Endlich, Cthulhu!

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Moderator: Tyger

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Re: Endlich, Cthulhu!

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Mr.T hat geschrieben:
Tekanne hat geschrieben:Das war weit vor dem Kapitalismus schon so.
Kommt darauf an, welche Gesellschaften er da im Sinn hat. Der mittelalterliche Bauer kannte die geschriebenen Gesetze seines Landes nicht und sie gingen ihn nichts an. Was für seinen Willen relevant war, war der unmittelbare Herrscherwille seines lokalen Feudalherren und vielleicht noch die Predigten der lokalen Priester. Für das römische Reich hat er dann hingegen wieder in etwa Recht - aber das römische Reich nahm von allen vormodernen Gesellschaften vielleicht mit am meisten Eigenschaften des modernen Kapitalismus vorweg. Und wieder andere Gesellschaften haben andere Ordnungssysteme. Ein Spezifikum des modernen Kapitalismus ist allerdings, dass die Gesetze im Kapitalismus den Willen der Subjekte nicht nur äußerlich bestimmen, sondern tendenziell völlig zur internalisierten Formbestimmung werden, mit der die Subjekte sich selbst und ihre Stellung identifizieren. Genau das ist nämlich mit dem Begriff des allgemeinen Rechts gemeint. Deshalb passen ja auch Kapitalismus und Protestantismus so gut zusammen.
Das mit den Kristallpyramiden etc. hättest du vielleicht besser nicht gepostet. Das war eher meine Wiedergabe davon, wie Dawkinsianer diese Themen üblicherweise sehen, als meine Meinung dazu.
Mr.T hat geschrieben:Also du kannst da von mir aus gerne nochmal erwähnen, dass ich mich auch mit Themen der Mystik beschäftige und das eher meine Wiedergabe dessen ist, was ich bisher von Dawkinsianern zu solchen Themen gehört habe, und nicht eigenen Disrespekt von meiner Seite ausdrücken sollte. Wolf Drache scheint da aber wohl etwas die Ausnahme zu sein.
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Re: Endlich, Cthulhu!

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Mr.T. hat geschrieben:
Wolf Drache hat geschrieben:Das ist die Basis meiner (und Dawkins') Argumentation, dass auf den ersten Blick für das Individuum oder für die Gruppe nachteilige Verhaltensweisen des Menschen, sehr wohl genetisch (mit-)verursacht sein können und somit in der Natur des Menschen liegen.

Damit fällt die schöne Argumentation von @fehlgeleitet in sich zusammen, dass alles Böse im Menschen vom Kapitalismus verursacht wird und alleine durch den Übergang in die kommunistische Planwirtschaft Frieden in der Gesellschaft einkehrt.

Also Wolf Drache führt eine kompliziert verklausulierte völlige Banalität als Argument ins Feld, um einen reinen Strohmann zu entkräften.

...Jaa, ich weiß schon, warum ich aus dem Gespräch aussteige. Und das kannst du ihm auch genau so sagen.
Zu seiner Selbstvorstellung im Forum kannst du mir mal einen Link geben, vielleicht lese ich da mal drüber.
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Re: Endlich, Cthulhu!

Beitrag von Wolf Drache »

fehlgeleitet hat geschrieben: 17. Jul 2022 00:28 Kommt darauf an, welche Gesellschaften er da im Sinn hat. Der mittelalterliche Bauer kannte die geschriebenen Gesetze seines Landes nicht und sie gingen ihn nichts an. Was für seinen Willen relevant war, war der unmittelbare Herrscherwille seines lokalen Feudalherren und vielleicht noch die Predigten der lokalen Priester. Für das römische Reich hat er dann hingegen wieder in etwa Recht - aber das römische Reich nahm von allen vormodernen Gesellschaften vielleicht mit am meisten Eigenschaften des modernen Kapitalismus vorweg. Und wieder andere Gesellschaften haben andere Ordnungssysteme. Ein Spezifikum des modernen Kapitalismus ist allerdings, dass die Gesetze im Kapitalismus den Willen der Subjekte nicht nur äußerlich bestimmen, sondern tendenziell völlig zur internalisierten Formbestimmung werden, mit der die Subjekte sich selbst und ihre Stellung identifizieren. Genau das ist nämlich mit dem Begriff des allgemeinen Rechts gemeint. Deshalb passen ja auch Kapitalismus und Protestantismus so gut zusammen.
Ich glaube Dein Grundfehler ist, dass Du Dich immer nur mit der beherrschten Klasse beschäftigst.
Denk doch mal darüber nach, welche Eigenschaften die herrschende Klasse charakterisieren und ob es gemeinsame Eigenschaften der herrschenden Klasse in Kapitalismus, Oligarchie, Monarchie und Gottesstaat gibt.
Vielleicht fällt Dir dann auf, dass diese Eigenschaften auch bei den Herrschenden im real existierenden Sozialismus existiert haben und existieren.

Jede Gruppe von Menschen ab einer bestimmten Größe (egal in welchem Gesellschaftssystem) zerfällt in Führende und Geführte - das kannst Du selbst jederzeit beobachten, wenn Du mit offenen Augen durchs Leben gehst. Wenn sich diese Spaltung längerfristig etabliert, werden daraus Herrscher und Beherrschte.

Dem Beherrschten ist es vollkommen egal, ob die Gesetze nach denen er lebt niedergeschrieben sind oder nicht - es zählt der unmittelbare Herrscherwille seines Herrschers oder dessen Repräsentanten. Das ist im Kapitalismus nicht anders als im Feudalismus - sonst könnten sich nicht so viele Kapitalisten über geltendes Arbeitsrecht hinwegsetzen, obwohl es niedergeschrieben ist.

Etwas schräg finde ich, dass Du die Gesetzeslage im Kapitalismus als "völlige Fremdbestimmung" bezeichnest. Da frage ich mich doch, was dann Leibeigenschaft oder Sklaverei ist, oder Zwangsarbeit (bzw. Arbeitspflicht), wie sie (nach Deiner eigenen Aussage) in der DDR und anderen Ostblockstaaten existierte.
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Re: Endlich, Cthulhu!

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... dass ich mich auch mit Themen der Mystik beschäftige...
Dachte ich mir. Mystiker sind schlimmere Sklaven als Fromme. Dem gerade Mächtigsten unterwürfigst zu Diensten. Es macht sie geil.

