Der schwarze Tod

Moderator: Cpt Bucky Saia

Benutzeravatar
Das Haus Usher
Beiträge: 53
Registriert: 22. Jan 2006 01:40

Der schwarze Tod

Beitrag von Das Haus Usher »

Der schwarze Tod

Erzittre Welt ! Ich bin die Pest .
Ich komm´in alle Lande
Und richte mir ein großes Fest;
Mein Blick ist Fieber, feuerfest
Und schwarz ist mein Gewande.

Ich komme aus Ägyptenland
In roten Nebelschleiern;
Am Nilustrand, am gelben Sand
Entzog ich Gift dem Wüstenbrand
Und Gift aus Dracheneiern.

Thalein und aus, bergauf und ab,
Ich mäh´zur öden Heide
Die Welt mit meinem Wanderstab;
Ich setz´vor jedes Haus ein Grab
Und eine Trauerweide.

Ich bin der große Höllentod,
Ich bin das große Sterben;
Es geht vor mir die Wassersnot,
Ich bringe mit das teure Brot,
den Krieg hab´ich zum Erben.

Es hilft euch nichts, wie weit ihr floht,
mein laufend Roß geht weiter !
Ich bin der schnelle schwarze Tod,
ich überhol´das schnellste Boot
Und auch den schnellsten Reiter.

Den Kaufmann trägt man mich ins Haus
Zugleich mit seiner Ware;
Es freut sich hoch, er lacht beim Schmaus,
Ich steig´aus seinem Schatz heraus
Und streck ihn auf die Bahre.

Mir ist auf hohem Felsvorsprung
kein Schloß zu hoch, ich komme;
Mir ist kein junges Blut zu jung,
Kein Leib ist mir gesund genug,
Mir ist kein Herz zu fromme.

Wenn ich nur schau uns Aug´ hinein,
Der mag kein Licht mehr sehen;
Dem ich gesegnet Brot und Wein,
Den hungert nur nach Staub allein,
Den durstet´s heimzugehen.

Im Osten starb der große Khan,
Auf Indiens Zimmetinseln
Starb Negerfürst und Muselmann
Man hört auch nachts in Ispahan
beim Aas die Hunde winseln.

Byzanz war eine schöne Stadt,
Und glühend lag Venedig;
Nun liegt das Volk wie welkes Blatt,
Und wer das Laub zu sammeln hat,
Wird auch der Mühe ledig.

An Nordlands letztem Felsenriff,
In einem kleinen Hafen
War ich ein ausgestorbenes Schiff,
Und alles, was mein Hauch ergriff,
das mußte schlafen, schlafen.
Sie liegen in der Stadt umher,
Ob Tag´und Monde schwinden;
Es zählt kein Mensch die Stunden mehr,
Nach Jahren wird man öd und leer
Die Stadt der Toten finden.
Benutzeravatar
Azazel
Site Admin
Site Admin
Beiträge: 11545
Registriert: 20. Mär 2005 15:54
Religionszugehörigkeit: keine
Wohnort: Der Dummheit der Menschheit sind keine Grenzen gesetzt
Kontaktdaten:

Beitrag von Azazel »

schöne Zeilen!
Benutzeravatar
Andromalius
Beiträge: 980
Registriert: 1. Jun 2005 11:27
Wohnort: Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein

Beitrag von Andromalius »

*applaudiert* schön! Wirklich schön! Zugabe!!! :cool:
Immer wenn man meint das man Recht hat, sollte man sich fragen ob es ein "Recht" überhaupt gibt.
Darona
Moderatorin im Ruhestand
Beiträge: 617
Registriert: 16. Jun 2005 22:22
Wohnort: Ein Tag ohne lächeln ist ein verlorener Tag

Beitrag von Darona »

Muss Azazel und Andromalius recht geben.

Schönes Gedicht, wirklich!
Benutzeravatar
Izumi-t
Beiträge: 303
Registriert: 27. Sep 2005 11:24
Wohnort: Aus Lügen, die wir glauben, werden Wahrheiten, mit denen wir leben.
Kontaktdaten:

Beitrag von Izumi-t »

Aha, auch ein Poe-Liebhaber. Find ich schön ^^
Ein Blitzableiter auf einem Kirchturm ist das denkbar stärkste Misstrauensvotum gegen Gott.
Benutzeravatar
Soul Keeper
Beiträge: 50
Registriert: 16. Nov 2005 11:59
Wohnort: Ein Fremder ist nur ein Feind, den Du noch nicht kennst!

Beitrag von Soul Keeper »

Tolles Gedicht!*Beifallgeb*
Einen tanzenden Stern kann nur der erschaffen,
der noch Chaos in sich trägt!

Zurück zu „Horrorliteratur“