Essay Genetik und menschliche Freiheit, 4.2.2005

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Essay Genetik und menschliche Freiheit, 4.2.2005

Beitrag von Archangelos »

Ein kleines Essay, dass ich letztens anlässlich unseres Biologieunterrichts geschrieben habe. Es soll ein bissi in der Frage rumstochern, inwiefern man im Zeitalter der Genetik noch von der menschlichen Freiheit sprechen kann.

Genetische Determiniertheit der Materie und transzendierende Freiheit des Geistes
Betrachtung zur Symbiose von Immanenz und Transzendenz

***

„Der Mensch ist frei geboren“, sagt Rousseau. Auf dieser einen Aussage basiert sein ganzes Werk zum Gesellschaftsvertrag, und nicht nur das Seinige, die menschliche Freiheit ist seit ihrer Entdeckung eine beliebte Argumentationsbasis bei Philosophen vieler Richtungen, und manche Antropologie basiert nicht nur auf dieser Freiheit, sie krallt sich förmlich daran. Ist es aber tatsächlich so? Ist der Mensch frei, oder ist das nur ein leeres Axiom, ein unhinterfragtes Standbein, und jede solche Antropologie in ihrer Grundfesten instabil? Zu dieser Frage drängt die Genetik, denn sie beweist uns: Der Mensch ist definiert durch sein Genom, und jede Veränderung der Gene ist eine Veränderung des Menschen. Der Mensch also frei geboren? Keinesfalls, ist man doch geneigt zu sagen, Determination und nicht Freiheit herrscht hier. Der Mensch nur ein Konstrukt aus dem, was ihm die Gene befehlen, und dem, was ihm seine Erfahrung sagt, sprich ein unfreies, gelenktes Wesen?

Beim Tier zumindest zeigt sich das ganz deutlich. Ein Tier ist nicht mehr als das genetische Konstrukt und die ihm mitgegebene Konditionierung. Hierzu ein Beispiel:
Eine Katze wird den Kanarienvogel in seinem Käfig fressen wollen, weil sie genetisch darauf programmiert ist, Vögel zu fressen. Die Katze kann nicht vor dem Käfig stehen und sich darüber Gedanken machen, ob sie das nun möchte oder nicht. Grundsätzlich wird die Katze nur dann von dem Vogel ablassen, wenn sie bereits satt ist, der von den Genen kommende Drang also bereits Befriedigung gefunden hat.
Weiter ist die Katze aber auch konditioniert, sprich wenn sie jedesmal eine Pantoffel angeworfen bekommt, wenn sie den Vogel angreift, dann wird ihr die Erfahrung bald einmal sagen, den Vogel in Ruhe zu lassen, weil die Angst vor der Pantoffel dominanter ist als das Genom. Hat die Katze lange keine Pantoffel gekriegt, so werden sich Angst und Drang die Waage halten. Die Katze hat vor dem Käfig trotzdem nicht die Freiheit, zu entscheiden, allein das dominantere Element (Gen oder Erfahrung) bestimmen darüber, welche Handlung die Katze antritt.
Materiell gesehen ist der Mensch nicht mehr als ein Tier. Wären wir nun also ebenso nur die unfreien Diener dieser zwei Kräfte?