"Die Fürsten sollen herrschen, die Sklaven sollen dienen."
== Liber AL vel Legis, A. Crowley.==

Ich bin Magus. Mein Eid und Motto ist non serviam. Diesen Grad habe ich 2000 abgeschlossen. Sein Ziel war alle Falschheit zu entlarven und zu vernichten.

Seither ist mein Weg Ipsissimus.

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Re: Endlich, Cthulhu!

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Mr.T. hat geschrieben:
Wolf Drache hat geschrieben:Etwas schräg finde ich, dass Du die Gesetzeslage im Kapitalismus als "völlige Fremdbestimmung" bezeichnest.
Wolf Draches verfälschend unsauberers Lesen geht mir langsam aber sicher extrem auf den Zeiger.
Da steht nicht, dass die Gesetzeslage im Kapitalismus völlige Fremdbestimmung ist, sondern dass es völlig zur internalisierten Formbestimmung wird - also mit anderen Worten dass das kapitalistische Subjekt das externe Gesetz tendenziell völlig als eigene Selbstbestimmung wahrnimmt, was im Feudalismus oder gerade in der Sklaverei eben gerade nicht der Fall ist. Wolf Drache mag sich darüber informieren, was in den Sozialwissenschaften das Wort "Internalisierung" bedeutet.
Alles, was Wolf Drache in seinem Beitrag zur Geschichte von Klassenverhältnissen zu sagen hat (bzw. dazu, dass Klassenverhältnisse seiner Meinung nach keine Geschichte hätten), ist klar falsch und ignoriert u. A. völlig die ökonomische Basis der verschiedenen Klassenherrschaften. Sobald man sich damit beschäftigt, stellt man fest, dass "Herrschaft" nicht die "längerfristige Etablierung von Führung" ist, sondern was völlig anderes als Führung. Die Bourgeois- bzw. Kapitalistenklasse herrscht nicht dadurch, dass sie "führt", sondern dadurch, dass sie die Mittel zur Produktion als Privateigentum in ihren Händen hält. Und nein, das war nicht die Grundlage jeder bisher herrschenden Klasse. Im Feudalismus langen die Produktionsmittel z. B. im Durchschnitt in den Händen der einzelnen Arbeitenden bzw. Produzierenden.
Wie er darauf kommt, dass ich mich immer nur mit den beherrschten Klassen beschäftigt habe, weiß er auch nur selbst. An seinem Beitrag merkt man jedenfalls, dass er derjenige ist, der sich nicht mit den verschiedenen herrschenden Klassen und den Grundlagen ihrer Herrschaft beschäftigt hat.
Thefalus hat geschrieben: Mystiker sind schlimmere Sklaven als Fromme. Dem gerade Mächtigsten unterwürfigst zu Diensten. Es macht sie geil.
Ooh, Thefalus versucht mich zu kinkshamen. Wie niedlich.
Also Herrschaft funktioniert unterschiedlich, je nachdem was der Zweck der Herrschaft ist. Das es bisher in der Geschichte immer Herrschaft gab beweist nicht, dass es nicht auch ohne Herrschaft gehen könnte. Denn eins ist sicher: Geil werden die Beherrschten durch Herrschaft nicht, mag Adorno und die Frankfurter Schule auch solche Dinge behaupten, dass das dritte Reich am besten als BDSM Orgie zu verstehen sei. Die Beherrschten hätten also allen Grund die Herrschaft los zu werden, eben weil die Herrschaft von ihnen Dinge will, die sie selbst nicht wollen. Sonst wäre die Herrschaft ja unnötig.
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Re: Endlich, Cthulhu!

Beitrag von Thefalus »

Also Herrschaft funktioniert unterschiedlich, je nachdem was der Zweck der Herrschaft ist. Das es bisher in der Geschichte immer Herrschaft gab beweist nicht, dass es nicht auch ohne Herrschaft gehen könnte. Denn eins ist sicher: Geil werden die Beherrschten durch Herrschaft nicht, mag Adorno und die Frankfurter Schule auch solche Dinge behaupten, dass das dritte Reich am besten als BDSM Orgie zu verstehen sei. Die Beherrschten hätten also allen Grund die Herrschaft los zu werden, eben weil die Herrschaft von ihnen Dinge will, die sie selbst nicht wollen. Sonst wäre die Herrschaft ja unnötig
Jede Herrschaft erzeugt ein Machtgefälle. Die Beherrschten, die Unterwürfigen, die Submissiven sind stets die Masse. Sie erleben einen starken Lustgewinn (Geiheit) in diesem Akt. So umfassen die nach oben gereckten Hände des/der Knienden ursprünglich die Eier des Fürsten. Das Gebet, nicht wahr.
Religio, rückbinden, beschreibt die auf dem Rücken gefesselten Hände des geilen Frommen/Mystikers. So geht er zur Kirchenparty. Nein, die wollen den Lustgewinn nicht aufgeben.
Im Gegenteil: Eine stattliche Anzahl an Fürsten endet als Untertan. Es gibt viele, die nicht taugen.

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Re: Endlich, Cthulhu!

Beitrag von Thefalus »

Würde man nun den Fürsten abschaffen, entstünde ein Vakuum. Die Gier und Geilheit nach beherrscht werden, wüchse ins Unermessliche. Jeder Depp taugt dann zur Herrschaft. So entsteht Diktatur aus Liberalismus.

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Re: Endlich, Cthulhu!

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Thefalus hat geschrieben: 17. Jul 2022 21:15 Würde man nun den Fürsten abschaffen, entstünde ein Vakuum. Die Gier und Geilheit nach beherrscht werden, wüchse ins Unermessliche. Jeder Depp taugt dann zur Herrschaft. So entsteht Diktatur aus Liberalismus.

