Der kleine Vampir (44)

Die dämonische Kolumne
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Vamp
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Der kleine Vampir (44)

Beitrag von Vamp »

Ich habe gestern unheimlich viel über Verantwortung nachgedacht. Ich meine nicht die Verantwortung für mich, für mein Leben und für alles was ich tue, dich habe ich zweifellos immer. Vielmehr dachte ich über die Verantwortung für andere Lebewesen nach, wann diese beginnt und wann sie endet.

Diese Gedanken kamen mir als ich gestern beim Bladen auf meiner Stammstrecke fast einen kleinen dunklen Fleck überfuhr. Ich kehrte um, wollte genauer sehen was da lag. Als ich nahe genug dran war erkannte ich eine Fledermaus die da auf dem Boden lag. Ich hielt sie für tot, wollte sie mir genauer ansehen. Nach einigen Minuten wurde mir klar das die Bewegung des Nackenfells nicht vom Wind kam. Der kleine Kerl lebte noch. Ich überlegte was zu tun wäre. Kurz spielte ich mit dem Gedanken sie zurückzulassen. Sie würde sterben oder von Jemand anderem gefunden werden. Ich wollte mir diese Verantwortung nicht aufladen, aber dann wurde mir klar das die Verantwortung für ein hilfsbedürftiges Wesen nicht damit beginnt sich um es zu kümmern, sondern damit die Hilfsbedürftigkeit zu entdecken. Vorsichtig setzte ich ihn an den Rand ins Gras, fuhr nach Hause, schnappte mir den ersten Gartenhandschuh den ich in der Garage entdeckte und fuhr wieder zurück. Ich sah ein paar Kids (so 14 oder 15 Jahre) bei der Fledermaus hocken und wieder überkam mich das Bedürfnis es ihnen zu überlassen. Aber ich sah die Ratlosigkeit auf ihren Gesichtern und mir war klar das ich als diejenige die einen Plan hatte eingreifen musste. Ich setzte den kleinen Kerl auf meine behandschuhte Hand und fuhr nach Hause. Da er mehrmals versuchte mich zu beißen war ich froh den Handschuh geholt zu haben. Verantwortung hin oder her, auf Tollwut habe ich keine Lust. Zuhause legte ich eines unserer alten Putzhandtücher in einen tiefen Eimer und legte ihn da rein. Mit dem überhängenden Teil des Handtuchs deckte ich den Eimer bis auf einen kleinen Spalt ab, so das eine abgedunkelte Höhle entstand. Den Eimer stellte ich auf dem Balkon in den Schatten um ihn vor der Neugier der Katzen zu schützen. Dann rief ich den Tierschutzverein für den Landkreis Landsberg an. Eine sehr freundliche Frau gab mir eine Nummer von einer Frau die sich um Fledermäuse kümmert. Ich sprach der Dame auf den Anrufbeantworter und dann wartete ich. Gegen Abend rief sie zurück. Sie erklärte mir wo sie wohnte (etwa 80 km entfernt) und fragte mich ob ich bereit wäre die Fledermaus vorbeizubringen. Sie erklärte mir auch wie ich den Kleinen selbst versorgen könnte, aber da ich mir nicht mal sicher war ob er verletzt war, da ich in Fledermausanatomie nie besonders gut war, traute ich mir das einfach nicht zu.
Ich fand ihn ganz hinten im Handtuch, wo er sich aus dem Stoff eine Art geschlossener Höhle gebaut hatte, er war zweifellos tot. Zur Sicherheit lies ich meinen Freund noch einen Blick drauf werfen und da auch er sich sicher war, wurde der kleine Vampir ohne viel Zeremonie mitsamt dem Handtuch in unserer Mülltonne beerdigt. Ich rief die Fledermausfrau nochmal an und erklärte ihr die Situation. Sie war sehr nett und sagte mir noch das er wahrscheinlich Opfer eines Autos geworden war und entsprechend schon seit irgendwann in der vorherigen Nacht dort umher gekrochen war.
Werde ich nun das nächste Tier liegen lassen, weil sie ja doch sterben? Nein, ganz bestimmt nicht, den auch wenn ich dem kleinen Kerl das Leben nicht retten konnte, so habe ich ihm zumindest den Tod in der hellen Sonne auf einem ungeschützten Fahrradweg erspart. Wie die meisten Tiere verkriechen sich auch Fledermäuse zum sterben in eine dunkle Ecke und zumindest das konnte ich ihm geben, eine dunkle Ecke zum sterben.
Es wirk vielleicht grausam das ich zunächst darüber nachgedacht habe ob ich ihm helfen soll, aber es wäre einfach gelogen gewesen wenn ich geschrieben hätte das ich sofort und ohne zu zögern eingriff. Ich zögerte, so wie ich in jeder Situation in der es darum geht Verantwortung für andere zu übernehmen erst einmal darüber nachdenke. Da ich in einer Situation war in der ich meiner Meinung nach die Verantwortung schon hatte als ich das Wesen sah dauerte das Zögern nicht lange.
Es gibt andere Situationen in denen dieses Zögern sehr viel angebrachter, sogar notwendig ist. Wenn ich mich entscheide ein Haustier aufzunehmen, ob Hamster, Katze oder Hund, sollte ich sehr genau darüber nachdenken ob ich dieser Aufgabe gewachsen bin, ob ich die Verantwortung auch dann noch will wenn das Tier krank wird oder einfach anstrengend, denn wenn es soweit ist, ist es eigentlich schon zu spät die Entscheidung rückgängig zu machen, auch wenn viele Menschen sich trotzdem aus der Verantwortung ziehen und das Tier aussetzen oder weggeben. Ebenso ist es mit dem Kinderkriegen und auch da gibt es zu viele Leute die nicht an nährend genug zögern.

Verantwortung für andere kann man freiwillig übernehmen, dann ist es gut und man kann sich vorbereiten. Aber manchmal bekommt man die Verantwortung einfach, zum Beispiel dann wenn man ein Wesen, ob Mensch oder Tier irgendwo liegen sieht. Dann muss man einfach versuchen zu helfen so gut es geht. Ich finde es völlig in Ordnung wenn man dabei Angst oder auch Widerwillen empfindet, dennoch habe ich kein Verständnis dafür das man einfach weggeht, man muss sich überwinden und wenn man nur irgendwo anruft und die Polizei oder den Tierschutzbund informiert, je nach Situation.
Wenn Katzen wie Frösche aussähen, so würde uns bald klar, wie gemein die kleinen Teufel sind. (Lords und Ladys; Terry Pratchett)
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Azazel
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Beitrag von Azazel »

Ist mir auch schon mit einem kleinen Vogel passiert - ähnliche Situation und ähnliche Gedanken und ich habe mich zur selben Vorgehensweise wie Du entschieden mit demselben Ergebnis. Ich denke auf jeden Fall, dass ich diese Art von Verantwortung auch wieder übernehmen würde.

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