Dem absurden Menschen ist das der Greuel schlechthin. Hierzu möchte ich kurz ausholen und die Frage aufwerfen, was den so schlimm am Verlust der Freiheit ist.
Spätestens seit Kant ist der einzig ehrliche Standpunkt im Bezug auf Gott (und vielmehr auch jede Eschatologie) der rein agnostische, sprich wir können Gott weder beweisen noch widerlegen. Ebenso geht es mit dem Sinn des Lebens, bzw. der Frage nach dem Leben nach dem Tod. Wir können weder beweisen, dass das Leben Sinn macht, noch können wir beweisen, dass es keinen Sinn macht. (Zumal es sich unserer Vernunft ja gänzlich entzieht) Das endet allerdings nicht in einer Sackgasse, wie man auf den ersten Blick zu meinen scheint.
Wenn wir annehmen, dass es keinen Gott gibt, und wichtiger noch, das Leben nach dem Tod endgültig zu ende und somit auch sinnlos ist, dann müssen wir eine Einstellung finden, mit dieser Situation fertig zu werden. (Die Verdrängung als Universallösung einmal ausgeschlossen.) Gehen wir aber davon aus dass es Gott gibt und das Leben einen Sinn macht - so entziehen sich diese Fakten, auch wenn sie da sind, immer noch unserer Vernunft, sprich es gibt kein evidentes Gesetz, an das man sich halten könnte. Unsere Leben müssen wir also konsequenterweise immer noch so leben, als hätten sie keinen Sinn. (Weil wir diesen, auch wenn er da ist, nicht erkennen können) Damit entledigen wir uns der leidigen Diskussion, ob Sinn oder nicht Sinn, im Endeffekt geht es um eine Lebensgestaltung, und die wäre in beiden Fällen die Gleiche.

Was ist nun aber mit der Freiheit?! Ebendiese Freiheit ist in einer sinnlosen Welt (und das ist die Welt zumindest auf der Ebene des Evidenten, und an das muss man sich halten) das Einzige, was dem Menschen noch bleibt. Deshalb nenne ich es auch den absurden Menschen, und folge damit ganz Camus, dessen ganze Problemstellung (der Widerspruch zwischen dem sinnsuchenden Menschen und der sinnfreien Welt, sprich dem Absurden) nur daran festhält, dass der Mensch auch frei ist. Ist der Mensch nicht frei, so kann auch auch nicht sinnsuchend sein (weil geleitet), sprich rein natürlich, total determiniert. Zwischen Mensch und Welt besteht nun kein Gegensatz mehr, die Absurdität verschwindet. Damit verschwindet die Subjektivität in der ihr so verhassten Indifferenz der Natur - und wird wertlos.
Oder, um auf einer emotionaleren Ebene zu argumentieren: Was bleibt uns in einer sinnfreien Welt noch als unsere Freiheit, tun zu können, was wir wollen, zu denken, zu entscheiden, wie wir es für richtig empfinden? Der Mensch sucht den Sinn, das ist evident, verliert er seine Freiheit, so gerät er in totale Unsinnigkeit. Die Lösungen liegen auf der Hand, Verdrängung oder Suizid.
Oder nochmal anders formuliert: Das Fehlen des objektiven Sinnes (weshalb das Leben?) kann nur durch subjektive Sinnsuche kompensiert werden (der Sinn des Lebens ist für mich...), sind wir nicht mehr frei, dann sind wir auch nicht mehr zur Sinnsuche fähig, und alles zerfällt in subjektiver Sinnlosigkeit - und diese kann nur mit Tod quittiert werden. (Wobei man dann in tragischer Ironie noch nicht einmal von Freitod sprechen könnte, immerhin wäre selbst diese Entscheidung nur das Zusammenspiel von Genen und Erfahrung, und somit nichtig. Nicht einmal mehr die Entscheidung zum Tod wäre ein Manifest des Ichs)