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Kann ich 1:1 unterschreiben. Der Fürst lässt sich dabei nach Belieben durch den großen Vorsitzenden, die Bundesregierung (als Institution), den Präsidenten, den Papst oder den Mullah ersetzen.
Der Wunsch nach Beherrschung lässt sich übrigens sehr schön evolutionsbiologisch begründen: Ein Gen, das das Gehorchen begünstigt, hat Selektionsvorteile, wenn in der gleichen Gruppe Individuen leben, die herrschen und eine Gruppe führen können. Die Individuen die es besitzen brauchen nicht selbst entscheiden, haben also weniger Aufwand und weniger Risiko als Individuen die nicht beherrscht werden (vorausgesetzt der Herrscher versteht sein Handwerk). Der geringere Aufwand schlägt sich in einer höheren Geburtenrate nieder, die Qualität des Herrschers bewirkt eine gestiegene Lebenserwartung für den Nachwuchs.
Ein Gen, das das Herrschen begünstigt, hat Selektionsvorteile, wenn in der gleichen Gruppe Individuen leben, die die Befehle des herrschenden Individuums bereitwillig ausführen. Der Herrscher kann mit Hilfe von gehorsamen Untertanen wesentlich mehr erreichen, vom Sammeln von Nahrung über die Verteidigung gegen natürliche Feinde bis hin zur Eroberung neuen Lebensraums und damit potentiell mehr erfolgreich überlebende Nachkommen.
Eine evolutionär stabile Strategie ist daher eine ausgewogene Koexistenz von Genen, die das Gehorchen fördern und Genen, die die Fähigkeit fördern, zu herrschen.
Das ist übrigens ein hervorragendes Beispiel, dass nicht einzelne Gene selektiert werden. Ein Gen für das Herrschen alleine wäre für die Selektion von Nachteil weil sich die Individuen gegenseitig die Rübe einschlagen würden anstatt zu kooperieren. Ein Gen für das Gehorchen alleine wäre für die Selektion von Nachteil, weil dann keiner der Gruppenmitglieder in kritischen Situationen entscheiden und dadurch das Überleben der Gruppe sichern würde.
Ein Gleichgewicht des Herrschens und Gehorchens dagegen ist in Krisensituationen einer Gruppe ohne Herrschaftsstrukturen klar überlegen, weil eine Gruppe unter einem Herrscher deutlich schneller reagieren kann als eine Gruppe, die Entscheidungen erst finden muss.

Ich hätte von @fehlgeleitet gerne mal einen Praxisnachweis dafür, dass das Zusammenleben größerer Gruppen (sagen wir > 1000 Leute) längerfristig (sagen wir > 1 Jahr) ohne Herrschaft geht. Bislang ist diese Aussage eine bloß theoretische Behauptung ohne jeden Praxisbezug.
"Ach, es ist der Fehler unserer Wissenschaft, dass sie alles zu erklären wünscht; und wenn es ihr nicht gelingt, dann sagt sie, es sei nichts daran zu erklären."
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Re: Endlich, Cthulhu!

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Wolf Drache hat geschrieben: 17. Jul 2022 22:01
Thefalus hat geschrieben: 17. Jul 2022 21:15 Würde man nun den Fürsten abschaffen, entstünde ein Vakuum. Die Gier und Geilheit nach beherrscht werden, wüchse ins Unermessliche. Jeder Depp taugt dann zur Herrschaft. So entsteht Diktatur aus Liberalismus.

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Kann ich 1:1 unterschreiben. Der Fürst lässt sich dabei nach Belieben durch den großen Vorsitzenden, die Bundesregierung (als Institution), den Präsidenten, den Papst oder den Mullah ersetzen.
Oder den "Vorsitzenden"!
Wolf Drache hat geschrieben: 17. Jul 2022 22:01 Ich hätte von @fehlgeleitet gerne mal einen Praxisnachweis dafür, dass das Zusammenleben größerer Gruppen (sagen wir > 1000 Leute) längerfristig (sagen wir > 1 Jahr) ohne Herrschaft geht. Bislang ist diese Aussage eine bloß theoretische Behauptung ohne jeden Praxisbezug.
:) :dafuer:

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Re: Endlich, Cthulhu!

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so, da du auf meine Erklärungen nicht einzugehen scheinst, schlage ich vor, dass wir uns auf deine Hypothesen konzentrieren.
Wolf Drache hat geschrieben: 17. Jul 2022 22:01
Thefalus hat geschrieben: 17. Jul 2022 21:15 Würde man nun den Fürsten abschaffen, entstünde ein Vakuum. Die Gier und Geilheit nach beherrscht werden, wüchse ins Unermessliche. Jeder Depp taugt dann zur Herrschaft. So entsteht Diktatur aus Liberalismus.

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Kann ich 1:1 unterschreiben. Der Fürst lässt sich dabei nach Belieben durch den großen Vorsitzenden, die Bundesregierung (als Institution), den Präsidenten, den Papst oder den Mullah ersetzen.
Der Wunsch nach Beherrschung lässt sich übrigens sehr schön evolutionsbiologisch begründen: Ein Gen, das das Gehorchen begünstigt, hat Selektionsvorteile, wenn in der gleichen Gruppe Individuen leben, die herrschen und eine Gruppe führen können. Die Individuen die es besitzen brauchen nicht selbst entscheiden, haben also weniger Aufwand und weniger Risiko als Individuen die nicht beherrscht werden (vorausgesetzt der Herrscher versteht sein Handwerk). Der geringere Aufwand schlägt sich in einer höheren Geburtenrate nieder, die Qualität des Herrschers bewirkt eine gestiegene Lebenserwartung für den Nachwuchs.
Du meinst also ein Soldat der an die Front geschickt wird, hat weniger Aufwand und weniger Risiko als der Typ der im dazu die Behle gibt?
Ein Sklave, der den Befehl seines Herren ausführt, zum Beispiel im Bergwerk Steine zu klopfen hat weniger Aufwand und Risiko als sein Herr, der die schwere Last der Verantwortung trägt?
Oder führt der Herr Krieg und lässt die Sklaven im Bergwerk arbeiten, weil er etwas falsch macht?
Außerdem stimmt es doch gar nicht, dass Sklaven massig Kinder in die Welt setzen. Viele von ihnen hatten überhaupt keine Kinder.

Ob die Befehlsempfänger viele oder gar keine Kinder haben ist offensichtlich nicht aus ihrer Lage als Befehlsempfänger abzuleiten.

