Freundschaft, oder provokanter ausgedrückt, des menschlichen Wesens zu erkunden. Ich bin gedanklich sogar mal so weit gegangen menschliche Beziehungen generell als Zweckgemeinschaften zu sehen und bin deshalb bei Thomas Hobbes gelandet.

Ich habe drei „sehr gute“ Freunde, denen ich auch vertraue und die ich auch nachts anrufen kann, wenn es mir schlecht geht. Und für die ich auch jederzeit da bin. Aber DIE wahre Freundschaft, die vollkommen selbstlose Beziehung zweier Menschen, halte ich für eine Utopie. Denn am Ende ist der Mensch doch allein. Denn das Ego des Menschen, quasi ein Selbstschutz, lässt nicht zu, dass man selbstlos ist. Eine Ausnahme ist die Beziehung zwischen Eltern und Kindern, vor allem die zwischen Mutter und Kind. Aber selbst hier gibt es negative Ausnahmen. (Die Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau lasse ich außen vor, weil die Liebe ein undefinierbares Phänomen ist und die Differenzierung zwischen körperlicher Anziehung und Gefühlen oft schwer ist.)

Ich hatte nie Erwartungen an eine Freundschaft. Aber ich habe am eigenen Leib erfahren, dass das die Floskel „In der Not sind die Freunde rar“ wahr ist. Ich habe vor 3 Jahren die Diagnose Multiple Sklerose bekommen, auf einmal waren Menschen, für die ich meine Hand ins Feuer gelegt hätte, weg. Die Situation war ihnen zu unangenehm. Sie hatten genug Stress, noch mehr Stress „hätten sie nicht vertragen“. Und ich bin ein starker Mensch, der nicht rum heult und die Leute depressiv macht. Natürlich waren auch Menschen dabei, von denen ich positiv überrascht war. Aber am Ende ist man sich doch selbst überlassen und macht alles mit sich selbst aus. Bedarf also keines anderen Menschen. Zum Reden vielleicht, aber da reichen auch Facebook-Konversationen.


Versteht mich nicht falsch. Ich bin kein depressiver Mensch, der sich zuhause eingeschlossen hat und keine zwischenmenschlichen Beziehungen pflegt oder nur über Facebook. Ich bin ein sehr aktiver Mensch, der auch viele Kontakte pflegt. Aber ich hinterfrage eben viel, sei es auch nur im Kopf – was ja auch für Philosophen ein Pluspunkt ist.

Warum brauchen wir Freundschaft? Ich habe einen Artikel gelesen in dem die These aufgeworfen wird, dass heutzutage Freundschaft weder möglich noch nötig ist. Nicht möglich aufgrund der zu verschiedenen individuellen Schicksale und nicht nötig, weil das, was früher einen Freund nötig gemacht hat, durch das Systemvertrauen und den Therapeuten abgelöst wurde. Aber ein Freund sei ja doch nicht schlecht, vor allem um die Langeweile zu vertreiben.
Um die Langeweile zu vertreiben brauchen wir keine wahren Freunde, da reichen Bekannte aus. Also warum brauchen wir wirklich Freunde?

Meinem persönlichen Verständnis nach ist ds, was man unter "wahrer" Freundschaft versteht, der wahren Liebe auf platonischer Ebene nicht unähnlich: Eine Verbindung zwischen Menschen, welche Vertrauen, Verständnis und noch einige andere Dinge miteinbringen kann, aber nicht an Leistungen oder unbedingte Taten gebunden sein muss.
Aber genau darum geht es ja: Kann man das nicht auch durch eine Facebook-Konversation mit einbringen? Da kann der Vertrauensanspruch sogar komplett wegfallen, wenn es jemand ist, den man nur über das Netz kennt.


Übrigens: Ich bin eine Genossin. Und bitte teilt es mir mit, wenn ich zu viel schreibe, zu viel Wirrwarr schreibe oder gegen interne, ungeschriebene Gesetze verstoße.
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Daimao_Koopa
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Re: Freundschaften im digitalen Zeitalter

Beitrag von Daimao_Koopa »

Grüß dich Nurdan!