Die Freiheit ist also unbedingt notwendig - aber ist sie auch gegeben? Tiere sind unfrei, der Mensch ist zumindest biologisch ein Tier - warum sollte gerade er frei sein. Ist es nicht viel naheliegender, dass wir nur die Opfer unserer Erbanlagen sind - wenngleich diese auch noch so komplex sein mögen. Sprich: Wenn man alle Erfahrungen eines Menschen hat, und sein Genom kennt, liesse sich dann auf jede Situation die Reaktion dieses Menschen vorausberechnen? (Und die Frage ist nicht, ob das technisch möglich wäre, sondern ob es faktisch so IST)
Dieser Gedanke der totalen Determination ist bitter. Zu bitter.
Aber der Mensch ist frei, und das lässt sich sogar sehr einfach aufzeigen! Das absolute Manifest der Freiheit ist die sinnlose Handlung, und zu ihr ist der Mensch fähig. Ich kann, um ein Beispiel zu machen, nach draussen gehen und einen Baum anzünden. Weder mein Gen sagt mir, dass ich das tun muss, noch sagt mir meine Erfahrung, dass das anstrebenswert ist. Trotzdem kann ich es tun, weil ich die Freiheit dazu habe!
Oder, um auf die Katze zurückzukommen: Der Mensch wäre nicht gefangen zwischen dem Drang, den Vogel zu fressen und der Angst vor der Pantoffel, der Mensch kann sich aus dieser Situation herausabstrahieren und eine dritte, vierte, fünfte Handlung antreten.
Und mit der Freiheit, sinnlos zu Handeln, kommt natürlich auch die Freiheit, sinnvoll zu handeln, wir sind also nicht nur dann frei, wenn wir sinnlos handeln, sondern durchaus immer.

Der Mensch wird allerdings immer nur das tun, was ihm seine Motive gebieten, mag Schopenhauer entgegnen. Das mag als Erfahrungswert wohl stimmen, ist allerdings kaum als allgemeingültig zu betrachten. Wir dürfen nicht vergessen, dass Schopenhauer auf der reinen Handlungsebene argumentiert, und das ist im Bezug auf die transzendierende Freiheit absolut hinfällig. Aber bleiben wir trotzdem zuerst da und zeigen auf, weshalb seine Aussage sogar hier noch formal falsch ist.
Wenn der Mensch zehn Möglichkeiten hat, so wird er nach Schopenhauer die für ihn günstigste wählen. Das heisst er ist nicht frei, sondern handelt diesen ihn drängenden Motiven entsprechend. Er sagt, der Mensch könne tun was er will, aber er werde es nicht tun. Und das ist keine haltbare Aussage, schon gar nicht für einen Nachfolger Kants, als den er sich betrachtete, denn so eine Aussage entzieht sich dessen, was die Vernunft erfassen kann. Die Zukunft ist undefiniert, sie ist nichtseiend. Nun wie kann man eine Aussage über das Nichtseiende, Nochnichtgewesene machen? Das kann man nicht.
Aber auch auf einer wesentlich weniger formalen Ebene lässt sich Schopenhauer widerlegen. Er argumentiert nämlich nur damit, dass der Mensch nicht anders handeln wird, als es ihm die Motive gebieten. Allerdings gibt er zu, dass der Mensch die Freiheit hat, sich alle Alternativen zu denken. Das hat ein Tier nicht! Und hierauf beruht die transzendierende Freiheit des menschlichen Geistes.
Dass der Mensch immer das wählen wird, was für ihn das Beste ist, hat nichts mit Unfreiheit zu tun, sondern lediglich damit, dass der Mensch ein Hedonist ist. Das ist nur logisch, in einer sinnfreien Welt halten wir uns an das Schönste, weil wir sonst nichts haben!!
Noch deutlicher wird, dass diese Freiheit durchaus auch auf die Handlungsebene übergeht, wenn wir uns den Bereich des absolut Gleichgültigen anschauen. Wenn ich einen Stein in der Hand halte, so bin ich frei, ihn fallen zu lassen oder ihn zu werfen. Nichts macht einen Unterschied, keine der Handlungen ist qualitativ besser für mich als die andere, nichts kann mich beeinflussen was ich tun soll - und ich bin frei, zu entscheiden.
Und mehr noch: Wenn ich mich für etwas entscheide, so schliesse ich alle anderen Möglichkeiten aus, das ist richtig. Aber das ist nicht ein Verbrauch von Freiheit, das ist das Manifest der Freiheit! Ich bin sogar frei, mich zu verpflichten, ich verantworte mich aus freien Stücken für etwas. Ein selbst auferlegter Zwang ist keine Unfreiheit, es ist der Sinn der Freiheit, denn dazu ist sie da! Uns nämlich dorthin zu führen, wo wir, aus freiem Willen, hinwollen. Zudem, wenn ich von vornherein nicht handle, dann brauche ich auch keine Freiheit. Diese ist somit nur sinnvoll, wenn sie eine Handlung nach sich zieht. Dabei verliert sie sich nicht, damit erfüllt sie sich nur. Und damit verliert sich schliesslich auch Schopenhauers These: Wohl mag der Mensch von den dominantesten Motiven geleitet sein - nur ist es genau die transzendierende Freiheit, welche ebendiese Motive zu definieren vermag. Der Mensch ist frei, seine Ziele zu setzen, und somit auch in seinem Handeln frei, dass sich ja nur logischerweise an ebendiese Motive hält. (Ansonsten hätte das ganze Konstrukt ja gar keinen Sinn) *