Wolf Drache hat geschrieben: 17. Jul 2022 22:01 Ein Gen, das das Herrschen begünstigt, hat Selektionsvorteile, wenn in der gleichen Gruppe Individuen leben, die die Befehle des herrschenden Individuums bereitwillig ausführen. Der Herrscher kann mit Hilfe von gehorsamen Untertanen wesentlich mehr erreichen, vom Sammeln von Nahrung über die Verteidigung gegen natürliche Feinde bis hin zur Eroberung neuen Lebensraums und damit potentiell mehr erfolgreich überlebende Nachkommen.
Eine evolutionär stabile Strategie ist daher eine ausgewogene Koexistenz von Genen, die das Gehorchen fördern und Genen, die die Fähigkeit fördern, zu herrschen.
Das ist übrigens ein hervorragendes Beispiel, dass nicht einzelne Gene selektiert werden. Ein Gen für das Herrschen alleine wäre für die Selektion von Nachteil weil sich die Individuen gegenseitig die Rübe einschlagen würden anstatt zu kooperieren. Ein Gen für das Gehorchen alleine wäre für die Selektion von Nachteil, weil dann keiner der Gruppenmitglieder in kritischen Situationen entscheiden und dadurch das Überleben der Gruppe sichern würde.
Wie erklärst du dir eigentlich den Fall der Gehorsamsverweigerung?
Also individuell, wie beim Kriminellen, oder massenhaft, wie bei einer Rebellion?
Wolf Drache hat geschrieben: 17. Jul 2022 22:01
Ein Gleichgewicht des Herrschens und Gehorchens dagegen ist in Krisensituationen einer Gruppe ohne Herrschaftsstrukturen klar überlegen, weil eine Gruppe unter einem Herrscher deutlich schneller reagieren kann als eine Gruppe, die Entscheidungen erst finden muss.

Ich hätte von @fehlgeleitet gerne mal einen Praxisnachweis dafür, dass das Zusammenleben größerer Gruppen (sagen wir > 1000 Leute) längerfristig (sagen wir > 1 Jahr) ohne Herrschaft geht. Bislang ist diese Aussage eine bloß theoretische Behauptung ohne jeden Praxisbezug.
Da muss man unterscheiden zwischen einer Herrschaft die von einem Dinge will, die man selbst nicht will und einem Kommando, dass das selbe Ziel verfolgt wie ich.

Arbeiten wir alle am gleichen Projekt, von dem wir uns alle einen Vorteil versprechen, so würde ich nicht von Herrschaft sprechen. Also zum Beispiel wenn wir alle an einem Hausbau teilnehmen in dem wir auch alle wohnen wollen und einer dirigiert die Arbeit.
Ein anderer Fall wäre der Bau eines Hauses, in dem wir nicht drin wohnen sondern andere, wir aber gezwungen werden mitzumachen. Im Kapitalismus nennt man das Lohnarbeit. Man ist gezwungen sich ausbeuten zu lassen, weil man auf das Geld angewiesen ist.

Ich werde also zur Lohnarbeit gezwungen, weil die Herrschaft das Eigentum beschützt, was eben nicht im Sinne aller, sondern nur im Sinne der Besitzenden ist sowie die Lohnarbeiter, die ihre Abhängigkeit vom Eigentum in ihre eigene Wahl umdeuten.
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Re: Endlich, Cthulhu!

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Thefalus hat geschrieben: 17. Jul 2022 21:15

Jede Herrschaft erzeugt ein Machtgefälle.
Die Beule erzeugt den Schlag auf den Kopf.

btw: Dawkins und sein tolles Buch
https://de.wikipedia.org/wiki/Das_egoistische_Gen

Im April 2016 stellte The Guardian eine Liste mit den 100 besten Sachbüchern auf. The Selfish Gene – Das egoistische Gen – wurde auf Platz 10 gesetzt.[3]
Am 19. Juli 2017 wurde The Selfish Gene – Das egoistische Gen von der Royal Society zum inspirierendsten wissenschaftlichen Werk aller Zeiten erkoren. Das Buch wird als "Meisterwerk - masterpiece", Dawkins als "exzellenter Kommunikator - excellent communicator" bezeichnet
Das wirft ein schlechtes Licht auf diese Preise. >:->

Dawkins Dienst an der bürgerlichen Wissenschaft ist die naturalisierung Der Herrschaft. Ein Grundanliegen des Humanismus.
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Re: Endlich, Cthulhu!

Beitrag von Thefalus »

Da muss man unterscheiden zwischen einer Herrschaft die von einem Dinge will, die man selbst nicht will und einem Kommando, dass das selbe Ziel verfolgt wie ich.
Muss man nicht. Sollte man auch nicht:

-- MERKSATZ:

Kommunisten unterstellen dir Dinge, die du willst oder brauchst, unabhängig davon was du wirklich willst oder brauchst.


In der Praxis steht also ein Schild im Schaufenster der Fleischerei: Heute brauchen wir kein Fleisch.

Baustelle: Heute wollen wir dem Funktionär eine Datsche bauen.

Planwirtschaft bedeutet also das gezielte Planen von Zynismen, die dem Volk unterstellen, was es will oder braucht. Dafür gibt es dann auch keinen angemessenen Lohn mehr.

Fazit: Der geforderte Nachweis einer herrschaftsfreien Zeit > 1 Jahr, > 1000 Leute wurde nicht erbracht. Stattdessen Herrschaft durch freche Unterstellungen angeboten. Bleibt aber Herrschaft.

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Re: Endlich, Cthulhu!

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Thefalus hat geschrieben: 18. Jul 2022 22:23
Da muss man unterscheiden zwischen einer Herrschaft die von einem Dinge will, die man selbst nicht will und einem Kommando, dass das selbe Ziel verfolgt wie ich.
In der Praxis steht also ein Schild im Schaufenster der Fleischerei: Heute brauchen wir kein Fleisch.

Baustelle: Heute wollen wir dem Funktionär eine Datsche bauen.
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Zuletzt geändert von fehlgeleitet am 18. Jul 2022 22:45, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Endlich, Cthulhu!

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@falus hast natürlich recht, im realen Sozialismus wurde sich immer viel mühe gegeben nachzuweisen, dass kein Blatt zwischen Volk und Führung passt.

Schon allein die Penetranz dieses nachweisversuches ist für sich genommen verräterisch und ist ein Hinweis auf das Gegenteil. Ein Problem, was die westlichen Demokratien nie in dieser Form hatten. Hier verfängt der Glaube zwischen Einheit von Volk und Führung tatsächlich. Zumindest sprechen oben und unten immer von einem "wir". Was dazu führt, dass so einige Politologen an den Unis meinen, von Herrschaft könne eigentlich keine Rede mehr sein.

Nun ist aber nicht der Nachweis von Herrschaft gefordert, sondern der Nachweis von einer Möglichkeit von Abwesenheit von Herrschaft. Ich habe mit dieser Forderung Probleme. Wie soll ich nachweisen, dass jemand etwas nicht will? Ich kann immer nur positiv zeigen, dass ein bestimmter Wille vorhanden ist, aber doch nicht die Abwesenheit eines Willen beweisen.
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Re: Endlich, Cthulhu!