Vorneweg, was ungeschriebene Gesetze betrifft, gibt es neben denen, die du mit deiner Registrierung bewilligt hast,
nur ein einziges: Sag was du willst, wie du willst, und wann du willst! Niemand zwingt dich zu etwas oder fordert die
Einhaltung einer schwachsinnigen Nettiquette. Der freie Wille steht hier im absoluten Vordergrund und diesem stehen
Sprech- und Schreibregeln meist nur im Weg. Alles, was du tust, tust du im eigenen Interesse. ;)

Zum eigentlichen Thema:

Zuerst einmal muss man definieren, was wahre Freundschaft überhaupt ist. Obwohl ich die Definition von Aristoteles nicht kenne,
behaupte ich einfach mal, dass wahre Freundschaft wie wahre Liebe ist - nur ohne die sexuelle Komponente versteht sich.
Das, was sich daraus ergibt, scheint der platonischen Liebe recht ähnlich, doch ist diese mMn zu oberflächlich für das, was ich
wahre Freundschaft nenne.

Frei nach Nietzsche soll man wahre Freundschaft in der Tiefe suchen, denn die Seichte/Oberflächlichkeit hat eben nichts zu bieten,
was ihre "Qualität" übersteigt. Sicher, Nietzsche ist primär Egoist und Misantroph, aber das bin ich auch - und das ist im bezug auf
wahre Freundschaft auch sehr, sehr wichtig! Warum dem so ist, werde ich später noch erklären. Zurück zur Tiefe und deren Wichtigkeit!

Freundschaft umfasst, neben der gegenseitigen Zuneigung, bzw. Seelenverwandschaft, gemeinsame Interessen. Diese sind mMn auch
die wichtigste Grundlage für eine (sexuelle) Beziehung - wichtiger noch als die bloße Zuneigung. Die Interessen sind es, die die beiden
Teile einer beliebigen Beziehung den nötigen Halt verleihen. Sind sie zu seicht oder zu verschieden, bricht die Beziehung auseinander.

In der Tiefe eben dieser Interessen liegt der Keim einer wahren Freundschaft. Sie muss erst (wie auch eine Liebesbeziehung) wachsen,
bevor die Bezeichnung "wahr" verdient. Das Wachstum entsteht aus der Zeit, die man miteinander verbringt und - wie es die Bedeutung
des Worts erahnen lässt - aneinander wächst. Gemeinsame Erfahrungen/Erinnerungen auf Basis der gemeinsamen Interessen ergeben
den "Dünger" einer Freundschaft.

Demnach ist wahre Freundschaft also eine solche, die über eine sehr lange Zeit wächst und dabei bestehen bleibt. Parallel mit dem
Band, das die beiden Geister/Seelen vereint, erkunden beide gemeinsam die Untiefen ihrer Gemeinsamkeit. Stellt sich heraus,
dass ein Teil der Freundschaft der geistig-emotionalen Tiefe des anderen Parts nicht gerecht werden kann, stoppt das Wachstum
und erreicht nie die finale Stufe einer Freundschaft. Solche Beziehungen, die Tiefe suchen, aber nicht gleichsam tief sind, nenne
ich "normale" Freundschaften. Das sind die Leute, mit denen man gerne etwas unternimmt und mit denen man über viele Dinge
reden kann - nur nicht über tiefere Angelegenheiten.

Wahre Freunde gehen, aufgrund der exakt gleich tiefen Beziehungsbasis, dagegen weitaus weiter. Emotionale Tiefen sind für sie
kein Neuland. Durch die zuvor erlebte Tiefe auf anderen gemeinsamen Themengebieten, springen sie über ihren (egoist.) Schatten
und können sich ihrem anderen Part gefahrlos hingeben. Im übrigen tun mir die armen Schweine leid (nicht wirklich...), die davor
Angst haben ihre Freundschaften mit Liebesbeziehungen gleichzusetzen. Solche Kleingeister haben eben noch nie die Tiefe einer
wahren Freundschaft erlebt - worauf "Ich" auch schon angespielt hat.