Nun wirft diese transanimalische Freiheit allerdings weitere Fragen auf. Nämlich wäre die, ob unsere Freiheit nun eine natürliche oder eine übernatürliche wäre, sprich ob diese Freiheit nur über die Evolution zustande gekommen ist, oder ob es sich um mehr handelt. Natürlich sind folgende Betrachtungen selbstredend auf einer höchst bis rein spekulativen Ebene angesiedelt. Trotzdem, so glaube ich, lohnen sie.

Zwar scheint die menschliche Freiheit in der Natur einmalig, muss sie deshalb aber unnatürlich sein? Oder ist es auch ganz plausibel erklärbar dass freie Wesen natürlich entstehen? Eines müssen wir zu Anfang festhalten: Es kann kaum angenommen werden, dass es sich hier in irgendeiner Weise um eine angestrebte Sache handelt. Wenn die menschliche Freiheit natürlich entstanden ist, dann muss dies völlig zufällig oder aber aus einem evolutionären Drang heraus passiert sein, ein Einwirken von Aussen wäre nicht direkt evident, zumal das in der bekannten Natur auch sonst nirgendwo vorzukommen scheint.
Weshalb also sollte in der Natur so etwas wie die Möglichkeit des sinnlosen Denkens entstehen? Ich möchte behaupten das sinnlose Denken ist vor allem bei der Planung nützlich. Wenn nämlich eine Planung Sinn machen soll, so müssen verschiedene Faktoren mit einberechnet werden können. Das erfordert hohes abstraktes Denken, es müssen immer sehr viele mögliche Ausgänge betrachtet werden, und auch Faktoren mit einbezogen, die so nicht evident sind. Ein solches Planungsdenken müsste also frei sein.
Für die Planung widerum wären verschiedene Begriffe vonnöten, nämlich sind das ein Wissen um die Zukunft (das Bewusstsein muss weiter reichen als nur der Jetztmoment und die Erinnerung) und die Begriffe von Ich und Du. Naheliegend wäre hierbei, dass diese Begriffe sich aus der Sprache entwickelt haben - der Mensch, mit seiner hoch entwickelten Sprache hat sich also auch in die Richtung der Planung, der abstrakten Denkens und damit der Freiheit entwickelt. Und die Sprachentstehung widerum kann eher einfach erklärt werden - einmal entdeckt stellte sie sich als dermassen vorteilhaft heraus, dass sie ihren Siegeszug rasant antrat. (Man mag natürlich Fragen weshalb nicht auch andere Spezies diese Fähigkeit angenommen haben. Das ist allerdings schlecht möglich, weil die meisten rein anatomisch, sprich von der Ausbildung des Gehirns und der Sprechorgane, gar nicht fähig wären, eine solche Sprache zu adaptieren; innerhalb der Art des Homo sapiens hingegen wäre das ein eher simpler Lernvorgang, da wir ja grundsätzlich gleich befähigt sind.) Der Ursprung der Sprache selbst kann hier natürlich reinster Zufall sein.
Eigentlich wäre diese Schlussfolgerung so recht plausibel - auch wenn sie natürlich nicht Anspruch auf Richtigkeit erheben kann, so sieht man doch, dass der scheinbar unnatürliche menschliche Geist durchaus rein biologisch erklärt werden kann, ohne dass man ihm irgendetwas dessen absprechen müsste, was ihn ausmacht. Wir werden nicht zu unfreien Opfern unserer Gene, nur weil wir ohne Gott entstanden sein können - die Freiheit wäre nicht mehr und nicht weniger als eine (sehr hohe und dementsprechend seltene) Evolutionsstufe.