Beitrag von Thefalus »

Dawkins IST Gott

In Niederklammbach wurde am Sonntag die erste offizielle Dawkins Kirche eröffnet. Andrea Schittelgruber (49), die einen mobilen Friseursalon betreibt, dazu: "Der Atheist Richard Dawkins ist der wahre Sohn Gottes. Es ergibt totalen Sinn. Jeder weiss, dass in den Offenbarungen steht, dass nur 140.000 Menschen ins Paradies passen. Dawkins hat alles dafür getan, dass seine Anhängerschaft so klein bleibt, dass es nicht zu einem Gedränge kommen kann." (as)

Quelle: Seltsame Zeiten vom 17.7.22

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Zuletzt geändert von Thefalus am 18. Jul 2022 23:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Endlich, Cthulhu!

Beitrag von Thefalus »

Wie soll ich nachweisen, dass jemand etwas nicht will? Ich kann immer nur positiv zeigen, dass ein bestimmter Wille vorhanden ist, aber doch nicht die Abwesenheit eines Willen beweisen.
Aber weder Wille noch Bedarf lassen sich allgemein beweisen. Und da das nicht allgemein geht, höchstens im Einzelfall, muss Planwirtschaft auf (zynische) Diktatur und Herrschaft zurückgreifen. Und das ist viel schlimner als Monopoly.

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Re: Endlich, Cthulhu!

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Thefalus hat geschrieben: 18. Jul 2022 22:54
Wie soll ich nachweisen, dass jemand etwas nicht will? Ich kann immer nur positiv zeigen, dass ein bestimmter Wille vorhanden ist, aber doch nicht die Abwesenheit eines Willen beweisen.
Aber weder Wille noch Bedarf lassen sich allgemein beweisen. Und da das nicht allgemein geht, höchstens im Einzelfall, muss Planwirtschaft auf (zynische) Diktatur und Herrschaft zurückgreifen. Und das ist viel schlimner als Monopoly.

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Ich kann doch erkennen, dass Menschen bewußt Zwecke verfolgen. Dazu aber ist ein Willensakt notwendig.
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Re: Endlich, Cthulhu!

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fehlgeleitet hat geschrieben: 18. Jul 2022 23:16
Thefalus hat geschrieben: 18. Jul 2022 22:54
Wie soll ich nachweisen, dass jemand etwas nicht will? Ich kann immer nur positiv zeigen, dass ein bestimmter Wille vorhanden ist, aber doch nicht die Abwesenheit eines Willen beweisen.
Aber weder Wille noch Bedarf lassen sich allgemein beweisen. Und da das nicht allgemein geht, höchstens im Einzelfall, muss Planwirtschaft auf (zynische) Diktatur und Herrschaft zurückgreifen. Und das ist viel schlimner als Monopoly.

Thefalus
Ich kann doch erkennen, dass Menschen bewußt Zwecke verfolgen. Dazu aber ist ein Willensakt notwendig.
Wie willst du vorhersehen welchen Zweck jemand verfolgt, der eine Bäckerei betritt?

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Re: Endlich, Cthulhu!

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Thefalus hat geschrieben: 19. Jul 2022 00:04
fehlgeleitet hat geschrieben: 18. Jul 2022 23:16
Thefalus hat geschrieben: 18. Jul 2022 22:54

Aber weder Wille noch Bedarf lassen sich allgemein beweisen. Und da das nicht allgemein geht, höchstens im Einzelfall, muss Planwirtschaft auf (zynische) Diktatur und Herrschaft zurückgreifen. Und das ist viel schlimner als Monopoly.

Thefalus
Ich kann doch erkennen, dass Menschen bewußt Zwecke verfolgen. Dazu aber ist ein Willensakt notwendig.
Wie willst du vorhersehen welchen Zweck jemand verfolgt, der eine Bäckerei betritt?

Thefalus
In 99.9% aller Fälle geht es wohl darum etwas zu kaufen, wenn er nicht Angestellter der Bäckerei ist.
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Re: Endlich, Cthulhu!

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Im zweifelsfall hilft auch fragen.

Welche der folgenden Fragen kann man gut beantworten?

"Warum sind sie in die Bäckerei gegangen?"
"Warum sind sie NICHT in die Bäckerei gegangen?"

Es ist wirklich schwer zu sagen, warum man etwas nicht getan hat.
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Re: Endlich, Cthulhu!

Beitrag von Wolf Drache »

fehlgeleitet hat geschrieben: 18. Jul 2022 21:49 so, da du auf meine Erklärungen nicht einzugehen scheinst, schlage ich vor, dass wir uns auf deine Hypothesen konzentrieren.
Danke!
fehlgeleitet hat geschrieben: 18. Jul 2022 21:49 Wie erklärst du dir eigentlich den Fall der Gehorsamsverweigerung?
Also individuell, wie beim Kriminellen, oder massenhaft, wie bei einer Rebellion?
Da gibt es zwei Erklärungen:
1) Der Herrscher versucht, jemandem Befehle zu erteilen, dessen Neigung zu gehorchen gegen Null geht, vielleicht weil er von dem Gehorchen-Gen nichts abbekommen hat. Immer dran denken: Die Gene werden immer noch mehr oder weniger zufällig weitergegeben, so etwas wie eine Familie, die ausschließlich zum Herrschen geboren wurde oder eine Familie, die ausschließlich zum Dienen geboren wurde gibt es nicht, das ist keine evolutionär stabile Strategie.
2) Die Befehle des Herrschenden sind so blöd, dass es wirklich der letzte Depp erkennt und dagegen aufbegehrt, egal wie stark die Neigung in ihm ist, zu dienen.
fehlgeleitet hat geschrieben: 18. Jul 2022 21:49 Da muss man unterscheiden zwischen einer Herrschaft die von einem Dinge will, die man selbst nicht will und einem Kommando, dass das selbe Ziel verfolgt wie ich.
Ja, das ist sinnvoll.
Ein Kommando das die selben Ziele verfolgt wie alle Mitglieder der Gruppe ist keine merkbare Herrschaft. Das ergibt in jeder Gesellschaftsform Friede, Freude, Eierkuchen. Das gibt es im Feudalismus unter den guten König, das gibt es in der Demokratie unter einer stabilen Mehrheit, das gibt es im Kapitalismus in Unternehmen bei denen Chefs und Mitarbeiter vom Produkt begeistert sind und der Chef einen Teil des Profits an die Mitarbeiter weitergibt, und das gibt es in Kommunen (also Kommunismus in klein), bei denen alle die selbe Weltanschauung verfolgen, z.B. Hippie-Kommunen oder Klöstern.
Das ist aber - an tausenden von Beispielen nachweisbar - im realen Leben kein Dauerzustand.
Diese Herrschaft ist und bleibt de facto eine Herrschaft, dessen Herrscher auch die Macht haben, andere Ziele zu verfolgen wie die beherrschten, und dessen Untergebene nicht auf ewig das selbe Ziel verfolgen.
Irgendwann kommt jede Gruppe an einen von drei Punkten:
- die Situation erfordert es, unangenehme Maßnahmen zu treffen, mit denen die die beherrschten (oder zumindest ein merkbarer Teil von ihnen) nicht einverstanden sind
- der Herrschende missbraucht seine Herrschaft für Ziele, die von denen der beherrschten abweichen.
- die Beherrschten sind nicht mehr einer Meinung und verfolgen nicht mehr alle das selbe Ziel.
Diese Punkte sind die Punkte, unter der wir jede Gesellschaftsform betrachten sollen, bevor wir sie einführen wollen. Wie verhält sich die Gesellschaftsform, wenn einer der drei oben genannten Punkte eintritt? Findet sie dann wieder in einen stabilen Zustand der für alle akzeptabel ist?
Dass dieser Punkt irgendwann kommt kannst Du in beliebigen Gruppen beobachten, von der Kommune die auseinanderfällt weil zwei Leute nicht mehr das Klo putzen wollen über das Startup, dessen Chef irgendwann anfängt, sich die Taschen zu füllen und seinen Angestellten die versprochenen Boni nicht mehr auszahlt bis hin zum sozialistischen Staatschef, der seine Untertanen noch brutaler und rücksichtsloser ausbeutet als der General, der gestützt von den USA grausam geherrscht hat.