Um nochmal auf die Wichtigkeit von Egoismus und z.T. auch Nietzsche zurück zu kommen, sagt Nietzsche, dass viele Menschen
ihre Zeit damit verschwenden sich in die Nähe von anderen zu flüchten, um von sich selbst und den eigenen Unarten abzulenken.
Allgemein nennt man das scheinbar "Nächstenliebe", aber Nietzsche nennt es "Nächstenflucht" - und das völlig zurecht!

Wenn ich mich für andere interessiere (genauer: aufopfere), bevor ich mich für mich selbst interessiere, dann ist die Hilfe, die
ich spende noch nicht mal einen Scheißhaufen wert. Die sogenannten Altruisten verbringen ihr Leben damit, jenes von anderen
Menschen zu leben. Sie wollen sich dann durch das Lob und die Anerkennung ihrer Opfer besser fühlen. So etwas widert mich
persönlich an! Wie zum Himmel kann man jemanden lieben (also in seine Gefühlswelt aufnehmen), wenn man noch nicht einmal
sich selbst lieben kann, weil man es nötig hat sich in die Anerkennung Zweiter zu flüchten?!?

Nur ein wahrer Egoist (nicht Egozentriker!!) weiß, was wahre Liebe ist - Selbstliebe - und kann diese dann an andere weiter geben.
Die Liebe eines Altruisten hingegen ist tückisch, trügerisch, und an Bedingungen gebunden. Falsch! Verlogen! Hässlich! :kotz: :kotz:
Jemand, der von mir verlangt (!) meine Niere für sein Überleben zu spenden, hat es mMn verdient keine zu bekommen... Entweder
man gibt/schenkt aus vollem Herzen, oder man lässt es besser. Schon wieder etwas von Nietzsche, dem großen Menschenhasser... :lala:


Um nun den bezug zwischen wahrer Freundschaft und Egoismus her zu stellen, ist Egoismus (also die ausreichende Liebe zu sich selbst)
die Nahrung, die man anstelle des Freundes verschlingt
. Indem ich mich - durch meine Selbstliebe - schon gefunden habe, muss ich mich
in meinem Freund nicht erst suchen (und evtl. verlieren). Im Gegenteil, indem ich mich selbst lieben kann, weiß ich, was liebenswert ist
und finde es in meinem Gegenüber ganz intuitiv.

Ein sich daraus ergebendes - und erörterndes - Phänomen, wäre z.B. wie sich im Gespräch zwischen wahren Freunden Gesprächsthemen
ganz einfach ergeben - sie müssen nicht, wie bei 08/15-Freunden, erst gesucht, bzw. im vorhinein vorhanden sein.

Sooo... Ich hoffe, ich konnte dir, Nurdan, soweit damit hilfreich sein. Wenn du Fragen hast, dann frag nur.
Solltest du noch Interesse an meiner Auffassung/Meinung zu oberflächlichen Freundschaften à la Facebbok
haben, kann ich gerne noch etwas dazu sagen... aber (leider) nicht viel Gutes...

PS:
Ich selbst bin zu sehr Misantroph, um wahre Freundschaften mit Menschen zu pflegen. Aber bedenke: wahre Freundschaft ist nicht
allein dem/den Menschen vorbehalten...! Um der Frage vor zu beugen: Nein, auch unter Tieren haben ich keine wahren Freunde.

PPS:
Wichtig: Solltest du vorhaben die Inhalte unserer Post in wissenschaftliche Arbeiten (wie z.B. ein Exposé ;) ) ein zu binden,
vergiss nicht um unsere Erlaubnis zu fragen! Wenn es nach mir ginge, würde ich auf diese Formalien pfeifen, aber aus wissenschaftlicher
Sicht sind sie ziemlich wichtig... Meine Erlaubnis hast du jedenfalls, aber frag zur Sicherheit nochmal in die Runde.

Um die notwendigen Zitierregeln wirst du (und auch wir) jedoch leider nicht herum kommen...
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