Schenken wir der Transzendenz trotzdem noch einige Gedanken. Der menschliche Geist scheint nun also (zumindest potentiell) rein natürlichen Ursprungs zu sein. Trotzdem hat er einige sehr spezielle Seiten, die vielleicht nicht mehr eine nichtmaterielle Welt nahelegen, aber doch zumindest in einer solche Richtung zeigen, eine solche Welt hinter unserem Verständnis erahnen lassen. Die transzendente Welt unseres Geistes, für keine Physik erfassbar und doch nicht wegzuargumentieren, eine unerfassbare Innenwelt mit gleichem Realitätsgehalt wie alle materielle Aussenwelt.
Aber nicht nur die Erfassbarkeit unterscheidet diesen Geist von der übrigen Natur. Da sind noch mehr besondere Eigenschaften. So scheint es doch so, dass dieses Potential immer irgendwo da ist, kein Mensch entwickelt sich in die Subjektivität hinein, sie manifestiert sich in ihm, scheint zu ihm kompatibel, und das schon seit Jahrhunderten. Unsere Fähigkeit, so zu denken, hat sich nicht mehr entwickelt, sie war in dem was sie ausmacht, schon lange da. Egal ob ein Asiat um 10 n. Chr., ein Europäer im 14.Jh. oder ein Afrikaner von Heute, in allem was Mensch ist manifestiert sich dieser Geist, es scheint eine Fähigkeit zu sein, die sich sehr rasch und sehr vollständig erschlossen hat. (Oder aber unsere Physiologie hat die Grenzen des Verarbeitbaren schon erreicht) Weiter befähigt und das, zu abstrahieren, sprich eine Kultur zu tragen und zu entwickeln. Und diese Kultur(en) an sich (und nicht ihre Ergebnisse) existieren nirgendwo ausser in dieser transzendenten Welt unserer Geister. Natürlich kann man sagen auf Papier, doch was ist schon Schrift?! Tinte auf Cellulose ist noch keine Kultur, nur wir sind in der Lage, daraus wieder das Gemeinte zu extrapolieren.
Und mehr noch! In dieser Transzendenz verbirgt sich unsere ganze Geschichte! „Die Vergangenheit“ als solche ist keinesfalls so präsent wie man das meinen könnte, denn sie ist per definitionem nicht mehr existent, folglich verloren. Der einzige Ort, wo sie erhalten bleibt, sind unsere Köpfe. Unser Gedächtnis. Wohin soll sie sonst?! Das Potential dieser Innenwelten ist scheinbar unendlich, wir sind nicht einmal limitiert auf das Mögliche. Sogar das nie und nimmer real Existente kann doch in dieser Welt existieren.