Ich wäre ja schon froh, wenn Du mir theoretisch herleiten könntest, wie im idealen Kommunismus mit diesen drei Punkten umgegangen wird. Meiner Meinung nach führen im Kommunismus die Punkte 1 und 3 unweigerlich zu einem von zwei Szenarien: Auseinanderbrechen des Staates oder Diktatur.
"Ach, es ist der Fehler unserer Wissenschaft, dass sie alles zu erklären wünscht; und wenn es ihr nicht gelingt, dann sagt sie, es sei nichts daran zu erklären."
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Re: Endlich, Cthulhu!

Beitrag von Tyger »

Dazu wäre noch anzumerken, dass es eine Gesellschaft von Menschen, die alle durchweg dieselben Ansichten, Absichten und Ziele haben, schlichtweg nicht gibt. Deshalb ist immer die Herrschaft die beste, die so wenig wie möglich tut, denn damit schadet sie zwangsläufig auch den Wenigsten. Auch hier will der Kommunismus allerdings das genaue Gegenteil, nämlich eine Staatsherrschaft, die sich um alles und jedes kümmert und für absolut alles zuständig ist. So ein System kann also zwangsläufig nur den maximal möglichen Schaden für die Gesellschaft anrichten, selbst dann, wenn man gute Absichten voraussetzen könnte.
fehlgeleitet
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Re: Endlich, Cthulhu!

Beitrag von fehlgeleitet »

Wolf Drache hat geschrieben: 19. Jul 2022 07:46
fehlgeleitet hat geschrieben: 18. Jul 2022 21:49 Wie erklärst du dir eigentlich den Fall der Gehorsamsverweigerung?
Also individuell, wie beim Kriminellen, oder massenhaft, wie bei einer Rebellion?
Da gibt es zwei Erklärungen:
1) Der Herrscher versucht, jemandem Befehle zu erteilen, dessen Neigung zu gehorchen gegen Null geht, vielleicht weil er von dem Gehorchen-Gen nichts abbekommen hat. Immer dran denken: Die Gene werden immer noch mehr oder weniger zufällig weitergegeben, so etwas wie eine Familie, die ausschließlich zum Herrschen geboren wurde oder eine Familie, die ausschließlich zum Dienen geboren wurde gibt es nicht, das ist keine evolutionär stabile Strategie.
Also kriminelle sind bei dir verhinderte Herrscher. Ich sehe erstmal, dass die meisten kriminellen gerne reich sein würden, nicht unbedingt herrschen.
Wolf Drache hat geschrieben: 19. Jul 2022 07:46
fehlgeleitet hat geschrieben: 18. Jul 2022 21:49 2) Die Befehle des Herrschenden sind so blöd, dass es wirklich der letzte Depp erkennt und dagegen aufbegehrt, egal wie stark die Neigung in ihm ist, zu dienen.
Häufig ist es aber so, dass nicht die gesamte Bevölkerung aufbegehrt, ein anderer Teil verhält sich passiv und irgend ein Teil bleibt der alten Herrschaft treu. Deswegen gibt es so häufig Bürgerkriege die auf Rebellionen folgen.

Manchmal gibt es auch mehrere Rebellen, die sich gegenseitig teilweise bekämpfen um sich dann wieder gegen einen dritten zusammenzuschließen.

