Seite 1 von 1

Die Nibelungen

Verfasst: 26. Sep 2021 14:24
von Elevation Eight
Mir ist da irgendwo ein Filmchen in die Hände gefallen, und lag auf der Platte rum - und gestern hab ichs mir dann mal angeschaut:

Curse of the Ring, by Uli Edel 2004 (Deutsche Produktion)

Beim Reinschauen ist dann schnell klargeworden, dass das nicht irgendein B-Movie aus dem Internet ist, sondern eine ganz einwandfreie Produktion. Es kann natürlich nicht mit Super-Budget-Produktionen wie 'Herr der Ringe' mithalten, erfüllt aber alle Voraussetzungen für einen guten Kinofilm, und ist komplett mit vortrefflichen Schauspielern besetzt.

Erzählt wird der Siegfried-Mythos, den von Richard Wagner gewählten Inhalten folgend, das ganze gestrafft und schlüssig gemacht so dass eine leicht zugängliche Kinofassung draus wird. M.a.W., es ist ein schöner sentimentaler Liebesfilm geworden.

Dann hab ich mich gewundert, warum ich davon so gar nichts gehört hab - im gegensatz zu anderen und oft banaleren Produktionen, die in der Presse rauf und runter ausgebreitet werden - und hab das meiner mangelnden Aufmerksamkeit zugeschrieben.

Jetzt wird mir freilich klar: ich hab davon nichts gehört, weil es schlicht keine Media Coverage dazu gibt. Keine Kommentare, keine Kritiken, kein gar nix.

Das ist bizarr, schon deswegen, weil es sich da ja um den eigentlichen Stoff handelt, auf den alles andere zurückgeht. Es gibt ja für Mitteleuropa i.W. diese beiden Mythenkreise: den Artus-Zyklus im englisch-französischen Raum, der auf keltischen Traditionen fußt, und den Siegfried-Sagenkreis im germanisch-nordischen Raum, der auf die nordischen Götter zurückgeht. Und auch Tolkien war im Wesentlichen vom Siegfried-Mythos inspiriert und hat darauf basierend dann seinen eigenen Epos geschaffen, und vieles davon stammt aus dem originalen Stoff: der Drache, der Ring, usw. Und darauf wiederum beruht das ganze Fantasy-, Adventure- usw. Genre.

Von daher, selbst wenn der Film scheiße ist, dann wäre es doch relevant gewesen, eben darüber zu reden.

Ich finde aber nicht, dass er scheiße ist. Im Gegenteil, ich finde es vielmehr richtig und wichtig, genau soetwas zu machen: der Mythos hat immer davon gelebt, dass er neu erzählt wurde, in einer Fassung wie ihn das Publikum der Gegenwart verstehen kann - dabei die zeitlosen Motive bewahrend. Also hier: der Fluch des Goldes, die Rivalität unter Frauen, die Entscheidung zwischen Karriere und Schicksal, und daß Magie in den falschen Händen gewaltig schiefgehen kann.

Und für den Siegfried-Mythos war so eine Neuerzählung eh überfällig.

Warum also ist das so völlig ignoriert worden? Eine deutsche Fassung scheint überhaupt nicht erhältlich zu sein.

Die englische Version (eine um knapp eine Stunde gekürzte Kinoversion) dagegen gibt es frei zugänglich hier: https://www.youtube.com/watch?v=qghUt4HLXqs
Ansonsten findet man die unter einer ganzen Anzahl ulkiger Titel:
The Ring Of The Nibelungs
The Sword Of Xanten
The Dragon King
Curse Of The Ring
Dark Kingdom
usw.
Und dazu gibt es dann auch ein paar Diskussionen, und durchaus viele positive Bewertungen.

Auf deutsch dagegen gibt es lediglich eine Wikipedia-Page, die dem Film Kinotauglichkeit attestiert, und die eine Rezension zitiert, wo kritisiert wird, dass der Film "die Rezeption des Nibelungenlieds als deutsches Trauma" nicht berücksichtigt.

Wie bitte ist das zu verstehen? Heißt das vielleicht, dass ein Heldenepos im deutschsprachigen Raum nicht statthaft ist, und die Bardische Tradition sich stattdessen darauf konzentrieren soll, zu thematisieren wie schlimm die Nazis sind? Oder verstehe ich das falsch?
Und: kann das womöglich ein Grund sein, um eine Produktion in der Schublade verschwinden zu lassen und den Mantel des Vergessens drüber zu breiten?

Die Rezensentin hat jedenfalls m.E. nicht verstaden, wozu der Mythos existiert: er existiert in erster Linie, um zu unterhalten (denn sonst interessiert es schlicht niemand) und dabei ein paar zeitlose Weisheiten mit zu vermitteln. Er ist jedenfalls nicht dazu da, um Intellektuelle zu befriedigen, die sich nur in tiefsinnigen Traumata wälzen wollen, ohne daraus irgendetwas zu erkennen.