Und die Symbiose? Die Symbiose von Transzendenz und Immanenz. Der Mensch. Materielle Körper, Gene, Erfahrung, Konditionierung, Grenzen, aber belebt, begabt mit freiem Willen, mit der Fähigkeit, alles zu erschaffen, alles zu erdenken. Das ist mehr als nur eine Koexistenz, denn kein Teil kann den anderen verleugnen. Ein Mensch, der nur Maschine ist, der wäre per definitionem kein Mensch, denn Menschsein ist weit mehr als nur das Zusammenspiel von einigen Basen. Die Naturwissenschaften stossen an Grenzen, der Physik muss der Anspruch, Metaphysik zu sein, abgesprochen werden. Da ist mehr als nur Materie, freilich, wir brauchen keine Götter, Materie ist unsere Basis, aber das darauf erbaute Konstrukt ist viel mehr.
Aber auch den Körper kann man nicht leugnen, ihm entsagen, denn solche Geistigkeit ohne Materie ist ebenfalls nicht möglich. Wo soll sich Geist denn manifestieren, wenn nicht in uns? Es ist eine Symbiose, eine (so scheint es) untrennbare Verbindung. Körperliche Defekte beeinflussen den Geist, geistige Defekte den Körper.

Aber es ist schlussendlich noch mehr als nur das. Es ist nicht nur die Symbiose von Materie und Geist. Es ist die Symbiose von Evidenz und Hoffnung. Es wäre unklug, die Naturwissenschaft zu leugnen, ebenso unklug wäre es allerdings, ihr Alleingültigkeit zuzusprechen. Das Leben macht vielleicht keinen Sinn, und der Tod mag endgültig sein. Damit kann man leben. Aber der Verlust von Freiheit und subjektivem Sinn, das wäre nicht zu ertragen.
Diese Symbiose ist eine, die weder unseren Körper noch unseren Geist leugnet. Evident sind unsere Gene. Evident ist aber auch unsere Freiheit. Evident ist die Konditionierung - und ebenso evident unsere Verantwortung. Diese Prinzipe widersprechen sich nicht. Die Naturwissenschaft behält ihre Wahrheit, die Geisteswissenschaft ihre Hoffnung. Das macht unser Menschenbild komplett. Das ist die Symbiose von Materie und Geist - der Mensch.
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sehr interessant

Beitrag von Azazel »

Hi Arch,

gutes essay!! Meine Meinung seit jeher ist, dass der Mensch letztendlich der Sklave seiner Triebe ist und somit dadurch auch unfrei ist!

Den Mensch rein darauf zu subsummieren, dass er ein Gebilde chemischer, biologischer Prozesse ist und somit ein komplettes Entschlüsseln dieser prozesse in jedweder Situation jedwedes Handeln vorauszubestimmen ist, ist eine These über die ich mir selbst schon den Kopf zerbrochen habe - vielleicht ist es gut, dass diese Prozesse in ihrer Gänze sich noch nicht aufgetan haben; denn es wäre das Ende jedweder Spiritualität.

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Beitrag von Archangelos »

Mhm, ich glaube eben gerade dass der denkende Mensch seine Triebe überwinden kann. (Auch wenn ich noch so Hunger habe, ich werde Fritten erst anpacken wenn sie aus dem heissen Öl sind; ich brauch mir nicht erst die Finger zu verbrennen um zu wissen, dass das passieren wird, wenn ich jetzt reinpacke.... schlechtes Beispiel, aber spontan halt :) )
Camus sagt beispielsweise das Urteil des Körpers zählt allemal so viel wie das des Geistes. Und vice versa. Ich glaube man muss das ganze als Symbiose auffassen, nur materiell ist der Mensch wohl kaum, aber nur Triebwesen glaube ich eben auch nicht.


Ja, entweder oder. Ich glaube viele Leute würden dann wieder zur Kirche rennen und alles als Teufelszeug verdrängen... is fü rmich persönlich auch eine Horrorvorstellung... Meine Freiheit ist mir praktisch mein Leben wert. (Obwohl, auch sich zu töten hat keinen Sinn mehr, weil nicht mal das wäre eine freie Handlung...)
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Fritten

Beitrag von Azazel »

um dem Trieb nach Fritten zu folgen wird nur der Narr ins heiße Fett langen - das ist klar, aber der halbwegs intelligente wird sich eine Lösung ausdenken um trotzdem an die heiß begehrten Fritten zu kommen - dadurch wird der Trieb zur Triebfeder für Fortschritt ;)

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