Heute gibt es von mir einmal wieder eine kleine Geschichte zum Thema Freundschaft im Zeitalter der Digitalen Kommunikation.
Die, denen es gefällt, viel Spaß beim lesen, die, die es nicht mögen, rechts oben ist das X.
Risiken und Nebenwirkungen von Freundschaften im Zeitalter der digitalen Kommunikation
Endlich hat es die Menschheit geschafft. Sie hat ein Weltreich erschaffen, ein System, welches mehr Teilnehmer hat als jedes andere. Der Name dieses Konzepts lautet "weltweite Vernetzung". Dieses System hat eine immer weiter wachsende Bevölkerungszahl, mittlerweile sind es über 2 Milliarden Personen. Auf diese Zahl wäre sogar die Volksrepublik China neidisch. Und das beste an diesem System ist, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, der Freund eines jeden anderen Menschen werden zu können. Das ist toll, oder nicht? Doch halt! So ein utopisch klingendes Konzept muss doch auch irgendwo einen Haken haben.
Bevor wir nun aber auf diese potenziellen Systemfehler eingehen, wollen wir uns zuerst an einer provisorischen Definition des Begriffes "Freund" versuchen. Hierfür möchte ich mich etwas an die Definition eines meiner Professoren anlehnen und wage nun eine persönliche Formulierung: "Das Leben ist wie eine Wüstenwanderung. Freunde sind diejenigen, auf deren Anwesenheit wir auch während des Zuges durch die Wüste zählen können, nicht nur an den Wasserstellen zwischen den Reiseetappen", Von dieser ersten Definition des allgemeinen Begriffes "Freund" ausgehend, wollen wir uns nun speziell der Freundschaft im Zusammenhang mit der digitalen Kommunikation zuwenden.
Freundschaften dienen allgemein betrachtet dem Menschen als Halt in seinem sozialen Umfeld. Sie übernahmen auch eine erzieherische Rolle, lassen den Menschen wachsen und sich entwickeln und geben ihm Sicherheit. Doch wie wandelt sich die Freundschaft, das "Freundsein", wenn zu diesem sozialen Kontext nun auch die digitale Vernetzung hinzugezogen wird? Wie bereits anfangs erwähnt ermöglicht es uns die digitale Kommunikation heute mit sehr vielen Individuen in Kontakt zu treten. dadurch eröffnet sich uns eine gigantische Auswahl an potenziellen Freunden und Bekannten. Sowohl Freunde als auch Kritiker der digitalen Kommunikation sehen diese Möglichkeit als größten Pluspunkt des Konzepts, die Möglichkeit, Leute und Gruppierungen zu treffen, die man sonst nie treffen und kennenzulernen könnte, ob virtuell oder im realen Leben. Da dieser Aspekt das eigentliche Wesen, den Kernpunkt der digitalen Kommunikation darstellt, benötigt er an sich auch keine wirkliche Erweiterungshilfe, da sich die Erweiterung mit zunehmender Vernetzung von selbst ergibt.
Doch diese gigantische Auswahl an neuen Kontakten und Bekannten beinhaltet auch die Möglichkeit, an eine Person zu geraten, die dem Betroffenen nicht freundlich gesonnen sein könnte. Die Welt der digitalen Kommunikation und Vernetzung ist nämlich nicht nur ein idyllisches Utopia des friedvollen Freundefindens. Es ist zugleich auch ein finsterer Pfuhl, ein Gewirr aus Verbrechen und dunklen Machenschaften, in die Leute verwickelt sind, denen man im realen Leben wohl lieber nicht über den Weg laufen sollte. Dunkle Gestalten, die in der Masse der anderen Teilnehmer untertauchen und denen nur schwer beizukommen ist. Lautstatistik von Interpol hat allein innerhalb der letzten sieben Jahre die Rate der Cyberverbrechen, Straftaten im Netz, um 547 Prozent Prozent zugenommen. Diese Zahl mag dem unbedarften Leser wohl sehr hoch erscheinen, doch muss man dieser Zahl auch die rasante Ausbreitung der globalen digitalen Vernetzung gegenüberstellen, um ein korrektes Gesamtbild zu bekommen. Dennoch sollte man sich bewusst sein, dass die Welt der digitalen Kommunikation nicht nur eine fröhliche und heitere Welt, sondern auch einen Ort der Gefahr darstellt. Nicht jedes freundlich lächelnde Profilbild gehört auch einer freundlichen Person.