Zum Beispiel beim Bürgerkrieg in China der mit Maos Sieg endete gab es neben Maos Kommunisten (die einen anderen Kommunismus verfolgt haben als ich, wenn dich der Unterschied interessiert kann ich das nochmal nachreichen) auch eine große nationalistische Bewegung. Die Nationalisten arbeiteten mit Maos Kommunisten gegen die Japaner zusammen um nach Ende des zweiten Weltkriegs wieder gegeneinander zu kämpfen. Am Schluss verloren die Nationalisten und flohen nach ihrer Niederlage gegen Mao nach Taiwan. Seitdem ist Taiwan unabhängig von China.
Wolf Drache hat geschrieben: 19. Jul 2022 07:46
fehlgeleitet hat geschrieben: 18. Jul 2022 21:49 Da muss man unterscheiden zwischen einer Herrschaft die von einem Dinge will, die man selbst nicht will und einem Kommando, dass das selbe Ziel verfolgt wie ich.
Ja, das ist sinnvoll.
Ein Kommando das die selben Ziele verfolgt wie alle Mitglieder der Gruppe ist keine merkbare Herrschaft. Das ergibt in jeder Gesellschaftsform Friede, Freude, Eierkuchen. Das gibt es im Feudalismus unter den guten König, das gibt es in der Demokratie unter einer stabilen Mehrheit, das gibt es im Kapitalismus in Unternehmen bei denen Chefs und Mitarbeiter vom Produkt begeistert sind und der Chef einen Teil des Profits an die Mitarbeiter weitergibt, und das gibt es in Kommunen (also Kommunismus in klein), bei denen alle die selbe Weltanschauung verfolgen, z.B. Hippie-Kommunen oder Klöstern.
Das ist aber - an tausenden von Beispielen nachweisbar - im realen Leben kein Dauerzustand.
Diese Herrschaft ist und bleibt de facto eine Herrschaft, dessen Herrscher auch die Macht haben, andere Ziele zu verfolgen wie die beherrschten, und dessen Untergebene nicht auf ewig das selbe Ziel verfolgen.
Irgendwann kommt jede Gruppe an einen von drei Punkten:
- die Situation erfordert es, unangenehme Maßnahmen zu treffen, mit denen die die beherrschten (oder zumindest ein merkbarer Teil von ihnen) nicht einverstanden sind
- der Herrschende missbraucht seine Herrschaft für Ziele, die von denen der beherrschten abweichen.
- die Beherrschten sind nicht mehr einer Meinung und verfolgen nicht mehr alle das selbe Ziel.
Diese Punkte sind die Punkte, unter der wir jede Gesellschaftsform betrachten sollen, bevor wir sie einführen wollen. Wie verhält sich die Gesellschaftsform, wenn einer der drei oben genannten Punkte eintritt? Findet sie dann wieder in einen stabilen Zustand der für alle akzeptabel ist?
Dass dieser Punkt irgendwann kommt kannst Du in beliebigen Gruppen beobachten, von der Kommune die auseinanderfällt weil zwei Leute nicht mehr das Klo putzen wollen über das Startup, dessen Chef irgendwann anfängt, sich die Taschen zu füllen und seinen Angestellten die versprochenen Boni nicht mehr auszahlt bis hin zum sozialistischen Staatschef, der seine Untertanen noch brutaler und rücksichtsloser ausbeutet als der General, der gestützt von den USA grausam geherrscht hat.

Ich wäre ja schon froh, wenn Du mir theoretisch herleiten könntest, wie im idealen Kommunismus mit diesen drei Punkten umgegangen wird. Meiner Meinung nach führen im Kommunismus die Punkte 1 und 3 unweigerlich zu einem von zwei Szenarien: Auseinanderbrechen des Staates oder Diktatur.
Zu den Beispielen die du nennst ist anzumerken, dass die Ziele des Chefs und seiner Arbeiter im Kapitalismus sehr prinzipiell auseinanderfallen. Der Chef möchte möglichst viel Arbeit haben und möglichst wenig zahlen. Die Arbeiter wollen möglichst wenig arbeiten und möglichst viel Lohn.

Es gibt im Kapitalismus also einen prinzipiellen Widerspruch, der sich nie auflösen lässt. Deswegen zerfällt der Kapitalismus auch in Klassen, der Mensch hat je nach Klassenlage eine andere Einkommensquelle. Die Klassenzugehörigkeit ergibt sich nicht aus einer individuellen oder gesellschaftlichen Wahl auf Basis einer vernünftigen Überlegung, sondern man wird (in der Regel) in sie hineingeboren. Entweder man besitzt Kapital, dann kann man die Arbeit anderer kaufen um aus Geld noch mehr Geld zu machen oder man hat kein Kapital, dann muss man sich einem Kapitalisten oder dem Staat andienen um an ein Geld zu kommen von dem man leben kann.

Im Kommunismus wäre derjenige, der die Arbeit koordiniert auf Basis einer vernünftigen Überlegung auf den Posten gekommen und auch wieder entlassen, wenn er seine Aufgabe als Koordinator nicht erfüllt. Derjenige, der die Arbeit koordiniert wäre also nicht jemand, der die Arbeit zu Zwecken einsetzen kann, die die anderen prinzipiell nicht wollen.

Stell es dir so vor wie der Leiter eines Opensource Softwareprojekt. Er bestimmt die Agenda und welcher Code in die fertige Software kommt. Aber ohne Leute die mitmachen wollen, wird eben auch nicht gearbeitet.

Wenn Menschen zusammen leben und sich die Arbeit teilen, dann mag es über unbeliebte Arbeiten auch einen Streit geben. Der ist dann aber kein unversöhnlicher Gegensatz, sagen wir jeder erhielte sein eigenes Klo, dann wäre der Streit aus der Welt. Oder man sagt, wer das Klo nicht putzen will muss von nun an den Kompost benutzen statt das Klo. Beim Kapitalismus gibt es noch nichtmal theoretisch die Möglichkeit den Streitgegenstand, den Lohn, aus der Welt zu schaffen.

Weiterhin ist das Kapital immer bestrebt, Arbeit wegzurationalisieren. Im Kommunismus wäre das ein Grund zum jubeln, denn wenn die Arbeit weniger wird haben alle mehr Freizeit. Im Kapitalismus verlieren diejenigen, die ihre Arbeit verlieren, auch ihre Einkommensquelle. Und teilen mit denen die noch eine Arbeit haben geht nicht. Der Kapitalismus ist also eine Gesellschaftsform, in der die Arbeit nie weniger wird, egal wieviel Technologie verfügbar ist. Denn das Kapital hat einen Werwolfhunger nach profitabler Arbeit, die ihm den Mehrwert bringt. Gleichzeitig fliegen also Leute raus und diejenigen die verbleiben, müssen erst recht ranklotzen.

Im Kommunismus wird der technische Fortschritt genutzt um die Arbeit für alle zu reduzieren.

Und schließlich: Alle Strengen sich furchtbar an, und das Resultat ihrer Anstrengungen sind Wirtschaftskrisen. Weil der Kapitalismus zu gut funktioniert hat, bricht wieder eine Krise aus und nichts geht mehr. Man hat die Absurdität, dass die Schaufenster voll sind aber kein Geld da ist um die Waren zu kaufen.

Da es im Kommunismus kein Geld gibt entfällt dieses Problem im Kommunismus

Zu deinen 3 Punkten:
Unangenehme Situationen erfordern unangenehme Maßnahmen. Im Kommunismus wird es jedenfalls nicht so sein, dass die unangenehmen Maßnahmen von einer herrschenden Klasse (denn es gibt keine) befohlen werden und von der Bevölkerung (es gibt auch keine beherrschte klasse mehr) auszubaden sind. Sondern die Kommunisten entscheiden sich dafür, dass bestimmte Dinge getan werden müssen und tun sie dann auch.