Wo wir gerade bei dem Begriff "Profilbild" sind. Das Unternehmen Facebook ist vor einigen Wochen an die Börse gegangen. "Facebook", das ist der Name des größten sozialen Netzwerkes auf diesem Planeten. Laut eigener Aussage des Unternehmens hat dessen System bereits 830 Millionen registrierte Profile. Wäre Facebook ein Staat, dann wäre es somit die drittgrößte Nation der Welt mit mehr Einwohnern als die EU oder die USA. Facebook und alle anderen sozialen Netzwerke eröffnen ihren Usern die Option des permanenten Kontakts. So weiß man immer, was der Freund oder bekannte gerade macht, selbst wenn der Betreffende in Neuseeland oder auf der Toilette nebenan sitzt. Vorraussetzung für diese Option ist lediglich das Vorhandensein eines Zugangs zum digitalen Netz, die Möglichkeit, mit so wenig Zeitaufwand permanenten Kontakt zu Leuten halten zu können, selbst wenn man diese persönlich längere Zeit nicht sieht.
Doch so wie die Kontakte auf Facebookzunehmen, so schnell kann auch deren Tiefgang schwinden. Der Kulturkritiker und Literaturwissenschaftler William Deresiewicz kritisierte die Zunahme der Facebookfreundschaften folgendermaßen:
Diesem Zitat kann man gut entnehmen, was in unserem digitalen Zeitalter geschieht. Die Freundschaft verliert ihren Wert als zwischenmenschliche Beziehung. Qualität wird ersetzt durch Quantität. Dem kann man nur als einzelnes und bewusst denkendes Individuum begegnen. Eine allgemeine Aufrechterhaltung von Werten durch irgendeine übergeordnete Instanz ist hier schon aus rein logischer Betrachtung nicht möglich. Man muss selbst nach eigenem Gefühl und Gewissen entscheiden, wie weit man geht und welchen Werten man treu bleibt.Natürlich ist es Unsinn, jeden als Freund zu betrachten. Das Problem ist: Indem wir unsere bestehenden Freundschaften zu Facebook umziehen lassen, gibt es kaum noch Abstufungen. Unsere öffentlichen Statusnachrichten gehen an den besten Freund und an den entfernten Bekannten. Wir beschäftigen uns so sehr mit trivialer Kommunikation, dass wir immer weniger verstehen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein."
In seinem Essay "The End of Solitude" beschäftigt sich William Deresiewicz ebenfalls mit dem Thema "Vereinsamung". Wie das, wo doch alle Welt miteinander verbunden und befreundet ist? Der Kulturkritiker Lionel Trilling sprach dieses Thema bereits vor 50 Jahren an. Seiner Ansicht nach ist der Mensch der Moderne immer von der Angst geprägt, auch nur eine Sekunde von seiner "tumben" Herde getrennt zu sein. William Deresievicz formuliert es ähnlich:
Genauso wie der Tiefgang der Freundschaften abnimmt, so steigt mit ihrer quantitativen Ausbreitung auch die persönliche Vereinsamung. Doch ist dies eine giftige Vereinsamung, denn sie greift Geist und Seele an. Sie ist ohne Selbstreflexion, nur geprägt von der Angst. In Anlehnung an die Eremiten aus alter Zeit sei gesagt, dass es auch eine heilsame Einsamkeit gibt. Diese ist nur eine Phase der persönlichen Entwicklung, die man zum Zweck der eigenen Reifung durchlaufen muss. Man muss also aus dieser Abhängigkeit, die diese giftige Einsamkeit verursacht, ausbrechen, will man ihr tatsächlich entgegenwirken.Das fernsehen war eigentlich dazu gedacht, Langeweile zu vertreiben - in der Realität hat sie es verstärkt. genauso verhält es sich mit dem Internet. Es verstärkt die Einsamkeit. Je mehr uns eine Technik die Möglichkeit gibt, eine Angst des modernen Lebens zu bekämpfen, umso schlimmer wird diese Angst bei uns werden
Das Thema der Freundschaft in der digitalen Kommunikation ist sehr facettenreich, eine Verallgemeinerung der einzelnen Aspekte eigentlich unmöglich und eine komplette Durcharbeitung sehr zeitaufwendig. Als persönliches Statement kann ich nur sagen, dass der Mensch versuchen sollte an den Freundschaften, die er hat, zu wachsen. Er sollte sein Bewusstsein und seinen Blick dafür erweitern, was um ihn herum passiert, um so den oben angesprochenen negativen Aspekten begegnen zu können. Doch nicht alle Menschen sind zu Freunden geschaffen. Manche ziehen lieber alleine durch die Wüste und schlagen sich als Einzelkämpfer von Wasserstelle zu Wasserstelle
Khezef