Im Kapitalismus ist es übrigens so, dass die allermeisten unangenehmen Situationen von den herrschenden Klassen heraufbeschworen werden, die Lasten dann aber immer auf dem Rücken der Proletarier landen. Wie zb die Ukrainekrise ist ein Werk der imperialistischen Mächte der Nato und Russlands Reaktion dadrauf. Die ist doch nicht vom Himmel gefallen wie eine Naturkatastrophe. Wer darf sie ausbaden? In der Ukraine werden die Proletarier an der Front verheizt, hierzulande wird ihnen die Heizung abgedreht. Nur um mal ein Beispiel zu nennen.

Im Kommunismus ist es übrigens so, dass man die Leute die die Arbeit dirigieren abberufen kann, wenn einem das was sie tun nicht gefällt. Können die Lohnarbeiter im Kapitalismus den Chef einer Firma abberufen? Eher nicht.
Tyger hat geschrieben: 19. Jul 2022 08:13 Dazu wäre noch anzumerken, dass es eine Gesellschaft von Menschen, die alle durchweg dieselben Ansichten, Absichten und Ziele haben, schlichtweg nicht gibt. Deshalb ist immer die Herrschaft die beste, die so wenig wie möglich tut, denn damit schadet sie zwangsläufig auch den Wenigsten. Auch hier will der Kommunismus allerdings das genaue Gegenteil, nämlich eine Staatsherrschaft, die sich um alles und jedes kümmert und für absolut alles zuständig ist. So ein System kann also zwangsläufig nur den maximal möglichen Schaden für die Gesellschaft anrichten, selbst dann, wenn man gute Absichten voraussetzen könnte.
Die Abwesenheit von der Herrschaft einer Klasse ist nicht gleichbedeutend mit der Abwesenheit eines Plans. Damit Menschen zusammen Arbeiten können müssen sie sich irgendwie absprechen. Nur darum geht es, wie man die gemeinsame Absprache am besten hinkriegt zum Zwecke der Arbeitsteilung. Ich kann nicht erkennen was daran schlecht sein soll.
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Re: Endlich, Cthulhu!

Beitrag von Tyger »

fehlgeleitet hat geschrieben: 19. Jul 2022 13:30 Im Kommunismus ist es übrigens so, dass man die Leute die die Arbeit dirigieren abberufen kann, wenn einem das was sie tun nicht gefällt. Können die Lohnarbeiter im Kapitalismus den Chef einer Firma abberufen? Eher nicht.
In keinem einzigen von all den Versuchen, Kommunismus einzuführen, hat es so etwas jemals gegeben. Im Kapitalismus gibts da aber durchaus eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die auch vorkommen: Bei einer AG wird die Führung von der Jahreshauptversammlung gewählt, und wenn sie im Streubesitz der Mitarbeiter ist, dann haben die genau diese Möglichkeit. Bei Genossenschaften sieht das ähnlich aus, und bei allen sonstigen Gesellschaften, die im Besitz mitarbeitender Teilhaber sind, natürlich auch. Aber da passt die Realität mal wieder nicht mit olle Marxens Weltbild zusammen. Böse Realität!
fehlgeleitet hat geschrieben: 19. Jul 2022 13:30 Die Abwesenheit von der Herrschaft einer Klasse ist nicht gleichbedeutend mit der Abwesenheit eines Plans. Damit Menschen zusammen Arbeiten können müssen sie sich irgendwie absprechen. Nur darum geht es, wie man die gemeinsame Absprache am besten hinkriegt zum Zwecke der Arbeitsteilung. Ich kann nicht erkennen was daran schlecht sein soll.
In Deinem Kommunismus soll überhaupt nichts weiter geregelt werden als allein die Arbeitsteilung? Also nix mit Sozialstaat, Rente und dergleichen? Sonst auch keine Gesetze, Regeln, Rechtsprechung usw.? Das wäre aber nicht ganz das, was man üblicherweise unter Kommunismus versteht.
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Re: Endlich, Cthulhu!

Beitrag von fehlgeleitet »

Tyger hat geschrieben: 19. Jul 2022 17:56
fehlgeleitet hat geschrieben: 19. Jul 2022 13:30 Im Kommunismus ist es übrigens so, dass man die Leute die die Arbeit dirigieren abberufen kann, wenn einem das was sie tun nicht gefällt. Können die Lohnarbeiter im Kapitalismus den Chef einer Firma abberufen? Eher nicht.
In keinem einzigen von all den Versuchen, Kommunismus einzuführen, hat es so etwas jemals gegeben. Im Kapitalismus gibts da aber durchaus eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die auch vorkommen: Bei einer AG wird die Führung von der Jahreshauptversammlung gewählt, und wenn sie im Streubesitz der Mitarbeiter ist, dann haben die genau diese Möglichkeit. Bei Genossenschaften sieht das ähnlich aus, und bei allen sonstigen Gesellschaften, die im Besitz mitarbeitender Teilhaber sind, natürlich auch. Aber da passt die Realität mal wieder nicht mit olle Marxens Weltbild zusammen. Böse Realität!
Naja. Wann haben bitteschön die Mitarbeiter die Mehrheit der Aktien einer AG? Das kommt doch so gut wie nie vor. Und spätestens dann wenn man sich Geld geliehen hat sind die Forderungen der Banken zu berücksichtigen um den nächsten Kredit zu bekommen.
Tyger hat geschrieben: 19. Jul 2022 17:56
fehlgeleitet hat geschrieben: 19. Jul 2022 13:30 Die Abwesenheit von der Herrschaft einer Klasse ist nicht gleichbedeutend mit der Abwesenheit eines Plans. Damit Menschen zusammen Arbeiten können müssen sie sich irgendwie absprechen. Nur darum geht es, wie man die gemeinsame Absprache am besten hinkriegt zum Zwecke der Arbeitsteilung. Ich kann nicht erkennen was daran schlecht sein soll.
In Deinem Kommunismus soll überhaupt nichts weiter geregelt werden als allein die Arbeitsteilung? Also nix mit Sozialstaat, Rente und dergleichen? Sonst auch keine Gesetze, Regeln, Rechtsprechung usw.? Das wäre aber nicht ganz das, was man üblicherweise unter Kommunismus versteht.
Ja bei mir gibts nur den Plan. Einen Sozialstaat braucht es nicht, dass ist schon alles in die Arbeitsteilung so integriert, dass keine Sozialfälle entstehen. Einen Rechtsstaat gibt es auch keinen, weil es nicht andauernd zu Interessenkollisionen kommt wie im Kapitalismus, die geregelt werden müssten.